Renaissance der kleinen Solaranlage: Energiewende auf dem eigenen Dach nimmt Fahrt auf Politik & Wirtschaft | 26.11.2017 | Tanja Senn

Ulm sonnt sich auf dem Siegerplätzchen. Kaiserslautern ist näher an der Sonne. Ingolstadt, Fürth und Regensburg auch. In der Solarbundesliga spielt Freiburg nur noch auf dem sechsten Platz. Was für den SC ein Traumrang wäre, ist für die Green City ein herber Abstieg: Bis 2006 gewann Freiburg regelmäßig die Meisterschale.

Doch die sonnigen Zeiten könnten zurückkehren: Die Freiburger setzen sich in diesem Jahr erstmals wieder mehr neue Photovoltaik-Anlagen auf ihre Dächer. Zusätzliche Energie in den weiteren Ausbau will auch das neue Mieterstromgesetz bringen.

Allein bis Juli wurden in diesem Jahr mehr Solar-Anlagen auf Freiburgs Dächer gebaut als im ganzen vergangenen. Eine Trendwende: In den vergangenen fünf Jahren war die Zahl der neuen Anlagen stetig gesunken. Wurden 2012 noch neue Anlagen mit 7,8 Megawatt Leistung installiert, waren es 2016 weniger als 1,0 Megawatt. Zum Vergleich: Freiburgs größte Solaranlage auf dem Eichelbuck hat allein 2,6 Megawatt. „Dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen immer wieder verändert haben, hat zu einer Verunsicherung geführt“, erklärt sich Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik den extremen Rückgang. In Freiburg wurden nach Badenova-Angaben im vergangenen Jahr 33.221 Megawattstunden Solarstrom ins Netz eingespeist. Die tatsächlich produzierte Menge dürfte größer sein, da mehrere Produzenten ihren Strom selbst nutzen und nicht einspeisen. Der mit Abstand größte Sonnenstromlieferant ist die Anlage auf der Deponie Eichelbuck mit 2657 MWh. Die Badenova-Anlagen speisten 2039 MWh ein.

Die Renaissance der Sonnenenergie auf den Dächern führt Stuchlik auf eine Kampagne der Stadt zurück. „Dein Dach kann mehr!“ soll die Freiburger mit Infoblättern, Workshops und kostenlosen Beratungen dazu animieren, ihre besonnten Dächer besser zu nutzen. Es spricht einiges dafür, dass die Ansprache der Hausbesitzer erfolgreich war: Denn während in Freiburg eine Trendwende zu beobachten ist, werden bundesweit immer weniger neue Anlagen gebaut. Mit einer einzelnen, großen Neuanlage lassen sich die Zahlen nicht erklären: Der Zuwachs verteilt sich auf mehrere Monate.

Mehr als 30.000 Megawattstunden grünen Strom speisten die Solaranlagen wie hier bei der Solarsiedlung 2016 ins Netz ein.

Die Verwaltung stockt ihr Angebot daher nochmal auf: Ab sofort wird es 30 weitere Beratungstermine geben, bei denen ein Solarexperte zu Interessenten nach Hause kommt. Insgesamt nimmt das Rathaus für die Kampagne 142.000 Euro in die Hand, die teilweise durch die Konzessionsabgaben der Badenova AG eingespielt wurden. Dass sich die Investitionen in die Beratungen lohnen, weiß Arne Blumberg von der Energieagentur Regio Freiburg. Bei fast jedem Hausbesuch gebe es von ihm ein „Daumen hoch“ für die Photovoltaik-Anlage. Nur in seltenen Fällen seien die technischen Voraussetzungen ungünstig.

Das sieht Malte Thoma, Abteilungsleiter im Umweltschutzamt, nicht anders. „Photovoltaik-Anlagen rechnen sich bei jedem Dach – nur eben mal mehr und mal weniger“, zeigt er sich bei einer Infoveranstaltung im Bürgersaal Littenweiler zuversichtlich. Dass davon auch begrünte Dächer und Mietshäuser nicht ausgenommen sind, ist Thema des Abends. Stichwort: Mieterstrom.

