Roman-Debüt der Freiburgerin Marie Malcovati STADTGEPLAUDER | 28.05.2016

An Freiburgs Literaturhimmel glänzt ein neuer Name: Marie Malcovati. „Nach allem, was ich beinahe für dich getan hätte“ heißt der erste Roman der 34-jährigen gebürtigen Freiburgerin, die nach Studienjahren in Manchester, Ludwigsburg und Berlin hierhin zurückkehrte. Sie erzählt  die Geschichte „von Zufällen an einem Ort der Ortlosigkeit“: Drei einander völlig unbekannte Menschen begegnen sich in  der Wartehalle des Schweizer Bahnhofs in Basel. Hinterher hat ihr Leben eine andere Richtung als vorher.

Eigentlich begegnen sich in der Halle nur zwei Personen: Lucy und Simon. Sie ahnen nichts von der dritten Person, die in der Romanhandlung aber eine wesentliche Rolle spielt: Kommissar Beat Marotti von der Basler Kantonspolizei. Er wird nur für die Leser sichtbar; den beiden anderen Protagonisten bleibt er verborgen.

 
Er sitzt in einem Raum, in dem er die Aufzeichnungen der Überwachungskameras auf dem  Bahnhofsgelände kontrolliert. Mehr als nur routinemäßig: Eine Spaß-Guerilla-Gruppe hat an diesem Tag eine Aktion in der Stadt angekündigt, und Marotti obliegt die Aufgabe, bei der Feststellung verdächtiger Handlungen am Bahnhof die unsichtbar bereitstehende Bereitschaftspolizei zu alarmieren.

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Doch der verborgene Beobachter sieht sich bald an Lucy und Simon fest, die zwar nicht verdächtig, aber doch merkwürdig wirken. Lucy, die Marotti wegen ihrer Frisur bald „Kerze“ nennt, sitzt stundenlang bewegungslos inmitten des üblichen Bahnhofsgewimmels und starrt auf eine Wand. Und Simon, der irgendwann neben ihr sitzt und mit einem römischen Legionärskostüm bekleidet ist, wird zu Mark Anton.

 
Beide wirken auf den Kommissar orientierungslos, gestrandet: Einzelgänger, die ihr Leben gerade nicht so recht im Griff haben. So wie er selbst. Weshalb er sich ihnen auch persönlich zuwendet und öffnet – und darüber seine eigentliche Aufgabe völlig vergisst. Dennoch erfährt er nichts von den beiden, kann nur interpretieren, welche Geschichten sie mit sich herumtragen, was sich auf der Bildfläche und in den nicht erfassten toten Winkeln zwischen ihnen abspielt. Nur die Leser erfahren es – und es ist die Wucht.

 
Marie Malcovati hat für ihren Roman, so erzählt sie der cultur.zeit, „viele erinnerte Momentaufnahmen zusammengetragen“ und zu einer beeindruckenden Geschichte verdichtet, deren lose Enden voneinander unabhängig scheinen, sich dann aber doch zusammenfügen. Leicht kommt das Ganze daher, fast schwebend, manchmal auch komisch. Der Roman wirkt wie ein Episodenfilm, was kein Zufall ist: Malcovati hat Regie und Drehbuch studiert. Ihr erstes Buch hat sie unlängst beim Freiburger Andruck präsentiert, das nächste habe sie „bereits im Kopf“.

Text: Erika Weisser/Foto: Christian Trieloff