Sprung über die B 3? Gundelfingen hat Gewerbe im Fokus – aber viele Hürden zu nehmen Politik & Wirtschaft | 18.03.2019 | Stefan Pawellek

Als Wohnort ist Gundelfingen gesucht und seine Lage würde es auch zu einem gesuchten Gewerbestandort machen. Wenn da nicht das Platzproblem wäre. Denn so ausgedehnt auf den ersten Blick die Gundelfinger Gemarkung auch sein mag – tatsächlich sind die Erweiterungsmöglichkeiten limitiert.

Wie andernorts stehen auch im Gundelfinger Rathaus Investitionen an, die Finanzmöglichkeiten der Gemeinde sind allerdings überschaubar. Da würde Bürgermeister Raphael Walz gerne einiges mit einer Gewerbesteuerspritze finanzieren. Aus Lohn- und Einkommensteuer bezieht die Gemeinde derzeit rund 8,5 Millionen Euro, die Gewerbesteuereinnahmen lagen 2018 bei 3,9 Millionen Euro, dem höchsten Wert seit 2013 (knapp 4,2 Millionen Euro). 2004 waren es nur knapp 1,3 Millionen Euro. Der Hebesatz liegt bei 360 Prozent, zum Vergleich: Freiburg verlangt 430 Prozent von seinen Betrieben.

Die Gewerbesteuereinnahmen waren in den vergangenen Jahren sehr volatil: Gründe dafür, erzählt Walz, seien Auftrags- und Umsatzrückgänge, aber etwa auch der schmerzhafte Wegzug von Firmen: So baute die Prodinger KG (Verpackungen) ihr neues Logistikzentrum in Herbolzheim, da sie in Gundelfingen keine Expansionsmöglichkeit mehr sah. Und um die 440 Mitarbeiter beschäftigende Hermetic Pumpen GmbH zu halten, musste die Gemeinde schon mehrere Ausnahmen von den Bebauungsplänen im Gewerbegebiet zulassen. Hinzu kommt, dass die Bodenpreise mittlerweile zwischen 150 und 200 Euro liegen, in Herbolzheim hingegen gebe es den Quadratmeter auch mal für 60 Euro.

Dieses Gewerbegebiet zwischen B 3 und Gewerbestraße umfasst etwa 35 Hektar und ist – bis auf eine relativ kleine Fläche gegenüber der Gärtnerei Sauter, auf der preiswerte Wohnungen errichtet werden sollen – praktisch ausgemostet. Für das Areal gelten drei Bebauungspläne, kein Quadratmeter ist in Gemeindehand. Das bedeutet, wie Walz und Kurt Eckert von der Arbeitsgemeinschaft Handel, Handwerk, Dienstleistung im Verwaltungsraum Gundelfingen (AHA) übereinstimmend sagen, dass es nur beschränkte Einflussmöglichkeiten der Gemeinde gibt. Dabei, so Eckert, sei es so wichtig, dass gerade Handwerksbetriebe und Dienstleister die Möglichkeit hätten, in Gundelfingen zu bleiben oder sich neu anzusiedeln – zu erschwinglichen Bedingungen.

Dass hier durchaus „etwas ginge“, belegt ein Gutachten des Planungsbüros Acocella von 2018, das dem Gemeinderat jetzt vorgelegt wurde. Es belegt, dass zwischen 2001 und 2016 saldiert 307 neue Arbeitsplätze (plus 12,7 Prozent) entstanden. Die Dienstleistungsbranche legte ein stolzes Plus von 77 Prozent hin (plus 383 Beschäftigte), der Bereich Bauen plus 58 Prozent (80 Beschäftigte) und im verarbeitenden Gewerbe gab es 47 Prozent mehr (210). Dafür sanken die Beschäftigungszahlen im Handel (minus 205 oder 21 Prozent) und in der Logistik (minus 29 oder 28 Prozent) deutlich.

Verarbeitendes und Baugewerbe wären zukunftsfähig, bräuchten aber Gelände. Acocella erwartet, dass bis 2030 drei, bis 2035 rund vier Hektar Fläche fehlen werden.

