Rathaus Freiburg wagt innovativen Weg bei Integration STADTGEPLAUDER | 26.03.2018 | Till Neumann

Gemanagte Integration – das will Freiburg mit einem einzigartigen Ansatz schaffen: konsequentes Fallmanagement. Jeder Geflohene in der Stadt soll erfasst und unterstützt werden. Zum 1. April nehmen 18 Integrationsmanager die Arbeit auf. Nicht alle sind begeistert.

  Integrationsmanager. Das klingt nach anpacken, organisieren, Probleme lösen. So auch der Plan der Landesregierung, die 116 Millionen Euro bereitstellt, um 1000 solche Manager für zwei Jahre einzustellen. 18 Beauftragte wird es ab April in Freiburg geben.  

Was hier geplant ist, findet man sonst nirgendwo im Land, heißt es im Rathaus: „Es gibt keine Stadt in Baden-Württemberg, die so ein gutes Konzept hat“, schwärmt Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach. „Wir sind die einzigen, die konsequent fallbezogen arbeiten wollen“, sagt Katja Niethammer, Leiterin des Amts für Migration und Integration (AMI).  

Niethammer und ihr Stellvertreter Hans Steiner setzen große Hoffnung in das Vorhaben. Fallmanagement sei aus anderen Bereichen bekannt und erfolgreich erprobt – beispielsweise der Arbeit mit Behinderten, sagt Steiner. Im Bereich Flüchtlinge und Integration betrete man Neuland.  

Für die Stellen ihres Pionierprojekts gab’s Bewerbungen aus ganz Deutschland. Das Ziel: „Die Fallmanager sollen auf alle Geflohenen hier zugehen – auch auf solche, die bisher unter dem Radar sind.“ So erhoffe man sich einen besseren Überblick. Für jeden wird ein individueller Perspektivplan erstellt.  

„Es gab bisher viele Anlaufstellen“, sagt Niethammer. Ehrenamtliche, Jobcenter und Sozialstellen. Betroffene könnten sich dabei leicht verirren. Man verstehe zwar, dass unterschiedlich beraten werde, förderlich sei das jedoch nicht. „Ehrenamtler haben bei allem Engagement auch schon Perspektiven zerschossen“, sagt die AMI-Chefin. Ein klassischer Fall? Gehe es darum, Geld zu verdienen oder sich auf eine Ausbildung vorzubereiten, gebe es teils gegensätzliche Ratschläge. „Es sind viele kleine Irrwege“, sagt Steiner.

  Rund acht Monate soll eine Begleitung im Schnitt gehen. Für 75 Geflohene ist jeder Manager zuständig. „Wir wollen alles dokumentieren, auch wenn wir relativ wenig Personal haben“, so Steiner. Auf 24 Monate sind die Stellen finanziert, im AMI hofft man auf eine Verlängerung.  

Die 18 Manager werden Büros in Flüchtlingsunterkünften beziehen. Das könnte zu Irritationen bei den Sozialdiensten führen, die ebenfalls dort wirken. Laut chilli-Informationen gibt es kritische Stimmen. Fakt ist: Die Aufgabenverteilung dürfte sich ändern. Doch Niethammer und Steiner glauben an eine gute Zusammenarbeit: „Die Sozialdienste sehen das wie wir: Das ist kein Gegeneinander.“  

 

Das Projekt soll Geflohenen wie Jan Mustafa helfen. Er lebt derzeit in einem Wohnwagen.

  Das Vorhaben soll Helfende entlasten. „Ehrenamtliche stoßen an ihre Grenzen“, sagt Steiner. Engagierte bestätigen das. Eine Helferin berichtet von Tobsuchtanfällen, weil ihre Schützlinge im Regen stehen gelassen würden. Ihr selbst würde man Steine in den Weg legen, da sie „nur“ Ehrenamtliche sei. Auch da will das AMI ansetzen: „Eine Verwaltung hat mehr Durchschlagskraft“, betonen die AMI-Leiter.  

Wie groß die Herausforderungen sind, zeigt der Weg von Jan Mustafa aus Syrien. Der Geflohene ist seit 2013 in Deutschland und bekommt viel Hilfe. Da er zuletzt jedoch keine Wohnung fand, lebt er nun in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz am Silbersee. Das Dach ist undicht, der Winter war eisig. Er bekomme zudem viel Post vom Amt, die er nicht verstehe. Ein Problem, das viele haben.  

Mustafa ist einer von 3700 Flüchtlingen, die in den 24 Monaten erfasst werden sollen. Niethammer und Steiner berichten von großem Interesse anderer Kommunen: Das Pilotprojekt werde aufmerksam verfolgt. Doch mit Pionierarbeit sind sie vertraut: Das AMI ist das erste seiner Art im Land. Bundesweit war nur Wuppertal schneller.  

Fotos: Till Neumann