Zum Handeln verdammt Politik | 14.02.2025 | Lars Bargmann

Völlig egal, wie sich nach der Bundestagswahl eine Koalition bildet: Die neue Regierung ist beim Wohnungsbau zum sofortigen Handeln gezwungen. Das von der Ampel 2021 ausgegebene Ziel von jährlich 400.000 Wohnungen verfehlte die Koalition in etwa so weit wie Uli Hoeneß das Tor bei seinem Elfmeter im EM-Finale 1976 unterm Nachthimmel von Belgrad.
Die Liste der in Bedrängnis gebrachten oder schon insolventen Projektentwickler und Bauträger ist jetzt schon ellenlang. Beim Neujahrsempfang des Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen in Baden-Württemberg (BFW) sagte der Vorstandsvorsitzende Dirk Graf: „Nur mit Verständnis der Landesregierung können wir unsere Unternehmen nicht durch die Krise führen. Wir brauchen Rahmenbedingungen im Wohnungsbau, die bezahlbares Bauen ermöglichen.“
Der BFW (wir berichteten) hatte bereits im Februar 2023 im Strategiedialog auf die dramatische Entwicklung im Wohnungsbau hingewiesen. Ein kurzer Blick auf die aktuellen Zahlen drückt zwei Jahre später auch faktisch die Dramatik aus: So sind zwischen Januar und November 2024 in Deutschland rund 158.000 Neubauwohnungen genehmigt worden. 44.100 weniger als im Vorjahreszeittraum. Für die anvisierten 400.000 braucht es ein sehr gutes Fernglas.
Prozentual noch schlechter sieht es in Baden-Württemberg aus. Von Januar bis Oktober 2023 wurden im Ländle 24.462 Wohnungen genehmigt. In den ersten zehn Monaten 2024 waren es noch 16.958 Wohnungen. Ein erdrutschartiges Minus von 30,68 Prozent. Freiburg hat übrigens gegen diesen Trend performt: Hatte das Baurechtsamt 2023 noch 863 neue Wohnungen genehmigt, waren es im vergangenen Jahr 1008. Hauchzart also über der Zielmarke von jährlich 1000 Einheiten. In den zehn Jahren von 2015 bis 2024 waren es 11.306. Im Schnitt also: Sie haben ihr Ziel erreicht.
Der BFW appelliert aber nicht nur an Bund und Land, sondern auch an die Kommunen wie Freiburg. So trügen etwa „immer höhere Sozialquoten in städtebaulichen Verträgen“ nicht zu einer besseren Wohnraumversorgung bei. „Kommunen, die den wirtschaftlichen Zusammenhang bei ihren Entscheidungen nicht beachten, verhindern den Wohnungsbau“, kritisiert Geschäftsführer Gerald Lipka. Ein positives Beispiel gibt es im rheinland-pfälzischen Frankenthal: Die Stadt hat den Anteil sozial geförderter Wohnungen im Neubau verringert, um den Start neuer Wohnungsbauprojekte wirtschaftlich zu ermöglichen.
Mit Fernglas auf die Landtagswahlen im Frühjahr 2026 in Baden-Württemberg sagt Lipka, „dass die privaten Bauträger nur dann sozial geförderten Wohnungsbau planen und bauen können, wenn sie auch Zugang zu der Förderung des Landes haben“. Dafür sei eine Reservierungsvereinbarung „unverzichtbar“. Wer nicht für eigene Bestände baut, brauche schon bei Beginn der Planungen Sicherheit über die zu erwartende Förderung: „Ohne eine verbindliche Zusage der Mittel im geförderten Wohnungsbau, kann der Bauträger keine Erwerber für die Wohnungen finden.“
Freiburgs OB Martin Horn hatte beim Spatenstich zum Dietenbach – direkt neben Kanzler Olaf Scholz stehend – gesagt: „Wir brauchen 200 Millionen Euro Förderung“. Umgerechnet auf jede zweite der 6900 Wohnungen – es gilt die Verpflichtung von 50 Prozent sozialem Mietwohnungsbau – wären das knapp 58.000 Euro. Hört sich viel an – schließlich geht es hier um Steuergelder. Ohne verlässliche Förderung durch KfW und L-Bank aber wird im Dietenbach keine einzige Sozialwohnung gebaut. Nun nicht nur da nicht. Deswegen muss sich der Staat da einmischen. Und zwar schnell.
Der worst case wäre, wenn es nach der Wahl zu gar keiner Koalition kommen würde – und es erneut Neuwahlen bräuchte.