Ich und mein I-Pace: Die lautlose Katze – mit 400 PS Szene | 29.08.2018 | Lars Bargmann

Der Tankwart ist mein bester Freund, hui wenn ich komm, wie der sich freut …“, trällerte Markus Mörl einst. Als ich neulich mit dem Jaguar I-Pace an meiner Tanke aufkreuzte, kam mein Tankwart strahlend aus seinem Häuschen und war dann auch gleich aus demselben: Der Mann hatte in seiner Begeisterung offenbar völlig vergessen, dass er vielleicht bald gar kein Geschäft mit mir machen kann – der I-Pace ist ein reines Elektroauto. Mit 400 PS, 696 Newtonmetern und reichlich Potenzial für viel Freude.

Jaguars Chef-Entwickler Wolfgang Ziebart hat die neue Raubkatze nicht auf irgendein vorhandenes Modell aufgesetzt, sondern komplett neu kreiert. Herausgekommen ist ein bemerkenswertes Vehikel, das auch den Tesla-Chefs einiges Kopfzerbrechen bereiten wird.

Ein sportliches, kraftvolles Design mit durch die kurze Motorhaube eigener Formensprache, reichlich Platz im Innenraum, ein ganz tiefer Schwerpunkt (die Batterien sitzen im Unterboden zwischen den Achsen), der den Wagen auch bei engen S-Kurven perfekt auf die Straße drückt, ein großer Kofferraum, 2,2 Tonnen Leergewicht – und trotzdem ist der Elektro-Jag in 4,8 Sekunden auf 100.

Auf jeder Achse treiben je 200 PS den Wagen nach vorn – und zwar ohne jede Verzögerung oder Kompromisse. Im Dynamik-Modus surrt der E-Motor ein bisschen ambitionierter, ansonsten hört man nur Fahrgeräusche. Die Ruhe im Cockpit ist ein seltsames Gefühl, an das man sich aber gewöhnen kann. Geht man vom Gas, bremst der Motor sofort runter, um sich rapid neue Energie zu besorgen. Eigentlich braucht man nur das Gaspedal, auf die Bremse habe ich auf 250 Kilometern vielleicht zehn Mal gedrückt. Man kann die Verzögerung aber auch abstellen.

480 Kilometer Reichweite gibt Jaguar an – dazu müsste man allerdings sehr diszipliniert sein. 350 können es sein, wenn man zwischendurch auch mal auf einen Berg klettert oder auf der Autobahn (bei Tempo 200 riegelt das Kraftpaket ab) die Blicke auf sich zieht.

Denn das macht der Wagen: Oben auf dem Thurner stellen wir ihn am Rande einer Bucht ab – nachdem wir den I Pace fünf Zentimeter nach oben gefahren haben. Ein Vater kommt mit seinen Kindern vorbei, der Junge hüpft vorm Fahrerfenster, will das Interieur sehen. Der Vater sagt fachmännisch: feinste Ware. Ja. Kann man durchaus sagen.

Am Abend noch mal schnell auf den Schauinsland, nicht nur der Beifahrer freut sich über den Schub, mit dem uns das Aggregat zur Holzschlägermatte befördert. Während andere hier rumröhren, gibt sich unsere Katze – wie ihr natürliches Vorbild – lautlos.

Im Alltag ist der E-Antrieb überhaupt kein Problem. Wer nach Hamburg fahren will, kann den Lithium-Ionen-Akku an einer 100-kW-Gleichstrom-Säule in 40 Minuten zu 80 Prozent wieder aufladen – eine Viertelstunde reicht etwa für 100 Kilometer. Da das Ladestellennetz erst im Aufbau ist, könnte man sagen: Die Katze ist bereit für die Straße, aber nicht alle Straßen sind schon bereit für die Katze. Der I-Pace ist der erste Blick in die elektronische Zukunft von Jaguar und Land Rover.

Jaguar I-Pace HSE

> Motor: 2 x 200 PS auf den Achsen (AWD)
> Leistung: 294 KW, 400 PS
> Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
> Beschleunigung 0-100 km/h: 4,8 Sekunden
> Stromverbrauch: ab 21,2 kWh/100 km
> CO2-Emission kombinert: 0 g/km
> Grundpreis: 77.850 Euro
> Preis des Testwagens: 86.500 Euro
> Mehr Infos: Premium Freiburg GmbH, premium-automobile-freiburg.de

Foto: © Lars Bargmann