Attraktive Gemeinde: Gundelfingen hat sich als Wohnort längst einen guten Ruf erarbeitet. Als Gewerbestandort mit dem städtebaulichen Auftakt entlang der B 3 beim Mega-Küchen-Markt (oben mit roter Fassade) muss sie sich erst noch auf den Weg in die Zukunft machen.

Bürgermeister Walz will im ersten Schritt die Bebauungspläne lockern: Die Investoren und Betriebe sollen auch mal in die Höhe bauen können. Das aber schlösse Produktionsbetriebe, Speditionen, Automobilhandel oder Baufirmen aus. Eckert sieht darin eine Chance, Start-ups, IT-Firmen und Büros unterzubringen, fürchtet aber, dass viele der Bodenbesitzer dann darauf hoffen, dass westlich der Gewerbestraße auch Wohnbau erlaubt würde. Mit entsprechenden Renditen.

Zudem, so Eckert weiter, müsse endlich das sogenannte Märktekonzept überarbeitet werden. Dieses Konzept diente dazu, die neu geschaffene Ortsmitte zu beleben, verhindert aber heute, so die AHA, dass größere Einheiten wie beispielsweise ein Weinlager ins Gewerbegebiet auswichen: „Die finden in der Ortsmitte keinen Platz, ins Gewerbegebiet dürfen sie aber nicht.“ So habe sich bereits eine Sportartikelkette einen anderen Standort gesucht.

Walz räumt dieses Problem ein, prüft aber, die Situation durch den „Sprung über die B 3“ zu entschärfen – worüber der Gemeinderat kontrovers diskutiert: Die Grünen sind etwa strikt dagegen. Jenseits der B 3 gäbe es Flächen, die aber als „regionaler Grünzug“ ausgewiesen sind. Ein anderes Problem ist die Frage des verkehrlichen Anschlusses. Eine mögliche Lösung: Eine Anbindung an das Gewerbegebiet Nord Freiburgs, so- dass hinter dem Autohändler Ernst & König ein rund zehn Hektar großes neues Gebiet entstünde, vorerst begrenzt von B 3 und dem Schobbach.

Freiburg, selbst nicht eben mit Gewerbeflächen gesegnet, ist durchaus interessiert, gibt sich aber kapriziös: Man wolle, so heißt es im städtischen Planungsamt auf Nachfrage, erst überprüfen, ob es nicht in Freiburg selbst Flächen gäbe, die ein interkommunales Gewerbegebiet erst einmal überflüssig machten.

Walz dagegen möchte die Kooperation, sieht er doch so größere Chancen, dass das Regierungspräsidium das Hindernis „regionaler Grünzug“ dann aufhöbe. Interessant ist, dass Freiburg die Frage stellt, warum man neben der Zufahrt von Freiburger Gemarkung aus nicht auch eine weitere von der B 294 errichte: Da gebe es schon eine Straße zur Erschließung der Mülldeponie und die A 5 sei leichter zu erreichen.

Allerdings, so wird nach einem Blick auf die Karte klar, würde das nur dann Sinn machen, wenn man das gesamte Gebiet zwischen Freiburger Grenze und B 294 als Gewerbegebiet entwickelte – was in Gundelfingen nicht angedacht ist, zumal es Probleme mit Natur- und Überflutungsschutz geben dürfte.

Tatsächlich hatte es einmal einen Vorstoß von Vörstetten gegeben, gemeinsam ein Gewerbegebiet zwischen den beiden Gemeinden, nördlich der B 294, zu entwickeln. Das aber sei, so
Eckert, am Desinteresse Gundelfingens gescheitert. Vörstetten orientiert sich nun in Richtung March, eventuell auch in Richtung Denzlingen. Und was, wenn der „Sprung über die B 3“ erst mal vertagt wird? „Dann wird’s eng“, sagt Eckert und ergänzt: „Eventuell könnte man noch zwischen Gärtnerei Sauter und dem Bauhof Gewerbe ansiedeln.“

Fotos: © Neithard Schleier