»Weiß, dass ich viele Leute schlagen kann«: Luisa Niemesch ringt bei Olympia Olympia | 26.07.2024 | Philip Thomas

Porträt von Luisa Niemesch

Bei den Spielen in Rio de Ja­neiro im Jahr 2016 zählte für Luisa Niemesch vor allem der Olympische Gedanke „Dabei sein ist alles“. Nach zwei Silbermedaillen und einer Bronzemedaille bei Europameisterschaften liebäugelt Deutschlands stärkste Ringerin in Paris nun zumindest mit Edelmetall.

Das erste Mal auf der Matte stand Luisa Niemesch im Alter von sieben Jahren. „Ich war eigentlich nur dort, um meinem Bruder zuzuschauen“, erinnert sich die Ringerin an ihre Anfänge beim SV Germania Weingarten bei Karlsruhe. Im Zweikampf leckte Niemesch sofort Blut, ihre Eltern waren erst mal skeptisch. „Sie wurden aber schnell Fans“, berichtet sie.

Kein Wunder: Acht Jahre später wurde Niemesch erstmals Deutsche Jugendmeisterin im Ringen. Von 2013 bis 2015 dominierte sie bei den Frauen die Gewichtsklasse bis 58 Kilogramm Körpergewicht. Im Februar dieses Jahres schrammte die 28-Jährige in der Gewichtsklasse bis 62 Kilo knapp an EM-Gold vorbei. Bereits 2022 holte sie Silber, 2023 wurde es die Bronzemedaille.

Nun steht Deutschlands stärkste Ringerin vor ihrer zweiten Olympia-Teilnahme nach Rio 2016. Damals reichte es nicht für Edelmetall. „Mit 20 Jahren war ich relativ jung und mein Gedanke war: Dabei sein ist alles“, erklärt Niemesch. Acht Jahre lang habe sich die Athletin weiterentwickelt: „Die Ausgangslage ist anders. Ich weiß, dass ich in Paris viele Leute schlagen kann. Dementsprechend ist mehr möglich als 2016. Ich würde gerne um die vorderen Plätze mitringen.“

»Mehr möglich als 2016«

Zweimal drei Minuten Zeit hat die Athletin, um ihre Gegnerinnen in Bodenlage zu befördern und mit beiden Schultern auf die Matte zu „pinnen“. Punkte gibt’s für Würfe, Hebel oder Schleudergriffe. Schläge, Tritte und Würgegriffe sind in einer der ältesten olympischen Disziplinen verboten. „Ringen ist für mich die perfekte Kombination aus Kraft, Ausdauer, Taktik, Technik und Koordination“, sagt Niemesch.

Jede·r Athlet·in gewichte diese Attribute anders. „Ich bin eher der ausdauernde Typ. Ich brauche oft länger, bis ich in Kämpfe reinkomme.“ Entsprechend viel Zeit – knapp 18 Stunden pro Woche – verbringt Niemesch im Kraft- und Mattenraum des Olympiastützpunkts an der Freiburger Schwarzwaldstraße. Zum Redaktionsschluss fliegt sie ins zehntägige Trainingslager nach Ankara. Dort warten frische Trainingspartnerinnen.

Ihren Bürojob als Steuerassistentin hat Niemesch für die Olympia-Vorbereitung auf zwei Tage pro Woche zurückgefahren. Ganz missen will sie die Akten allerdings nicht: „Die Arbeit tut mir immer ganz gut.“

Trotz Ambitionen, zahlreicher Kamerateams und „ganz besonderem Vibe“ – unter Druck setzen will sich Niemesch in Paris nicht. Den größten sportlichen Wettbewerb der Welt will sie angehen wie jedes Turnier. „Für mich ist immer wichtig, im Hier und Jetzt zu bleiben, nicht zu viele Gedanken zu haben und schon zwei Kämpfe weiterzudenken.“ Das sei nicht selbstverständlich: „Olympia hat seine eigenen Regeln. Viele zeigen dort Nerven.“

Olympia in Paris

Die olympischen Spiele steigen vom 26. Juli bis zum 11. August in Paris. Vom Olympiastützpunkt Freiburg-Schwarzwald (OSP) sind neben Lisa Klein auch weitere Athlet·innen dabei: Lisa Klein (Rad), Sandra Paruszewski (Ringen), Annika Wendle (Ringen), Julian Schelb (MTB) und Nina Benz (MTB). ARD und ZDF übertragen die Wettkämpfe live. 

Foto: © Bianca Heinzelbecker