Rechte Gewalt in Freiburg: Zwei Übergriffe und eine irritierende Pressemitteilung Politik & Wirtschaft | 02.08.2021 | Jakob Schautt

polizei einsatz freiburg chilli freiburg Im Einsatz: Die Freiburger Polizei am Hauptbahnhof - hat sie falsch kommuniziert?

Gleich zwei mutmaßlich rechtsradikale Übergriffe an einem Tag im Juni haben in Freiburg hohe Wellen geschlagen. Eine Diskussion um rechte Gewalt ist angefacht – auch in Reihen der Polizei. Für die Antifaschistische Linke sind das keine Einzelfälle. Ordnungsbürgermeister Stefan Breiter und die Polizei sehen Freiburg nicht als Brennpunkt rassistischer Taten.

Am 12. Juni hat der stadtbekannte rechte Aktivist und ehemalige AfD-Gemeinderatskandidat Robert H. einen 61-Jährigen mit einem Messer verletzt. Der Passant war Medienberichten zufolge eingeschritten, als H. zwei Jugendliche verfolgt und mit Pfeffergel attackiert hatte. Die beiden sollen ihn zuvor verbal angegangen haben. Nur wenige Stunden später rief eine Gruppe Männer auf offener Straße rassistische Parolen und bedrängte und schlug mutmaßlich einen lettischen Punk. Besonders pikant: Beteiligt daran war ein Beamter der Freiburger Polizei. Nach Aussagen des Betroffenen soll der Polizist ihm mehrfach mit Erschießung gedroht haben. 

Polizei nach Pressemitteilung unter Druck

Die Polizei geriet auch auf Grund ihrer Öffentlichkeitsarbeit in die Kritik: Die Tatsache, dass sich ein Polizeibeamter unter den Beschuldigten befindet, hat sie nicht von selbst kommuniziert. Eine Antifa-Gruppe hat das publik gemacht. Zudem übernahm die Polizei für ihre Öffentlichkeitsarbeit auch im Fall der Messerattacke durch den ehemaligen AfD-Gemeinderatskandidaten noch zwei Tage nach der Tat dessen Darstellung.

In dieser Version macht sich Robert H. selbst zum Opfer eines Übergriffs, obwohl er als einziger Beteiligter Waffen bei sich hatte und anwendete. In der Pressemitteilung der Polizei heißt es: „Der 39-Jährige gab an, dass er von insgesamt drei Personen tätlich angegangen wurde und sich daraufhin mit Pfefferspray und einem mitgeführten Messer verteidigt habe.“ Diese Darstellung ist umso unverständlicher, als der Polizei zu diesem Zeitpunkt schon andere Aussagen zum Tathergang vorlagen. Der taz berichtet der Angegriffene, dass er noch im Krankenhaus zwei Polizeibeamten den Tathergang geschildert habe.

Offener Brief von Gemeinderatsfraktionen

Franz Semling

Wehrt sich gegen die Vorwürfe: Polizeipräsident Franz Semling

Die beiden Gemeinderatsfraktionen „JUPI“ und „Eine Stadt für alle“ im Stadtrat reagierten: Sie wendeten sich Ende Juni mit einem offenen Brief an die Freiburger Polizei. Darin sprechen die Fraktionen davon, „dass in Freiburgs Straßen bewaffnete Neonazis unterwegs sind, die offensichtlich keinerlei Hemmungen haben, (…) Waffen (…) einzusetzen“. In den Augen der Fraktionen stellt diese Entwicklung  „eine massive Gefahr für die öffentliche Sicherheit in unserer Stadt“ dar. Sie fordern die Freiburger Polizei auf, die eigene Öffentlichkeitsarbeit zu rechtfertigen. Die Beteiligung des Polizeibeamten an dem rassistischen Vorfall solle „rasch und schonungslos“ aufgeklärt werden.

Polizei rechtfertigt Vorgehen 

Die Polizei wiederum verweist in einer ebenfalls öffentlichen Antwort auf den offenen Brief auf die Verpflichtung „neutral, mit der gebotenen Sorgfalt und ergebnisoffen“ zu ermitteln. Polizeipräsident Franz Semling versichert, eine etwaige Beteiligung des Polizeibeamten „lücken- und vorbehaltslos“ aufzuklären. Im Fall des Messerangriffs sei bisher „noch keine valide Aussage zum tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse“ möglich. Ebenso könne in Freiburg weder eine „signifikante Abweichung“ in der Zahl rechter Straftaten oder „eine Steigerung der Deliktsqualität“, noch eine „strukturelle Szene, die für rechte und politisch motivierte Straftaten verantwortlich ist“ festgestellt werden.

Stärkt der Polizei den Rücken: Ordnungsbürgermeister Stefan Breiter

Unterstützung dafür erhält die Freiburger Polizei von Ordnungsbürgermeister Stefan Breiter. Dieser verweist darauf, die „politisch motivierte Kriminalität“ werde „vom Polizeipräsidium Freiburg umfassend und aktuell betrachtet“. Er schätzt die Arbeit der Beamten: „Ich bin der Polizei dankbar, dass sie hier ein sehr waches Auge hat und den Fall in der Unterwiehre und Stühlinger aufarbeitet und wir die Ergebnisse abwarten“, so Breiter auf Anfrage des chilli. Auch bezüglich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vertraue er auf die Professionalität der Freiburger Polizei.

Antifa widerspricht Darstellung 

Der Darstellung es gebe keine gewaltbereite, rechte Szene widerspricht die „Antifaschistische Linke Freiburg“ deutlich. Sie weist darauf hin, dass Robert H., gemeinsam mit AfD-Stadtrat Dubravko Mandic an einem Angriff mit einer Metallzange auf einen Passanten beteiligt war. Dieser war eingeschritten, als beide zwei junge Antifas bedrängten. Mandic wurde wegen des Vorfalls wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Bezüglich der Beteiligung von Robert H. steht das Urteil noch aus. Die AntiFa hat die Chronik des Falles selbst ins Netz gestellt.

Gegenüber dem chilli-Magazin spricht Antifa-Sprecher Nils Bornstedt von einem Kreis von Rechtsradikalen um Mandic, der offensichtlich keinerlei Abgrenzungsbedürfnis zu gewalttätigen Neofaschisten besitze und die eigene Gewaltbereitschaft offen zur Schau trage. „Mandic und seine Anhänger inszenieren sich als starke Männer, die das Recht in die eigene Hand nehmen und sind eine echte Gefahr für Andersdenkende und alle, die nicht in ihr Weltbild passen“ so Bornstedt. Dies zeige sich in gewaltverherrlichenden Social-Media-Posts, einem provokanten Auftreten bei Demonstrationen und nicht zuletzt Übergriffen auf Andersdenkende und Medienvertreter*innen, mit denen sich schon wiederholt die Gerichte beschäftigen mussten.

Fotos: © Till Neumann & Polizeipräsidium Freiburg

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