Dafür hat der Gesetzgeber im Juli 2017 ein neues Gesetz auf den Weg gebracht: Für Module, die den Strom direkt an die Bewohner des Hauses liefern, gibt’s nun einen Zuschlag von bis zu 3,7 Cent pro Kilowattstunde. Die Mieter werden an den Kostenvorteilen beteiligt: Sie sparen durch ihr Sonnendach mindestens zehn Prozent gegenüber dem Grundversorgungstarif. Sollte dieses neue Gesetz von allen Marktteilnehmern angenommen werden, so eine aktuelle Studie, bergen allein die Mehrfamilienhäuser in den 20 größten Städten Deutschlands ein Potenzial von bis zu 33.000 Anlagen.

Nur: So groß das Ausbaupotenzial, so schwierig die praktische Umsetzung. „Planung, Entwicklung und Betrieb einer Mieterstromanlage sind wesentlich anspruchsvoller als beim Einfamilienhaus“, sagt Burghard Flieger, Vorstand der Solar-Bürger-Genossenschaft. Er muss es wissen: Momentan realisiert seine Genossenschaft ein Mieterstromprojekt im Freiburger Baugebiet Gutleutmatten. Das Wohngebäude schwereLos mit seinen 19 Mietparteien und der Kita soll vom kommenden März an mit eigenem Solarstrom versorgt werden. Für die Umwelt bedeutet das eine Entlastung um mehr als 14 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Der veranschlagte Erlös ist mit jährlich 257 Euro hingegen gering.

„Der administrative Aufwand für die Betreiber vor allem von kleinen Anlagen steht in keinem Verhältnis zum Ertrag“, bemängelt Flieger. Allein die Meldepflichten und die Abrechnung seien hoch kompliziert. Ohne das Know-how eines Partners wie der Solar-Bürger-Genossenschaft oder der Badenova seien Mieterstromprojekte daher kaum machbar. An das Modell glaubt der Vorstand trotzdem: „Ich bin mir sicher, dass in Zukunft ein großer Teil des Stroms im Haus selbst erzeugt wird. Das Mieterstrommodell ist der Beginn einer dezentralen Stromerzeugung.“

Wie sich Photovoltaik wirtschaftlich lohnt

Weil die Preise für Photovoltaik-Anlagen in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sind, kann Sonnenstrom heute günstiger produziert werden als der Strom aus dem Netz. Dachmontierte Module auf Ein- und Mehrfamilienhäusern sind daher wirtschaftlich, so die Aussage des Umweltschutzamts.

Weil Solarzellen günstiger werden, rechnen sich die Anlagen wieder.

Wie lukrativ die Anlage tatsächlich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel von der Dachausrichtung, der Dachneigung und der Verschattung durch Bäume oder Dachaufbauten. Je mehr selbst erzeugter Strom im Gebäude genutzt werden kann, umso wirtschaftlicher ist die Anlage. Doch auch die Einspeisung ins Netz rechnet sich: Der Staat zahlt dafür eine garantierte Vergütung je Kilowattstunde für 20 Jahre ab Inbetriebnahme der Anlage.

Förderungen gibt es von der KfW, die Kredite inklusive Tilgungszuschuss anbietet. Die Stadt Freiburg und die Badenova bieten Förderungen für Anlagen mit Lithiumbatterien an. Der Energieversorger übernimmt zudem bei privaten Anlagen bis fünf kWP zehn Prozent der Investitionskosten. Und die Elektrizitätswerke Schönau fördern jede eingespeiste KWh mit zusätzlichen 2 bis 6 Cent je nach Anlagengröße bis 10 kWP.

Weitere Infos: freiburg.de/pv

Fotos: © FWTM/Schoenen; Badenova