»Das ist die Zukunft« – Automaten-Shops erobern Freiburg Szene | 30.11.2024 | Philip Thomas
Vom Stühlinger bis Haslach: In fast jedem Stadtteil stehen Automaten.Im Frühjahr 2019 schloss die „Automaten-Emma“ im Stadtteil Brühl-Beurbarung ihre Klappen. Knapp fünf Jahre später gibt es plötzlich kaum ein Freiburger Viertel, in dem kein Maschinen-Markt zu finden ist. Die Betreiber sprechen von einem lohnenswerten Geschäft und wollen expandieren.
Im Shop von Andreas Kaiser wird noch gewischt. „Gestern war Sonn- und Spieltag, da ist immer ordentlich was los“, erklärt der 56-jährige Gesellschafter von Twenty47 zwischen seinen bunten Automaten in der Freiburger Bahnhofspassage. Rund 5000 Euro Umsatz bringen die knapp 35 Maschinen laut Kaiser dann ein – das Doppelte eines Werktages.
Eine Cola kostet 2,80 Euro. Neben Softdrinks, Snacks und Tabak gibt es vor allem Produkte von regionalen Händlern: Käsekuchen aus Ebringen, Bier aus Lenzkirch, Wein aus Bötzingen oder Sushi aus der Freiburger Rathausgasse. Auch ungewöhnliche Items hat der 2021 eröffnete Shop auf Knopfdruck: Hundespielzeuge, Blumen, SC-Utensilien. Für die Befüllung sind die Händler zuständig: „Digital können sie jeden einzelnen Verkauf ablesen.“
Eine Besonderheit: Hinter dem Glas des sogenannten Mystery-o-mat hängen nicht zustellbare Päckchen und Retouren. 15 Euro kostet eine Sendung. „Wir hatten schon Bluetooth-Boxen, es kann aber auch sein, dass Kugelschreiber und Karteikarten drin sind“, sagt Kaiser. Nach seiner Befüllung reiche die Schlange vor die Tür des Geschäfts mit rund 200 Quadratmetern Verkaufsfläche.
Der beliebteste Automat im Laden bringe 30.000 Euro Umsatz pro Monat, das Schlusslicht macht knapp 1000 Euro. „Wir probieren immer wieder Neues. Das hier ist unser Live-Labor“, erklärt Kaiser. Verkaufen ließe sich alles, was durch eine Klappe passt. So soll sich zum Pizza- noch ein Pasta-Automat gesellen. „Das Gerät dürfte einzigartig sein“, sagt er. Auch ein Cocktail-Gerät will Kaiser aufstellen.
Mehr als 20.000 Euro kostet ein Automat in Kaisers Geschäft im Schnitt. Für den Geschäftsführer, der seit knapp 25 Jahren im Automaten-Business unterwegs ist, gut investiertes Geld. Von den vielerorts angebotenen Geräten für rund 5000 Euro rät er ab: „Wer billig kauft, kauft zweimal.“ Und: „Einfach nur aufstellen geht nicht, man muss die Geräte pflegen.“
Vom Geschäft ist Kaiser trotz hoher Investitionen überzeugt: „Das ist die Zukunft“. Er plant weitere Filialen. So soll zum Jahresende auch ein Automaten-Laden im Emmendinger Bahnhof eröffnen. Der Vorteil des Modells: „Wir haben 24 Stunden am Tag geöffnet und brauchen kaum Personal“. Drei Minijobber und eine 70-Prozent-Stelle halten den Laden bei Gleis 1 am Laufen.
Es ist längst nicht mehr der einzige Shop in Freiburg. Wie viele es aktuell gibt, kann Michael Heinle, Sprecher vom Handelsverband Baden-Württemberg, nicht sagen. Er erklärt: „Vielerorts lohnen sich klassische Supermärkte mit Personal finanziell nicht mehr. Um die Nahversorgung trotzdem aufrechterhalten zu können, kam die Idee der Automaten-Läden auf und wird immer beliebter.“
Auch im Mitte September eröffneten Automaten-Geschäft an der Eschholzstraße steht ein Putz auf dem Plan: Auf dem Parkett des „E-Kiosk 315“ kleben noch Überbleibsel der Spurensicherung. Morgens um fünf haben Halbstarke vergeblich versucht, einen der sieben Automaten aufzubrechen. Auf den Bildern der Überwachungskamera sind die jugendlichen Täter gut zu erkennen. In zwei weiteren Automaten brennt ebenfalls kein Licht, sie warten gerade auf ein Software-Update.
Betreiber Ebrahim Rauf ist trotzdem guter Dinge: „Ich wollte schon lange so einen Laden aufmachen. Im Ausland gibt es überall Automaten.“ Geplant war eigentlich ein Späti, nach den Querelen um den Kiosk auf der anderen Straßenseite (wir berichteten) stellte der Geschäftsmann jedoch lieber Automaten auf. Darin gibt es neben Knabbereien, Süßwaren, Bier und Softdrinks auch Raucherutensilien wie Aktivkohlefilter, Grinder oder Feinwaagen. „Die gehen sehr gut“, sagt Rauf. Anbieten will er auch Wurst, Milch und Hefe.
Seine Kundschaft bestehe nicht nur aus Nachtschwärmern. „Vom Jugendlichen bis zur alten Dame ist alles dabei“, berichtet der 36-Jährige. Der Stühlinger sei ein aktives und kauffreudiges Viertel, der Standort optimal. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut läuft, ich komme jeden Tag zum Auffüllen.“ Auch Rauf will expandieren und peilt Filialen im Freiburger Umland an.
Um die rund zweijährige Wartezeit für die begehrten Geräte zu umgehen, sei Rauf persönlich beim Großhändler in den Niederlanden vorstellig geworden: „Ich bin hartnäckig geblieben und habe gesagt: Du musst mir Automaten verkaufen.“ Zwischen 10.000 und 16.000 Euro habe er für ein Gerät bezahlt. Darin gibt es heute Goldbären für 2,50 Euro. Cola kostet 2,90 Euro. Rund 1000 Euro Umsatz bringe der Eckladen nun in 24 Stunden.
An den „Automaten-Emma“ an der Waldkircher Straße kann sich Rauf noch gut erinnern. Sein Betreiber Hans-Ludwig Bahner ging mit 75 Jahren in Rente, die Emma ließ er nach 33 Dienstjahren im Frühjahr 2019 verschrotten. Die erste Emma stand bis 1996 an der Schwarzwaldstraße.
Am Umsatz habe es auch früher nicht gelegen. „Es ist immer was bei rumgekommen“, sagte er dem chilli damals. Einen Nachfolger konnte er jedoch nicht finden, Angebote über 20.000 Euro waren zu wenig. Dabei ist sich Rauf sicher: „Das würde heute richtig Cash machen“.