Tierisch gut – Schafe im Weinberg STADTGEPLAUDER | 07.06.2020 | Stella Schewe

Schafe im Weinbau

Blogs gibt es wie Sand am Meer, etwa zu Koch-, Reise- oder Heimwerkerthemen. Nicht aber über und vor allem von zwei Schafen. Diese informieren auf der Website des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg über das Forschungsprojekt „Schafe im Weinbau“.

„Unser Tagesprogramm ist eng getaktet. Wir stehen morgens auf und fressen. Dann dösen wir eine Runde. Als Wiederkäuer hat man dann und wann noch mal eine Nachspeise. Von dem ganzen Stress muss man sich auch mal ausruhen, zum Beispiel bei einem Sonnenbad. Dann schlafen wir wieder.“ Schaf müsste man sein. Von dem, was Schafsbock Oskar in seinem Blog einen „eng getakteten Tagesablauf“ nennt, kann so mancher Mensch nur träumen …

Doch was sich so überaus entspannt liest und bei einem Besuch im Weinberg zwischen Freiburg und Merzhausen auch genauso aussieht, ist „harte Arbeit“. Das jedenfalls sagt Nicolas Schoof, und er muss es ja wissen. Der Doktorand an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg hat das Projekt nämlich mitinitiiert und schaut jeden Tag einmal nach den Schafen, die sich darüber sichtlich freuen. Dass er einen Eimer mit Getreidepellets namens „Lämmerkorn“ mitbringt, freut sie noch mehr. Neugierig kommen sie herbei, stecken ihre zarten Köpfe tief in den blauen Eimer und stupsen die morgendlichen Besucher freundlich an.

Nicolas Schoof mit Schafbock

Genau die richtige Größe, um die unteren Triebe wegzuknabbern: Ouessant-Schafe sind besonders klein und zutraulich. Nicolas Schoof kann Schafbock Tom sogar an den Hörnern packen.

„Das ist Tom“, sagt Schoof, und zeigt auf Oskars Blog-Kollegen: ein schwarzer Schafbock mit schön geschwungenen Hörnern, die beiden sehen aus wie Zwillinge. Wie die anderen 30 Schafe auch gehören sie der Rasse der Ouessant an, benannt nach ihrer Heimat, einer Insel vor der Bretagne. „Das sind die kleinsten Schafe der Welt.“ Mit seinen zwei Jahren wiegt Tom gerade mal 20 Kilo – wenig im Vergleich zu einem Merino-Schafbock, der schon mal 140 Kilo auf die Waage bringen kann. Für die Reben genau die richtige Größe: So können die Schafe locker die für die Weinproduktion ungeeigneten Austriebe am unteren Stamm wegfressen. Auch viele Blätter rund um die jungen Trauben knabbern sie weg: Auf diese Weise kommen mehr Luft und Licht an die Früchte: schlecht für Pilzbefall und gut für die Öchsle und damit die Traubenqualität.

Win-Win im Weinberg

„Das macht man sonst mühsam mit der Hand“, erklärt der 35-Jährige. Auch der Einsatz von Herbiziden oder das Mähen von Unkraut falle dank der hungrigen Tiere weg – gut für den Boden und die im Weinberg lebenden Insekten. „Wenn der Mulcher da durchfährt, ist das für alle nichtmobilen Insekten das Todesurteil“, sagt Schoof. „Win-Win im Weinberg“ lautet denn auch der offizielle Name des vor einem Jahr gestarteten und auf vier Jahre angelegten Projekts. Beteiligt sind neben der Universität und dem Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg auch die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, gefördert wird es mit rund 380.000 Euro durch die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg.

Langweilig, findet Oskar, schrubbert seinen Kopf energisch an Schoofs Hose und vollführt ein paar freudige Bocksprünge – irgendwie muss er die Aufmerksamkeit ja wieder auf sich lenken. Der Rest der Herde döst friedlich im Schatten eines Baumes: Wenn die Trauben noch ganz jung und dann wieder, wenn sie fast reif und schon süß sind, müssen die Schafe auf eine benachbarte Wiese ausweichen. Eine weitere Herde grast übrigens oberhalb von Ihringen auf dem Blankenhornsberg, dem zweiten Standort des Staatsweingutes.

Die Bilanz, die Schoof nach dem ersten Jahr zieht, ist positiv, sowohl für die Trauben als auch für die Umwelt. „Jetzt wissen wir, dass es funktioniert. Eine nette Sache für alle, die ihre Arbeitsweise verändern möchten und Schafe mögen.“ Das Interesse von Winzern aus der REGIO sei jedenfalls groß: Pro Woche bekomme er zwei bis drei Anfragen – für ein wissenschaftliches Projekt außergewöhnlich viele, sagt er. Besonders Winzern mit Reben in Steillagen kann Schoof das Halten von Schafen empfehlen – und das nicht nur, weil der Einsatz von Maschinen am Hang schwierig ist, sondern auch wegen des ganz besonderen Charakters der Schafe. „Sie sind intelligent, gutmütig und vertrauensselig. Es sind einfach freundliche Tiere.“

Info
www.staatsweingut-freiburg.de/weingut/schafe-im-weinberg

Fotos: © Sophie Aschauer,  ste