Eigenanbau und Apotheke statt Dealer – EH-Studie: Cannabis-Entkriminalisierung schwächt den Schwarzmarkt Politik | 17.10.2025 | Philip Thomas
Seit dem 1. April des vergangenen Jahres kann Cannabis in Deutschland unter bestimmten Auflagen legal erworben und angebaut werden. Eine Erhebung der Evangelischen Hochschule Freiburg (EH) sowie der Frankfurt University of Applied Sciences mit rund 11.500 Konsumenten zeigt erste positive Auswirkungen der Entkriminalisierung: Cannabis wird weniger beim Dealer geholt. Viele bauen nun selbst an oder beziehen Marihuana aus der Apotheke.
Die Idee zur Studie kam Anke Stallwitz, einer der Autorinnen, im vergangenen Jahr während eines Fachvortrags in Montreal, Kanada. Dort ist die Droge seit dem Herbst 2018 legal. „In Nordamerika schaut man sehr darauf, was gerade in Deutschland passiert“, sagt die EH-Professorin für Sozialpsychologie.
Kernstück der Studie ist eine nicht-repräsentative Online-Erhebung für Nutzer mit einem Mindestalter von 14 Jahren, die von Ende März bis Anfang Juni geschaltet war. Ziel war, regelmäßige Konsumenten zu erreichen: 81 Prozent der 11.500 befragten Personen konsumieren wöchentlich, 39 Prozent sogar täglich Cannabis. „Das ist eine große Stichprobe“, sagt Stallwitz.
88 Prozent der befragten Erwachsenen bezogen demnach in den vergangenen sechs Monaten Cannabis hauptsächlich aus einer grundsätzlich legalen Quelle. Vor der Teillegalisierung nutzten lediglich 24 Prozent eine der jetzt legalisierten Möglichkeiten als Hauptquelle. „Daraus lässt sich eindeutig schließen, dass Menschen sich legal mit Cannabis versorgen wollen und nicht über den Schwarzmarkt“, betont Stallwitz.
Besonders beliebt ist laut Umfrage der Bezug aus der (Online-)Apotheke. 44 Prozent versichern, ihr Cannabis auch aus Apotheken zu beziehen. Für fast ein Drittel (29 Prozent) ist die Apotheke die Hauptbezugsquelle. „Viele dieser Angebote verfolgen wirtschaftliche, nicht medizinische Interessen“, konstatiert Stallwitz.
»Der Markt bahnt sich einen Weg«
Dieses Florieren führt die Expertin auf ein Versäumnis der Politik zurück. „Der Markt bahnt sich an dieser Stelle einen Weg. Clubs können den Bedarf nicht decken, da es bisher nur sehr wenige gibt. Für Gelegenheitskonsumenten sind sie auch meist zu nerdig. Es fehlen ganz klar Fachgeschäfte.“
Auch wie Cannabis konsumiert wird, klärt die Auswertung. Die meisten (40,4 Prozent) der Befragten rauchen Cannabis im Joint mit Tabak. 37,7 Prozent verdampfen ihr Gras in einem Vaporizer. Jeder Fünfte nutzt auch synthetische Cannabisprodukte. Mit der Umfrage erreicht wurden überwiegend Männer (85,9 Prozent). Frauen konsumieren dafür risikoreicher und eher als Joint mit Tabak.
Derweil drängen Unionspolitiker auf eine Verschärfung des Cannabisgesetzes. „Das Kiffen im öffentlichen Raum hat vielerorts eine Sichtbarkeit erreicht, der sich auch Schülerinnen und Schüler nicht länger entziehen können. Die Suchtproblematik gerade bei jungen Menschen nimmt weiter zu“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann der Augsburger Allgemeinen Ende September. Stallwitz kann das nicht bestätigen: „Laut unserer Studie konsumieren die meisten Befragten (97,8 Prozent) im privaten Rahmen. So geben fast alle das eigene Grundstück als einen ihrer Konsumorte an.“ Weniger als die Hälfte (41,1 Prozent) kifft laut Stallwitz‘ Umfrage auch mal im öffentlichen Raum, etwa in Parks.
Eine außerdem Ende September vorgelegte, rund 200-seitige Evaluation des Cannabisgesetzes der Universität Hamburg sieht Hinweise auf einen Rückgang cannabisbezogener Meldungen an Jugendämter. Auch Suchtberatungen werden von Jugendlichen weniger in Anspruch genommen. „Diese Entwicklungen können zum Teil durch den Rückgang des Cannabiskonsums unter Jugendlichen zu erklären sein, der seit dem Jahr 2019 zu beobachten ist und der sich auch nach der Teillegalisierung fortzusetzen scheint“, resümieren die Autoren.

Kritik am CanG: Sozialpsychologin Anke Stallwitz
Grundsätzlich befürwortet Stallwitz die Legalisierung der Droge. Das Cannabisgesetz greift der Expertin zufolge allerdings zu kurz: „Besonders beim Jugendschutz gibt es nicht ausreichend wirksame Ansätze. Es wäre wichtig, Prävention zu entwickeln, die Jugendliche in ihrer Lebenswelt auch erreicht. Um Schaden zu vermeiden, muss diese Gruppe begleitet werden, aber da fehlen bislang Ansätze, die an die neue Gesetzgebung angepasst sind.“
Nun möchte die Professorin das Konsumverhalten dieser Gruppe untersuchen. Auf die aktuelle Umfrage meldeten sich nur rund 100 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren. Cannabiskonsum zuzugeben bedeutet für diese Alterskohorte nach wie vor das Eingeständnis einer Ordnungswidrigkeit: „Jugendliche sind nicht leicht zu erreichen, aber diesen Fokus würden wir gerne setzen.“ Eine entsprechende Untersuchung war laut Stallwitz bereits bewilligt. Seit dem Ampel-Aus vor knapp einem Jahr hängt die Förderung des Projekts jedoch in der Luft.










