„Man verliert die Angst“: Wie ein junger Freiburger illegale Raves veranstaltet STADTGEPLAUDER | 23.08.2021 | Till Neumann

Seit 2015 organisiert Tom (Name geändert) in Freiburg illegale Raves in „Off Locations“. Aktuell ist der DJ wegen Corona im Standby – und ärgert sich, dass andere trotzdem Raves hochziehen. Im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann erzählt der 22-jährige Freiburger, warum er geheime Partys liebt und wie so etwas abläuft.

chilli: Wie kamen Sie zu den Raves?

Tom: Mit meiner Crew hatte ich 2015 keine Chance, in Freiburger Clubs aufzulegen. Also haben wir angefangen, an Off-Locations unsere eigenen Partys zu feiern. Damals war ich 16 Jahre alt. Vor der Pandemie habe ich mindestens 30 Raves im Jahr veranstaltet. Teilweise auch zwei an einem Wochenende.

chilli: Und jetzt?

Tom: Seit der Pandemie halten wir erfahrenen Veranstalter uns zurück. Wir machen höchstens kleinere private Sachen. Es wäre unverantwortlich, trotzdem Partys zu schmeißen. Die neue Generation veranstaltet dennoch Raves – aktuell sind jede Woche welche. Dass sie ihren Müll nicht wegräumen, macht mich sauer. Sie scheißen da total drauf. Die goldene Regel ist: Man sollte Spots sauberer verlassen, als man sie vorgefunden hat.

chilli: Wie reagiert ihr?

Tom: Die neuen Kollektive sind unvorsichtig. Auf Instagram oder TikTok posten sie teilweise Fotos oder Videos von den Spots. Einige Locations sind so verbrannt worden. Die Raveszene ist sehr vernetzt. Wir haben vergangenes Jahr versucht, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Am Anfang fanden sie das gut, nach drei Wochen haben sie aber wieder gefeiert.

chilli: Wie läuft das vor einem Rave?

Tom: Die genaue Location oder die Koordinaten geben wir erst am Tag des Events bekannt. Das verhindert, dass die Cops schon dastehen, wenn wir kommen. Wichtig ist bei den Spots, dass keine Einwohner in der Nähe sind, dass es kein Naturschutzgebiet ist und dass wir nicht zu nah am Wald sind.

chilli: Was bringen Sie alles mit?

Tom: Alles. Aggregat, Anlage, Nebelmaschine, Besen zum Saubermachen. Wir stellen auch Getränke – die gibt es kostenlos, Spenden sind möglich. Manchmal mischen wir Fusel vor, zum Beispiel O-Saft und Vodka. Das geht schnell und schmeckt den Leuten. Meist kommen so 200 bis 300. Es können auch mal 500 sein.

chilli: Da braucht es Security, oder?

Tom: Ja. Man braucht ein paar Brecher, die einschreiten können. Es kann vorkommen, dass sie gebraucht werden. Wir hatten Stress mit Jungs, die vorbeigekommen sind und nicht nur feiern wollten. Die Partys sind offen für jeden, meistens geht es friedlich zu.

chilli: Wie oft kommt die Polizei?

Tom: So jedes zweite, dritte Mal. Die Cops haben schon mehrfach die Partys gecrasht. Wichtig ist, dass man richtig mit ihnen kommuniziert. Es braucht einen festen Ansprechpartner, der nüchtern ist. Das bin ich. Wichtig ist, als Erster mit ihnen zu reden, bevor Betrunkene sie anquatschen. Die Cops sind meistens kooperativ. Sie lösen die Party nicht immer auf.

chilli: Wie steht es um Strafen?

Tom: Der Trick ist, kooperativ und freundlich zu sein. Ich habe es so geschafft, eine weiße Weste zu behalten. Ich musste noch nie eine Strafe zahlen. Von anderen weiß ich, dass sie mehrfach 500 Euro aufgedrückt bekommen haben.

chilli: Was reizt Sie an solchen Raves?

Tom: Man ist freier hier. Es kostet keinen Eintritt, wir haben keine Türsteher im Nacken, man kann rauchen. Das Illegale hat seinen Reiz. Es macht Spaß, sich dreckig zu machen.

chilli: Machen Sie sich keine Sorgen wegen Vorstrafen?

Tom: Klar, es könnte immer irgendwas passieren. Die ersten Kontakte mit den Cops waren sehr aufregend. Man verliert aber irgendwann die Angst und bekommt Routine.

chilli: Verdienen Sie mit solchen Raves was?

Tom: Nein, wir zahlen immer drauf. Wir verlangen ja keinen Eintritt. Es kann höchstens gespendet werden.

chilli: Wie geht es für Sie weiter?

Tom: Früher waren Raves etwas Besonderes. Jetzt sprießen sie an jeder Ecke aus dem Boden. Dass es legale Flächen geben soll, finde ich gut. Wir werden aber auch wieder in Off-Locations feiern. Das sind einfach die besten Partys.

Foto: © iStock/skynesher

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