Falsche Gefühle, echte Euro: Wie ein Betrüger Einsamkeit ausnutzt – und zwei Jahre Knast bekommt Szene | 18.11.2024 | Philip Thomas

Nicht hinter jedem „Swipe“ steckt der Seelenverwandte. Um an Geld zu gelangen, ködern Online-Betrüger unbedarfte oder einsame Menschen mit gefälschten Profilen und Geschichten. Ein besonderer Fall von „Love Scamming“ wurde nun vor dem Amtsgericht Emmendingen verhandelt.

Die Staatsanwältin reicht Taschentücher in den Zeugenstand. Unter Tränen erzählt die Geschädigte K. dort ihre Geschichte: Im November 2022 lernt die damals 24-jährige Emmendingerin den 30-Jährigen G. über die Dating-App Tinder kennen. „Wir haben ein paar Wochen geschrieben, dann er hat erzählt, dass er in Schwierigkeiten steckt. Ich habe mich darauf eingelassen“, sagt K.

Seine Story: Ein Goldankauf aus dem Ausland sei beim Zoll steckengeblieben. Das Geld habe er sich bei einer kriminellen Bande, ähnlich den Hells Angels, geliehen. Und die würden seine Schulden schon bald eintreiben. „Diese Menschen bedrohen ihn und seine Familie. Das hat er mir aufgetischt“, sagt sie. „Als guter Mensch – vielleicht auch als Frau – habe ich gesagt, ich helfe dir. Das hat er gnadenlos ausgenutzt.“

50.000 Euro wollte der damals Arbeitslose haben. „Das Geld hatte ich nicht“, berichtet die Krankenschwester. Zwischen 100 und 1200 Euro überwies sie auf sein Flehen zwischen November und Januar, ging dafür auch ins Dispo: „Ich hatte alle Möglichkeiten ausgeschöpft, aber es war nie genug.“ Bereits beim ersten Treffen sehen sich die beiden nach Krediten um. Ihre Hausbank gewährt schließlich knapp 30.000 Euro – bei 14 Prozent Zinsen.

Die Summe beantragt sie am Telefon im Wagen des Angeklagten: „Er hat das Auto verriegelt, das Handy war auf Lautsprecher geschaltet. Als ich gefragt wurde, ob ich den Kredit aufnehmen möchte, kniff er mir in den Oberschenkel.“ Nur aus Angst habe sie den Auftrag bestätigt. Mit der Auszahlung zögert sie jedoch. „Da fing er an, mich zu terrorisieren. Unter Druck habe ich mich schließlich breitschlagen lassen.“

Ihre einzige Sicherheit war ein eigens aufgesetzter Darlehensvertrag, wonach die Summe bis April 2023 abgeschuldet sein sollte. „Er wollte das Geld immer zurückzahlen“, erklärt der Anwalt von G. „Ich habe meine Schulden immer irgendwie getilgt“, so der Angeklagte selbst. Die Raten blieben jedoch aus. „Ich habe ihn angefleht, ich brauchte das Geld“, berichtet sie.

Für Polizeisprecher Michael Schorr ein ungewöhnlicher Fall. In der Regel gebe es keine persönlichen Treffen, die Opfer seien meist ältere Menschen. Geschädigte „stehen manchmal am Flughafen oder Bahnhof und warten auf ihre ‚große Liebe‘, denen sie vorher viel Geld für die Anreise überwiesen haben.“ Oft bleibt den Betroffenen nur eine falsche Mailadresse. Nahezu wöchentlich habe das Freiburger Präsidium mit solch einem Fall zu tun.

Im Juni 2023 zieht der gelernte Industriemechaniker in die Schweiz. „Dort ging es bergauf“, sagt er. Die junge Frau litt indes so sehr, dass sie wegen Suizidgedanken sechs Wochen im Zentrum für Psychiatrie Emmendingen behandelt wird.

Im Mai wird G. festgenommen, nach Deutschland überstellt und in U-Haft gebracht. In Handschellen wird der bereits wegen Betrugs, räuberischer Erpressung und illegalem Waffenbesitz vorbestrafte Mann ins Emmendinger Amtsgericht geführt.

Verurteilt wird er dort zu zwei Jahren Haft. Richter Stefan Lennig sah es als erwiesen an, dass „Love Scamming“ und damit Betrug vorliegt. „Es ging sehr schnell um Geld“, begründet der Vorsitzende. Der Aussage der Geschädigten, kaum Gefühle für den Angeklagten gehabt zu haben, widerspricht er: „Einen Kredit aufzunehmen, kann man allenfalls damit erklären, verliebt zu sein.“

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