Mit wenn und aber: Die Umweltfreundlichkeit von E-Autos ist umstritten Politik & Wirtschaft | 13.08.2019 | Tanja Senn

Das Bundeswirtschaftsministerium ist sich sicher: „Elektromobilität ist weltweit der Schlüssel klimafreundlicher Mobilität“, heißt es in einem Bericht. Experten sind sich da jedoch uneins. Weisen E-Autos tatsächlich den Weg in eine umweltfreundliche Zukunft – oder sind sie lange nicht so sauber, wie es scheint?

Freiburgs neuester Schritt in Sachen E-Mobilität ist blau, etwa anderthalb Meter hoch und steht an der Vaubanallee. Seit Anfang Juni ergänzt die Ladesäule zusammen mit einer weiteren in der Haslacher Straße das Stadtbild der Green City. Drei weitere sollen bis zum Jahresende folgen. Geplant ist zudem ein Lade-Hub in Innenstadtnähe – ein „Leuchtturmprojekt“, für das Stadt und Badenova angeblich intensiv mit einem Investor verhandeln. Mehr will der Energiedienstleister zur Schnelltankstelle nicht verraten, die Dinge seien „noch im Fluss“.

Die Stadt schreibt der E-Mobilität eine große Bedeutung zu: Ihre Ausweitung werde als sehr wichtig beurteilt, heißt es in einer Drucksache. Allerdings sei die Förderung nur in wenigen Bereichen Aufgabe von Kommunen, „da Themen der Fahrzeugtechnik und der Ladeinfrastruktur übergeordnet (Land, Bund, EU) oder von Privaten anzugehen sind“.

Hier tut sich gerade einiges: Kaufwillige können zwischen mehr als 60 Modellen wählen. Auch die Infrastruktur ist der Zahl der E-Autos noch einen Schritt voraus – auf die rund 83.200 Fahrzeuge in Deutschland kommen 17.400 öffentliche Ladepunkte. Und das, obwohl nach Angaben der Badenova rund 85 Prozent der Autos zu Hause oder beim Arbeitgeber geladen werden. Das kommt an: Allein in den ersten sechs Monaten dieses Halbjahrs wurden in Deutschland 48.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride zugelassen – mehr als in Norwegen, das eigentlich als Vorreiter der Elektromobilität gilt. Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald sind knapp 500 E-Autos und 1300 Plug-In-Hybride auf den Straßen unterwegs.

Trotzdem sind aus Sicht der Umwelt lange noch nicht alle Probleme gelöst: Der Abbau der Rohstoffe – Lithium vor allem im Norden Chiles, Kobalt aus dem Kongo – findet unter teils menschenunwürdigen und umweltschädlichen ­Bedingungen statt. Die Herstellung einer Batterie verschlingt durchschnittlich 17 Tonnen Kohlendioxid – so viel wie ein Mittelklasseauto auf 100.000 Kilometern. Und auch was mit der Batterie nach dem Einsatz im Wagen passiert, ist trotz erster Recycling- oder Second-Life-Konzepte noch nicht geklärt.

„Dort einsetzen, wo es Sinn macht“

„Elektroautos werden von der Politik als emissionsfrei gesehen und gefördert, das ist allerdings nicht zu Ende gedacht“, kritisiert Jürgen Henninger, Geschäftsführer des Autohaus Schmolck in Emmendingen. „In die Klimabilanz müssten Produktion, Laufzeit und Entsorgung einfließen – nur dann kann man gerecht vergleichen.“ Der Händler sei dabei keineswegs gegen Elektromobilität: „Aber man muss sie dort einsetzen, wo es Sinn macht. Das eine wird verdammt, das andere hoch gelobt – ohne dass man die Fakten seriös vergleicht.“ Auch dass Hybride steuerlich begünstigt werden, unabhängig davon, ob und wie viel der Elektroantrieb genutzt wird, sieht er kritisch. Wer einen Plug-In-Hybrid nicht zu mindestens 20 bis 25 Prozent elektrisch nutze, fahre aufgrund des höheren Gewichts umwelttechnisch schlechter.

