Samstag steigt Freiburgs erster Weltgeschichtentag – mit Erzählerin Kathinka Marcks STADTGEPLAUDER | 17.03.2016

Geschichten erzählen, die jeder versteht – unabhängig von ihrer Sprache: Wie das funktioniert, soll der erste Freiburger Weltgeschichtentag zeigen. Die hauptberufliche Erzählerin Kathinka Marcks hat sich dafür mit 5 weiteren Erzählern und 13 Straßenkünstlern zusammengetan, die am 19. März von 11 bis 16.30 Uhr in der Altstadt in fremde Welten entführen wollen. Der Eintritt ist frei. Warum Geschichten nicht nur für Kinder sind und wie man damit eigentlich sein Geld verdient, hat die 29-Jährige dem chilli verraten.
 

 
„Ich bin mir sicher, dass jeder Mensch das Erzählen braucht. Das tun wir eben, zusammensitzen und sich Geschichten aus dem Leben erzählen.
 
Mein Erzählen greift dieses Bedürfnis auf, es hat aber auch noch den Anspruch, Kunst zu sein. Wenn ich auftrete, habe ich mich lange mit einer Geschichte und ihren Hintergründen beschäftigt und mir überlegt: Was erzähle ich da, wie erzähle ich es?
 
Leider wird das Erzählen immer weniger, seitdem es Fernsehen und Smartphones gibt. Selbst die Gutenachtgeschichte für Kinder gibt es oft nur noch in den Bildungsschichten. Ich sehe oft, dass gerade Migrantenkinder noch nicht einmal Geschichten ihrer eigenen Kultur kennen. Wenn ich diese Geschichten dann in einer Schulklasse erzähle, sind die Kinder erst beschämt und werden dann aber richtig stolz, vor allem wenn sie merken, dass die anderen Kinder dadurch ein Interesse an ihrer Herkunft entwickeln. Dann geht es plötzlich um die Vielfalt und nicht mehr um die Angst, aufzufallen, weil man nicht so gut deutsch spricht.
 
Das geht nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen so: Durch die Sprache bekommt man einen Einblick in eine andere Kultur, die plötzlich nicht mehr fremd ist, sondern unglaublich spannend. Beim Weltgeschichtentag wird daher zweisprachig erzählt: Auf Deutsch und dazu auf Arabisch, Georgisch, Französisch oder in Gebärdensprache.
 
Ich selbst beschäftige mich durch meine Geschichten viel mit unterschiedlichen Religionen, Bräuchen und Biografien. In der Weihnachtszeit habe ich etwa eine Geschichte aus 1001 Nacht vorbereitet. Da waren viele Dinge aus der islamisch geprägten Kultur, die ich nicht verstanden habe – Gefühlsregungen, die ich nicht nachvollziehen konnte. Ich traf also Menschen aus arabischen Ländern, trank Tee und stellte viele Fragen. Eine Kultur auf diese Weise zu erkunden, ist unglaublich spannend.
 
Zudem liebe ich den engen Kontakt mit dem Publikum. Im Gegensatz zum Theater dürfen die Zuschauer beim Erzählen ein Teil der Geschichte werden, indem sie aufstöhnen, sich freuen oder auch protestieren, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Ich bin froh, dass ich von den Auftritten und Workshops gut leben kann. Klar denke ich mir manchmal, wie ein Leben als Künstlerin bei den Mietpreisen eigentlich funktionieren soll. Und ob es weiter, später dann auch mit Familie, so gut geht. Aber das fragt sich wohl jeder Selbstständige. Da hilft nur probieren, reflektieren und hoffentlich herausfinden.“
 
Text: Tanja Bruckert / Foto: © Sabine & Manfred Schreiber Fotografie