Pralle Prozente: Uneinigkeit zu sattem Plus für Freiburger Stadträte Politik & Wirtschaft | 19.12.2018 | Till Neumann

Stolze 35 Prozent mehr bekommen Freiburger Stadträte ab Mai: 1150 Euro statt bisher 850 Euro. Die erhöhte Aufwandsentschädigung hat der Rat im November selbst beschlossen. Sie soll mehr Vielfalt in die Politik bringen und dem steigenden Arbeitsaufwand gerecht werden. Fraktionsvertreter sind sich einig, dass eine Erhöhung nötig ist. Bei 35 Prozent scheiden sich jedoch die Geister.

Ist das satte Plus für Bürger verständlich? „Nein, diese Erhöhung auf einen Schlag wird von den Bürgern nicht verstanden“, sagt Michael Wehner, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) Freiburg. Er ergänzt aber: „Es gibt gute Gründe, die Entschädigung deutlich zu erhöhen.“ Viel Arbeit stecke in dem Ehrenamt. In Großstädten wie Freiburg monatlich 60 bis 70 Stunden.

Auch für die Grünen-Fraktionschefin Maria Viethen sind 35 Prozent „ein bisschen viel“. Die Fraktion hat geschlossen dagegen gestimmt. „Uns war der Schritt zu hoch“, sagt die 64-Jährige, die den Standpunkt mit der FDP teilt. Viethen ist seit 24 Jahren Stadträtin, eine Erhöhung um 100 Euro hätte ihr genügt. Die Anwältin investiert etwa 20 Stunden pro Woche. „Die Freizeit ist weg“, sagt Viethen.

Wendelin Graf von Kageneck (CDU) kennt das: „Der Verzicht auf beruflicher und privater Ebene ist riesig.“ Der ehemalige Fraktionsvorsitzende ist deshalb Verfechter der 35 Prozent. „Die Ansprüche steigen nicht nur wegen vermehrter gesetzlicher Vorgaben, sondern auch, weil die Stadt wächst: mehr Sitzungen, damit mehr Vorbereitungen, mehr Gespräche, mehr Gremien.“ Der 75-Jährige sitzt seit 1999 im Gemeinderat und wird im Mai nicht mehr kandidieren. Von der Erhöhung profitiert er selbst nicht.

Auch Julia Söhne (SPD) findet die 35 Prozent gut. „Wir wollen bestmögliche Bedingungen schaffen, damit sich alle beteiligen können“, sagt die 25-Jährige. Durch den hohen Aufwand hätten bisher viele Geringverdiener oder Schichtarbeiter nicht die Chance, Stadtrat zu werden. Aktuell seien vor allem Anwälte, Lehrer oder Rentner vertreten. Bei mehr Geld könne sich das ändern. „Wir wollen, dass der Stadtrat bunt ist“, sagt Söhne.

Sergio Schmidt (Junges Freiburg) sieht das genauso: „Stadtrat muss man sich leisten können.“ Pfleger oder Kindergärtner gebe es bisher keine. 35 Prozent seien deshalb nicht zu viel Geld. Im Gegenteil: „Bisher ist es zu wenig.“ Sitzungsvorlagen zum SC-Stadion oder Dietenbach hätten bis zu 1000 Seiten. „Es ist völlig absurd, das kann man nicht alles lesen“, sagt der 23-Jährige.

Für Michael Wehner von der LPB ist das Finanzielle gar nicht mal so entscheidend: „Für die meisten Gemeinderäte liegt der Reiz nicht in der Höhe der Vergütung, sondern darin, die Gemeinde aktiv zu gestalten.“

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