Rolle rückwärts: EuGH revidiert HOAI-Urteil Politik & Wirtschaft | 13.09.2022 | Lars Bargmann

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 18. Januar 2022 einen Salto rückwärts hingelegt. Vor drei Jahren hatten die obersten europäischen Richter geurteilt, dass die deutsche Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) teilweise rechtswidrig sei und die von den Baukosten abgeleiteten Mindestund Höchstsätze für die Honorare unwirksam, weil sie gegen die europäische Dienstleistungsrichtline verstoßen. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied im Mai 2000, dass Luxemburg sich damit noch einmal befassen müsse. Hat Luxemburg. Nun sieht es wieder ganz anders aus. Ein neues BGH-Urteil bringt Auftraggeber in Bedrängnis.

„Im Kern haben wir jetzt wieder den alten Rechtszustand, der vor dem EuGH-Urteil von 2019 wirksam war“, sagt Nicolas Schill von der Staufener Baurechtsspezialistenkanzlei Steiger, Schill & Kollegen, die von den Magazinen Capital, brandeins und Focus aktuell unter den besten Baurechtskanzleien in Deutschland geführt werden. Die Entscheidung gilt für alle noch anwendbaren Fassungen der HOAI und bis zum Jahresende 2020 geschlossene Verträge. Bei stufenweiser Beauftragung auch
für danach abgerufene Stufen.

Und dieser Kern sieht so aus: Wenn Architekten oder Ingenieure mit ihren privaten Auftraggebern für bestimmte Leistungen Pauschalen vereinbart hatten, können sie bei der Schlussrechnung trotzdem immer den HOAI-Mindestsatz verlangen. Es sei denn, die Architekten haben die Schlussrechnung bereits gestellt und der Auftraggeber hat diese auch bezahlt. Dann ist das Geschäft final erledigt. Allein in Staufen liegen derzeit mehr als ein Dutzend nicht erledigter Fälle.

Ein spektakulärer spielt in Baden-Baden. Dort hatte der türkische Investor Hüseyin Aydogan 2014 das denkmalgeschützte Babo-Hochhaus gekauft und dann einen Freiburger Architekten mit dem Bauantrag für einen Umbau in ein Hotel beauftragt. Architekt und Auftraggeber hatten dafür pauschal 178.000 Euro vereinbart. Als der Bauantrag vorlag, weigerte sich Aydogan – der mittlerweile sogar von Bürgermeister Alexander Uhlig öffentlich kritisiert wird –, mehr als 100.000 Euro zu zahlen. Das wird sich wohl rächen.

Nachdem der EuGH im Januar seinen Salto rückwärts vor den Augen der Öffentlichkeit hingelegt hatte, war in einem anderen Fall wieder der BGH dran. Der urteilte am 22. Juni, dass Architekten den Mindestsatz geltend machen können. Nun, der Mindestsatz nach HOAI liegt für die Leistung in Baden-Baden nach einem Gutachten bei rund 600.000 Euro. Das klagt Schill nun für seinen Mandanten ein.

„Das können nun wieder alle Architekten tun, sofern sie die HOAI 2013 und frühere Fassungen bis zum 30.12.2020 und niedrigere Pauschalen vereinbart hatten. Unter dem Mindestsatz kann man rechtssicher nichts vereinbaren.“ Übrigens gilt das auch für private Unternehmen der öffentlichen Hand. Private Häuslebauer kann das allerdings auch mal schnell an den Rand eines Ruins führen. Möglicherweise, darauf hat der EuGH hingewiesen, stünde den Auftraggebern aber auch eine erfolgsversprechende Klage gegen die Bundesrepublik offen, denn diese hatte die HOAI 2013 unionsrechtswidrig gestaltet.

Diese Spielregel gilt indes nicht für die Zukunft. Wenn sich Auftraggeber und Planer heute unter dem Mindestsatz vereinbaren – was alles andere als außergewöhnlich ist –, ist das eine rechtssichere Vereinbarung. Wenn sich Luxemburg nicht aus anderem Grudne wieder einschalten wollte.