Snus – stark, schnell, süchtig – Nikotin aus dem Beutel Szene | 20.05.2025 | David Pister

Snus Unscheinbar: Snus und White Snus wird unter die Oberlippe geklemmt.

In Skandinavien beliebte Tabak- und Nikotinbeutelchen sind auch hierzulande angekommen – auf Schulhöfen und Fußballplätzen. Das Problem daran: Der Verkauf ist verboten und die Nikotinprodukte machen schnell abhängig. Eine Spurensuche.

Ein Kiosk in Freiburg: Rot-weiße Dosen liegen in der Auslage zwischen Long­papers und Kippenschachteln. „Siberia White Dry“. Darauf zu sehen: ein Bär mit weit aufgerissenem Maul. Extremely Strong.

Darin verbirgt sich Snus. Auch Oral- oder Lutschtabak genannt. Kleine Zellstoffbeutel, die Tabak enthalten. Michael Fassbender macht es. Marco Reus macht es. Zlatan Ibrahimović macht es. Kein Wunder, ist Schweden doch das einzige Land in der EU, in dem der Handel mit Snus nicht verboten ist.

Was der Kiosk auf Nachfrage nicht im Sortiment hat: White Snus, auch Nikotin-Pouches oder Nikotin-Pods genannt. Während Snus aus Tabak besteht, enthält White Snus nur Nikotin, Aromen und Trägerstoffe wie Cellulose. Die tabakfreien Nikotinbeutel fallen deswegen nicht unter das Tabakerzeugnisgesetz. Sie gelten als neuartige Lebensmittel und sind nicht zugelassen. Der Verkauf von White Snus ist dementsprechend auch nicht zulässig.

Snus

Eigentlich sollte Snus und White Snus in Freiburg also gar nicht erhältlich sein. Eigentlich. Im Internetforum „Reddit“ wird in regelmäßigen Abständen nachgefragt, welche Läden sich über diese Verbote – bewusst oder unbewusst – hinwegsetzen. „Snus in Freiburg“ – vor zwei Jahren. „White Snus“ – vor einem Jahr. „Snus“ – vor vier Monaten. „Snus – Siberia Slim“ – vor einem Monat. Neben dem Hinweis, in die benachbarte Schweiz zu fahren, werden dort regelrechte Listen von Läden angefertigt, die die begehrte Ware trotz Verbot führen sollen.

Snus und White Snus werden unter die Oberlippe geschoben, von dort gelangt das Nikotin über die Schleimhäute in den Körper – und zwar schnell: „Je schneller eine Substanz im Gehirn ankommt, desto höher ist das Suchtpotenzial“, warnt Tobias Rüther, Suchtmediziner und Leiter der Tabakambulanz am Klinikum der Universität München.

Auch wenn Snus-Produkte weniger schädlich seien als das Rauchen – das in Deutschland jährlich 130.000 Tote fordere –, seien sie keineswegs harmlos. „Gesund ist nur Schweizer Bergluft“, so Rüther. Beim klassischen Snus drohten wegen der tabakspezifischen Schadstoffe unter anderem Magen- und Speise­röhrenkrebs. White Snus enthalte zwar keinen Tabak, sei aber kaum reguliert – manche Produkte lieferten mehr Nikotin als eine Zigarette. Das größte Problem sei, dass es noch keine Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Schäden gebe.

Problematisch findet der Suchtmediziner, dass immer mehr Jugendliche zu den Beuteln greifen, auch wenn sie nie geraucht haben: „Wenn Nikotin in ein junges, reifendes Gehirn kommt, entsteht eine lebenslange Abhängigkeit“, sagt Rüther. Die Tabakindustrie setze gezielt auf junge Zielgruppen: jugendliche Aufmachung, leicht zu verstecken, leicht zu konsumieren. „Das ist ein gigantisches Geschäft“, so Rüther. Besonders beliebt sind die Tabak- und Nikotinbeutelchen auch bei Sportlerinnen und Sportlern. Nikotin steigert kurzfristig Konzentration, Wachheit und Schmerzresistenz.

Als Mittel zur Rauchentwöhnung empfiehlt Rüther Snus oder White Snus ausdrücklich nicht: „Dafür gibt es bewährte Methoden wie Nikotinpflaster, Kaugummis oder Medikamente plus Beratung. Dafür haben wir Evidenz – für Snus und White Snus nicht.“

„Die Lebensmittelüberwachung des Amts für öffentliche Ordnung kontrolliert Betriebe anlassbezogen beziehungsweise risikobasiert, das heißt, in der Vergangenheit auffällige Betriebe und risikobehaftete Produkte werden engmaschiger kon­trolliert“, teilt Stadt-Pressesprecherin Tabea Krauß mit. Anfang 2024 wurden Betriebe in ganz Baden-Württemberg kontrolliert – auch einer in Freiburg. Der Verdacht: Vertrieb von White Snus. Die tabakfreien Nikotinbeutel wurden nicht gefunden, dafür aber Snus. Der Betrieb habe das Produkt nach mündlicher Belehrung freiwillig aus dem Sortiment genommen. Die rechtlichen Konsequenzen können erheblich sein: Bei Vorsatz drohen Geldstrafen oder bis zu ein Jahr Haft, so Krauß.

Trotzdem ist das Angebot da, wie Stichproben bei mehreren Läden in Freiburg ergeben. Die Ware liegt mitunter offen im Regal. „Gerade haben wir nichts da, aber versuch es doch mal heute Abend oder morgen“, rät ein Mitarbeiter eines ­Kiosks in der Innenstadt.

Bei den Freiburger Suchtberatungen spielen die neuen Spielformen des Nikotins eine eher kleine Rolle: „Insgesamt erleben wir Snus und White Snus selten als Hauptsubstanz, sondern eher als Beikonsum“, sagt Mila Urschbach von der Suchtberatung Freiburg. Das liege auch daran, dass der Leidensdruck erst spät einsetzt und die Folgeschäden vergleichsweise gering sind – anders als bei Alkohol und anderen Drogen.

Tobias Rüther

Warnt vor Snus und White Snus: Suchtmediziner Tobias Rüther

Auch bei der Jugend- und Drogenberatungsstelle DROBS hat man mit Snus und White Snus noch nicht ernsthaft zu tun: „Ein viel größeres Thema sind Vapes und E-Zigaretten“, sagt Christoph Weber.

Fotos: © iStock.com/Andreypopov, Florian Peljak, pid