Tops und Flops: wie fahrradfreundlich ist Freiburg? STADTGEPLAUDER | 18.05.2020 | Till Neumann & Philip Thomas

Rund 470 Kilometer lang ist das Freiburger Radnetz. Rund 3,5 Millionen Räder hat der Zähler an der Wiwili-Brücke 2019 erfasst. Dennoch will der „Fuß- und Radentscheid Freiburg” Stimmen sammeln für einen Bürgerentscheid. Das Rathaus soll mehr für die Verkehrswende tun. Die dauerradelnden chilli-Redakteure Philip Thomas und Till Neumann haben daher die Lupe ausgepackt. Hier ihre vier Tops und Flops der Radstadt Freiburg.

Tops

Vorrangrouten
Was für PS-Junkies die A5, sind für Radler FR1 und FR2. Auf den zwei Radvorrangrouten cruist man quer durch Freiburg – garantiert staufrei. Auf dem FR1 geht’s zehn Kilometer entlang der Dreisam, ohne eine einzige Ampel. Auch der FR2 bietet Highway-Feeling: Wer in Haslach wohnt und am Güterbahnhof arbeitet, kommt in zehn Minuten von A nach B. Das schafft zu Stoßzeiten nicht mal Vettel im Ferrari. Übrigens: Der FR3 soll von Zähringen in das Vauban führen. Er wird ab Mai vorbereitet.

 

Fahrradstraßen
Fahrrad first heißt es auf den rund 20 Freiburger Fahrradstraßen. Autos fahren hinterher. Sogar Nebeneinanderherreiten ist für Drahtesel ausdrücklich erlaubt. Für Pferdestärken heißt das höchstens Tempo 30. Top sind auch die sogenannten Pole Positions an Ampeln. Felder für Fahrradfahrer, die sich dort vor den Autos aufstellen können.

 

Ausgebremste Autos
Königlich fühlt man sich als Radfahrer an der Kreuzung FR2 – Lehener Straße. Die Radvorrang-Route trifft da auf die gut befahrene Verbindung zwischen Arbeitsamt und Westarkaden. Seit April 2019 heißt es für Autofahrer: Stop, wenn Velos kommen. Und das funktioniert. Hinweisschilder und eine erhöhte Fahrbahn sprechen eine klare Sprache. Wer über den FR2 brettert, kommt hier locker durch, ohne anzuhalten. So geht Verkehrswende.

 

Geliebte Leihräder
Straßburg hat’s vorgemacht: Seit 2010 sind die quietschgrünen City Bikes „Velhop” dort allgegenwärtig. Freiburg hat sich lange geziert, ein flächendeckendes Leihsystem einzuführen. Seit Mai 2019 gibt es endlich die rot-weißen „Frelos”. Auch sie kommen an: Rund 20.000 Mal wurden sie Anfang 2020 pro Monat ausgeliehen. 30 Minuten kosten nur einen schlappen Euro. Studierende fahren die erste halbe Stunde sogar kostenlos.

 

Flops

 

Parkplätze
Wer zu Stoßzeiten in der City einen sicheren Parkplatz sucht, muss kreativ werden. Mal tut’s ein Baum, mal ein Geländer. Das Rathaus vermeldet dennoch: Mehr als 7000 Rad-Parkplätze gibt’s allein in der Innenstadt. Im Vergleich zu anderen Städten im Land sei das ein Spitzenplatz. Blockiert werden die beliebten Radbügel oft von ungenutzten Schrotträdern. Die kann man beim Umweltschutzamt melden.

 

Räder in Straßenbahnen
Nachts. Es regnet. Der Reifen ist platt. Für zwei Stationen in die fast leere Straßenbahn einsteigen? In Freiburg unmöglich. Freiburg ist die ­einzige Großstadt Baden-Württembergs, die Räder in Straßenbahnen kategorisch verbietet. Die Begründung der VAG: Platzmangel, mangelnde Sicherheit und Verschmutzung durch ölige Ketten. Flop.

 

Die Kreuzungen Uniklinik & Kilianstraße
Der FR2 ist die Überholspur für zahlreiche Radler (siehe Tops). Brenzlige Stellen gibt es trotzdem: An der Ecke Uniklinik – Kilianstraße treffen Fußgänger, Radfahrer und Autos in einem undurchsichtigen Knoten aufeinander. Immerhin wäre ein Krankenwagen schnell zur Stelle. Im gesamten Stadtkreis Freiburg verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr 720 leicht- sowie schwerverletzte Radfahrer und zwei Tote.

 

Rot für Rechtsabbieger
Kein Lebenszeichen beim neuen Verkehrszeichen, das Radfahrern erlaubt, bei roter Ampel rechts abzubiegen. Was in Paris, Straßburg, Basel, Colmar, Mulhouse oder Brüssel längst zum Stadtbild gehört, wird in der Fahrradstadt Freiburg schmerzlich vermisst. Beim Freiburger Garten- und Tiefbauamt verweist man auf fehlende Verwaltungsvorschriften und zeigt nach Berlin. Dort bemüht sich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) um den „Grünpfeil“. Erste Tests dazu laufen. Freiburg hatte sich als Pilotprojektstadt beworben, aber nicht den Zuschlag erhalten.

 

Fotos: © Till Neumann, Philip Thomas