»Mehr als doppelt so schlagkräftig«: Große Hoffnungen auf Freiburgs Nachtmanager Szene | 19.03.2022 | Till Neumann

Frau am DJ-Pult gerichtet aud jubelnde Menge

Die Würfel sind gefallen: Freiburg bekommt einen Nachtmanager. Sie oder er soll gemeinsam mit dem Popbeauftragten Tilo Buchholz vom Kulturamt aus wirken. „Ein großer Schritt“ , heißt es in Subkulturkreisen. Auch die Politik setzt Hoffnungen auf die neue Stelle, warnt aber vor zu hohen Erwartungen.

Der Gemeinderat hat entschieden: Ab dem Sommer soll eine oder ein Nachtkulturbeauftragte(r) den Dienst aufnehmen. Für den Posten gibt es eine 70-Prozent-Stelle. Sie wird gekoppelt mit der Arbeit des Popbeauftragten Tilo Bucholz. Der 53-Jährige wandert dafür mit seinem 50-Prozent-Posten von der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (

Tilo Buchholz

Freut sich auf die Verstärkung: Tilo Buchholz.

FWTM) ins Kulturamt. Dort bekommen beide ein gemeinsames Büro.

Buchholz freut sich darüber: „Ich war zeitlich bisher stark ausgelastet.“ Der Musiker und ehemalige Grünen-Stadtrat habe auch Aufgaben übernommen, die eher zum Profil des Nachtmanagers passen: Er habe sich beispielsweise um Freiflächen für Events gekümmert oder Lärmdebatten geführt.

„Erst mal ein paar Runden drehen“

Der Popexperte ist überzeugt: „Gemeinsam werden wir mehr als doppelt so schlagkräftig sein.“ Die Arbeit des Duos soll Hand in Hand gehen – sie werden unter anderem eine gemeinsame Mailadresse haben und sich ein Büro teilen. Buchholz hofft auf gegenseitige Ergänzung und möchte zum Start dem oder der Neuen unter die Arme greifen: „Ich werde mit der Person erst mal ein paar Runden drehen durch Ämter, Clubs und Bars.“

Die Erleichterung ist auch bei der Interessengemeinschaft (IG) Subkultur groß: „Das ist ein super wichtiger Schritt für die Stadt“, sagt Franck Mitaine. In den vergangenen 20 Jahren sei für die Nachtkultur zu wenig gemacht worden. Ein Schlamassel sei das, sagt Mitaine und nennt das Aus des Wheit Rabbit als Beispiel. Der neue Posten werde die nächsten zehn Jahre prägen. „Es braucht neuen Schwung“, betont Mitaine

Franck Mitaine

Szene-Kenner: Franck Mitaine von der IG Subkultur

Die Anforderungen seien hoch. „Die Stellenbesetzung wird nicht einfach, die Person braucht viel Gefühl für andere.“ Wichtig sei, ihr gewisse Freiheiten zu lassen. Aus Freiburg kennt er bisher niemanden, der sich bewerben möchte – auch wenn einige das Potenzial hätten. Eine Bewerbung von außerhalb fände Mitaine okay. „Ein bisschen sollte er die Szene schon kennen, aber Hauptsache, er macht es mit Herz.“ Bei der Besetzung darf die IG Subkultur zwar nicht mitreden. Sie möchte aber dennoch eine Empfehlung abgeben, wenn die Kandidat·innen feststehen.

Mit dem Entschluss, einen Nachtkulturbeauftragten einzusetzen, folgt Freiburg einem Trend. Den bundesweit ersten Posten gab’s 2018 in Mannheim. Dort ist mittlerweile der zweite Night Mayor im Einsatz. Er heißt Robert Gaa, ist nebenher DJ und überzeugt, einiges bewirken zu können (siehe Interview rechts). Andere Städte sind dem Beispiel gefolgt: Auch Stuttgart, Heidelberg, München oder Osnabrück haben mittlerweile solche Stellen.

„Keinesfalls eine Fehlplatzierung“

In Freiburg hat sich insbesondere die JUPI-Fraktion für die Stelle starkgemacht. Sie hatte im Frühjahr 2021 Erfolg mit einem Antrag im Gemeinderat, der 70.000 Euro für den Posten forderte. Eine Mehrheit erzielte JUPI mit den Stimmen von Grünen und SPD/Kulturliste.

Umstritten war bis zuletzt, wo die Stellen angedockt werden. Bei der FWTM oder beim Kulturamt? Den Zuschlag bekam schließlich im Gemeinderat das Kulturamt. Buchholz ist optimistisch: „Es gab bisher viel Berührung zum Kulturamt, ich bin fast sicher, das wird an meiner Tätigkeit nichts ändern.“

Auch die FWTM sieht darin kein Problem: „Die Ansiedlung bei der FWTM war keinesfalls eine Fehlplatzierung“, sagt Geschäftsführerin Hanna Böhme. Insbesondere zu Corona-Zeiten seien zahlreiche, wichtige Projekte ins Leben gerufen und vorangetrieben worden. So zum Beispiel die Streaming-Plattform #inFreiburgzuhause. Mit dem Umzug werde die Stelle nun weitergedacht und genauer definiert.

Bei den Fraktionen wird die neue Doppelstelle begrüßt. Sie äußern sich auf chilli-Anfrage optimistisch. Mit Blick auf das Stellenprofil warnt FDP-Stadtrat Sascha Fiek jedoch davor, auf Superman oder Superwoman zu hoffen, der die Nachtkultur rettet. Die Liste der Aufgaben ist in der Tat lang: Sie geht von der Sicherung bestehender Orte der Nachtkultur über die Lösung von Lärmkonflikten bis zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Szene und Ämtern. Mannheims Nachtbürgermeister bringt es im chilli-Interview auf den Punkt: „Superkräfte braucht es keine, aber viel Geduld.“

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