Ralph Kollinger beobachtet auch in seinen Autohäusern, dass für viele Geschäftswagenfahrer die steuerlichen Vorteile mehr für den Hybrid-Wagen sprechen als der Umweltgedanke. „Da ist fraglich, wie oft die tatsächlich elektrisch fahren“, so der Geschäftsführer der Kollinger-Gruppe. „Ich will das aber gar nicht verteufeln: Der Hybrid hat den Vorteil, dass man sich so ja ans elektrische Fahren gewöhnen kann.“ Ob Hybride und E-Autos tatsächlich die Zukunft sind, haben seiner Ansicht nach nicht die Hersteller, sondern die Verbraucher in der Hand. „Ich kann nicht mit dem Kopf durch die Wand das anbieten, was die Kunden nicht wollen.“ Von ihnen schlage ihm immer noch viel Skepsis entgegen. Sein Fazit: „Ich halte es für utopisch, dass wir in sechs, acht Jahren eine Quote von 30 Prozent haben – solange die Politik nicht sagt: Ab jetzt gibt es nur noch Elektroautos. Aber so weit ist sie nicht.“

Auch Marcus Sütterlin glaubt nicht, dass Diesel und Benziner in Zukunft aus dem Straßenbild verschwinden. „Wir brauchen einen Mix der Antriebsformen“, fordert der Chef des Freiburger Autohauses Sütterlin. Dass der zu einem großen Anteil aus E-Autos bestehen wird, davon ist er überzeugt: Bereits innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre erwartet er im städtischen Verkehr einen Anteil von 50 Prozent an Elektrofahrzeugen, im Umland rund 30 Prozent. „Ich bin mir sicher, dass wir bei der Elektromobilität viel schneller vorankommen werden, als wir heute noch denken.“

„Schnellerer Fortschritt als wir heute denken“

Dass das E-Auto umwelttechnisch noch einige Probleme aufweist, möchte er gar nicht wegdiskutieren. Doch egal, ob es die Second-Life-Konzepte sind – E-Autos als Stromspeicher für Gebäude –, die geplante Lithiumförderung in Europa oder der CO2-Verbrauch bei der Produktion, „da wird es in naher Zukunft gewaltige Fortschritte geben“. Darauf zu vertrauen, fällt Henninger deutlich schwerer: „Es wird sicherlich Lösungen geben, aber momentan haben wir eben noch keine. Kann ich meinen Kunden deswegen jetzt schon guten Gewissens ein Elektroauto empfehlen?“

Selbst in den Umweltverbänden steht man dem vermeintlich sauberen Antrieb skeptisch gegenüber. „Es ist sicherlich nicht damit getan, den Verbrennungsmotor rauszuwerfen und durch einen elektrischen Antrieb zu ersetzen“, sagt Klaus-Peter Gussfeld, Verkehrsreferent vom BUND Baden-Württemberg. „Die Herausforderung für die Zukunft liegt vielmehr in neuen Mobilitätssystemen.“ Er fordert weniger und kleinere Autos, damit sich auch die Rohstoffanforderungen reduzieren.

Dabei beobachtet Henninger gerade einen umgekehrten Trend: Der Elektromotor verschwinde wieder zunehmend aus dem Kleinwagen. Auch in seinem Autohaus sei die Nachfrage nach Elektroautos zwar gut, die Kaufentscheidungen jedoch überschaubar. E-Kleinwagen sind schließlich momentan noch doppelt so teuer wie ihre Äquivalente mit Verbrennern, „das gibt die Familienkasse oft nicht her.“ Sütterlin ist auch hier wieder optimistisch: „Die Autos werden sich preislich immer besser positionieren und dadurch zu einer echten Alternative werden.“

Dass die Zukunft ausschließlich dem Elektroauto gehört – da sind sich die Experten einig – ist unrealistisch. „Dass bis Ende 2030 alle elektrisch unterwegs sein sollen, das ist doch nicht zu Ende gedacht“, sagt Henninger. „Was wir brauchen, ist ein sinnvolles Nebeneinander von Verbrennern, Hybridfahrzeugen – hauptsächlich mit Plug-In – und reinen E-Autos.“

Foto: © badenova