Warum die neue Freiburger Synagoge an einem unbekannten Ort ist Szene | 07.01.2022 | Till Neumann

Synagoge Im Verborgenen: Diese Synagoge in Freiburg wird vor Angriffen geschützt.

Im September hat die Egalitäre Jüdische Gescher-­Gemeinschaft in Freiburg feierlich ihre Synagoge eröffnet. Doch wo sie ist, geben die Verantwortlichen nur vertrauenswürdigen Personen bekannt. chilli-Redakteur Till Neumann hat sich den gut gesicherten Gebetsraum angeschaut.

Von außen ist nichts zu erkennen. Doch in diesem Wohngebäude irgendwo in Freiburg ist eine Synagoge. Nur ein kleines Schild an der Haustür zeigt Eingeweihten, wo es langgeht. „Wir sind anonym und nicht anonym“, erklärt Sylvia Schliebe und öffnet die Tür. Rein geht’s in die Büroräume des gemeinnützigen Vereins Egalitäre Jüdische Chawurah Gescher.

Dort liegen Flyer und Broschüren aus, die 61-Jährige hat einen festen Arbeitsplatz für Administration und das aktuelle Bildungsprojekt „Jüdisch für Alle“. Der Grund, warum die Adresse geheimgehalten wird, liegt eine Etage tiefer. Über eine Türe und eine Treppe geht es dorthin: zur Synagoge. Dort steht eine blaue Bima (der Altar) vor einem verzierten Toraschrank mit Rollen. Sie zeugen von vielen Jahren ohne feste Bleibe. Immer freitags konnten sie bislang in der Vauban in einer Kirche feiern – dazu wurde der Schrank reingerollt. „Wir haben sieben, acht Jahre lang intensiv gesucht“, erzählt Schliebe. Als gemeinnütziger Verein sei es schwer gewesen, etwas zentral Gelegenes zu finden. „Freitagabend am Stadtrand zur Synagoge zu laufen, das ist nicht gut für das Sicherheitsgefühl“, sagt Schliebe.

Polizei schützt Gläubige

Jetzt sind sie endlich in Freiburg fündig geworden. An den Sicherheitsvorkehrungen ändert das jedoch nicht viel: Schon im Quartier Vauban waren bei Gescher-Veranstaltungen Polizisten um die Ecke. Auch bei den Events hier braucht es Sicherheitsbeamte. Für die neuen Räume hat das Landeskriminalamt ein Sicherheitsgutachten erarbeitet. Die Kosten für die einzubauende Technik gegen Übergriffe zahlt anteilig das Innenministerium.

Synagoge

Hat „deftige Sachen“ erlebt: Sylvia Schliebe von Gescher Freiburg.

Dennoch will sich die Gemeinde mit etwa 70 Mitgliedern nicht verstecken: „Die Frage gibt es, ob wir ein richtiges Schild draußen befestigen“, erzählt Schliebe. Bisher ist das nicht geschehen, denn die Sorge vor Übergriffen ist da. „Ein Anschlag ist jederzeit möglich“, sagt Schliebe. Dass Freiburg in Sachen Antisemitismus besser als andere Städte ist, sei ein Mythos: „Ich habe einige deftige Sachen erlebt, auch da, wo man es nicht vermutet.“

Mit ihrem Team will Sylvia Schliebe jüdische Diversität vermitteln. Das Bildungsprojekt „Jüdisch für Alle“ bietet Veranstaltungen für 5- bis 25-Jährige jeden Glaubens. Kürzlich hat Schliebe spontan eine Freiburger Schülergruppe in die Synagoge eingeladen. Auch Online-Gottesdienste für Kinder und Jugendliche sind Teil des Programms.

Eine Synagoge steht bereits in der Stadt. Das Gebäude der Israelitischen Gemeinde an der Nußmannstraße, nicht weit vom Münster entfernt. Dass es nun eine zweite gibt, ist selbst Anwohnern nicht klar. Nachbarn sagen Schliebe: „Hier gibt’s keine Synagoge.“ Die Frau vom Vereinsvorstand antwortet dann: „Doch, ich kann es beweisen.“ Halböffentlich nennt sie die Veranstaltungen hier. Beispielsweise war der jüdische Rapper Ben Salomo da. Sein Kommen durfte die Gemeinde erst eine Woche später bekanntgeben. Auch der Landes-Antisemitismusbeauftragte Michael Blume hat ihnen einen Besuch abgestattet.

Gut vorstellen könnte sich Schliebe auch einen Synagogen-Neubau. Gegen einen zentralen Ort wäre nichts einzuwenden. „Auf dem Platz der Alten Synagoge würde es passen“, sagt Schliebe. Die Grundrisse der 1938 zerstörten Synagoge seien ausreichend. Möglich wäre dann auch, dass eine Rabbinerin dort tätig ist. Denn bei der Egalitären Jüdischen Gemeinde können Frauen alle Rollen einnehmen. Deren Gleichstellung ist bei der Gemeinschaft zentral. Geheim wäre der Ort dann nicht mehr – aber besser zu sichern als ein Wohngebäude.

Fotos: © tln