Hängepartie für Kult: Nur noch eine Personalie beim neuen Gemeinderat offen Politik | 11.07.2024 | Lars Bargmann

Die Wahl zum neuen Gemeinderat in Freiburg brachte durchaus erstaunliche Ergebnisse: Die Grünen bleiben mit Abstand stärkste Kraft, die Sozialdemokraten verlieren kaum Stimmen, die FDP legt sogar leicht zu: Das politische Gebaren der Ampel in Berlin interessiert Freiburgs Wähler offenbar wenig. Der Sieger aber heißt Volt (siehe Infobox), die aus dem Stand zwei Sitze ergatterten. Unklar bis zum Redaktionsschluss war die Zukunft der Kulturliste.

Nach der Wahl ist vor dem Koalieren. Am schnellsten waren dabei FDP und Bürger für Freiburg (BfF), die zwei Wochen nach der Wahl meldeten, dass die vor fünf Jahren gegründete Fraktionsgemeinschaft auch die kommende Legislatur gemeinsam bestreiten wird. Durchaus etwas überraschend, dass bei der FDP Franco Orlando das Rennen um zwei Platz gegen Christoph Glück für sich entscheiden konnte. Neu im Gremium ist BfF-Stadtrat Uwe Stasch.

Auch die vor fünf Jahren gegründete Gemeinschaft Eine Stadt für Alle (ESfA) bleibt zusammen, wie sie drei Tage später mitteilte. Mit sieben Sitzen, vier von der Linken Liste, zwei von der Grünen Alternative und einem von den Unabhängigen Frauen, ist ESfA mit dem Zusatz „links. ökologisch. feministisch.“ zweitstärkste Fraktion im Rat.

Und könnte sogar noch einen Sitz stärker werden: Nachdem der frisch gewählte Kulturliste-Stadtrat Markus Schillberg, der dem erfahrenen Stadtrat Atai Keller das Mandat abgejagt hatte, weder bei der SPD noch bei Jupi unterschlüpfen konnte, gab es kurz vor Toresschluss (am 24. Juli soll sich der neue Gemeinderat konstituieren) noch Gespräche mit ESfA.

Wahlverlierer und Wahlgewinner

*Angaben in Prozent

„Das ist die feste Absicht unserer Liste“, berichtete Schillberg kurz nach einem Plenum der Liste. „Die Tür ist noch nicht zu, wir sind noch in offenen Gesprächen“, so der ESfA-Fraktionsvorsitzende Gregor Mohlberg. Das gelte aber nur für die Kulturliste.

Auch zu einer Fraktionsgemeinschaft verhandelt haben sich Junges Freiburg, Urbanes Freiburg, Die Partei und Volt – eine sehr junge Gruppe. Damit war klar, dass die noch amtierende Jupi-Fraktion, zu der auch Ramon Kathrein von der Liste Teilhabe und Inklusion (LTI) zählt, keine Zukunft hat.

Da mit den beiden AfD-Stadträten Karl Schwarz und Markus Castro keiner sprechen wollte, bleibt die AfD ebenso allein wie Wolf-Dieter Winkler, dessen Liste Freiburg Lebenswert zu den Verlierern der Wahl zählt, und eben Kathrein. Erstaunlich, dass sich ausgerechnet die Inklusionsliste nirgendwo inkludieren konnte. Wenn aber Kult und ESfA auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, könnte es doch noch zu einer Kooperation von Schillberg mit Kathrein kommen.

Bei den Beratungen zum Doppelhaushalt der Stadt für 2023/24 hatte Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) mit Grünen, SPD/Kulturliste und Jupi eine „strategische Mitte für verantwortliche Haushaltspolitik“ geformt. Wenn das weiter ein Fundament sein soll, dann ist es ein dünnes: Mit zwölf Grünen, sechs SPD-Abgeordneten und sechs von dem noch namenlosen Jupi-Nachfolger wären es 24 Stimmen. Mit der von Horn selbst 25 von 49. Denkbar knapp.

Auf der Oppositionsbank bleiben die Freien Wähler. Sie hadern mit der weiteren Zersplitterung der Kommunalparlamente in Baden-Württemberg, was „sicherlich nicht zu einer Stärkung der Demokratie“ führt. „Noch mehr Geschacher um Mehrheiten, noch mehr faule Kompromisse und schier endlose Debatten fördern massiv die bereits um sich greifende Politikverdrossenheit“, findet Fraktionschef Johannes Gröger.

Es sei „folgerichtig“, dass der baden-württembergische Städtetag gleich nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse eine Änderung des Wahlrechts gefordert hat. In die gleiche Kerbe schlugen auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobel (CDU). Das Auszählverfahren der Stimmen nach Sainte-Laguë/Schepers begünstigt tatsächlich kleine Initiativen. Wer aber für Vielfalt einsteht – noch nie in der Geschichte der Stadt Freiburg schafften es 17 Listen ins Rathaus –, muss auch Vielfalt in Kommunalparlamenten akzeptieren.

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