Eine Dame unter lauter Königen: Großmeisterin Barbara Hund kämpft in der Männerdomäne Schach Sport | 08.11.2018 | Philip Thomas

Auf dem Schachbrett ist die Dame der stärkste Spielstein. Abseits der karierten Spielfläche geben Frauen eine weniger starke Figur ab und genießen immer noch zu wenig Anerkennung, findet die Freiburger Großmeisterin Barbara Hund. Gemeinsam mit ihrer Tochter fördert sie deswegen Mädchen und junge Frauen im Spiel der Könige.

Barbara Hund kam früh zum Schach. „Ich habe mit den Figuren wie mit Bauklötzen gespielt, noch bevor ich die Regeln kannte“, sagt die 59-Jährige. Die Freiburgerin trägt den Titel Großmeister, hat bei der Schach-Olympiade mehrfach Bronze gewonnen und war Anfang der achtziger Jahre eine der zehn besten Schachspielerinnen weltweit. Heute unterrichtet sie neben dem Beruf junge Mädchen in Schulen und im Schachverein Freiburg-Zähringen 1887. In der Öffentlichkeit sieht sie ihren Denksport vernachlässigt: „Bis zum 6. Oktober läuft die Schach-Olympiade. Aber keiner weiß es.“

Fokussiert: Barbara Hund und Tochter Sarah (unten).

Die Berichterstattung über weibliche Schachspieler sei noch mal dünner als die über Männer. „Die Presse kommt praktisch nicht auf uns zu“, sagt die Mathematikerin, „als ich auf eine Zeitung zuging, um nach Berichterstattung über ein Frauen-Turnier zu fragen, hieß es: ‚Sie hatten doch letztes Jahr schon einen Bericht.’“ Tatsächlich ist Schach eine Männerdomäne: Laut Deutschem Olympischen Sportbund sind bloß acht Prozent aller dort gemeldeten Schachspieler weiblich. Gerade deswegen engagiert sich Hund. Auch wenn es manchmal mühsam ist: „Ich möchte Frauenschach fördern, das liegt auch daran, dass ich eine Tochter habe.“

Auch Tochter Sarah hat schon einige Pokale zur Sammlung im Treppenhaus hinzugefügt. Die 20-Jährige ist unter anderem Badische Meisterin. Täglich lösen die beiden zusammen Schachaufgaben. Ihr bisher größter Erfolg ist die Teilnahme an der U18-Weltmeisterschaft 2015. Auch Sarah sieht den Denksport in Deutschland nur in zweiter Reihe: „Schach ist kein Zuschauersport und für Laien live nicht so spannend wie zum Beispiel Fußball.“ Entsprechend unspannend ist die finanzielle Ausstattung.

Christoph Herbrechtsmeier ist Teamchef und Mäzen des Zweitligisten SC Emmendingen und kennt das Schachgeschäft genau. Der 64-Jährige ist begeistert von der Ästhetik des Spiels, war selbst Spieler in der ersten Bundesliga und investiert ins Team seines Heimatortes. „Es geht nur so“, sagt der Unternehmer. Frauen hat Herbrechtsmeier in seiner Mannschaft nicht.

Auch an der Weltspitze wird man nicht direkt fündig: Im geschlechtsübergreifenden Ranking liegen 95 Männer vor der besten Frau. Barbara Hund kann sich das nicht erklären. „Ich habe allerdings das Gefühl, dass junge Frauen den Wettkampf nicht mögen.“ Eine weitere Ursache sieht sie im Jugendbereich: „In dem Alter sind Jungs lauter als die wenigen Mädchen und können sich den einen oder anderen blöden Spruch oft nicht verkneifen.“ Auch Sarah hat Erfahrungen in der Männerdomäne Schach gemacht: „Als Frau fällt man definitiv auf. Auf Turnieren hatte ich das Gefühl, dass mich alle kennen.“ Auch Herbrechtsmeier kann sich das Phänomen nicht erklären: „Schach ist eine reine Männerwelt. Ich habe keine Ahnung, warum.“ Er und Sarah sitzen gelegentlich zusammen am Brett. Ihre letzte Partie entschied die Studentin für sich.

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