Rekord mit Diskordanz: Warum Freiburgs Touristiker für Konus-Karte werben Tourismus | 19.03.2025 | Lars Bargmann

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Die Übernachtungszahlen im Freiburger Gastgewerbe sind im vergangenen Jahr auf den neuen Allzeitrekord von 2,17 Millionen gestiegen. Allein in Betrieben mit mindestens zehn Betten. Das neuerliche Plus von 2,4 Prozent zum Vorjahr ist aber im Vergleich zu anderen Destinationen überschaubar: Heilbronn (+ 15,4 Prozent), Stuttgart (+ 14,6) Heidelberg (+ 14,5) oder auch Karlsruhe (+ 14,1) legten viel stärker zu.

Auch in Baden-Württemberg war die Zahl der Übernachtungen mit 58,9 Millionen – 1,3 Millionen mehr als 2023 – noch nie so hoch wie 2024. Daran, so interpretiert das Statistische Landesamt in Stuttgart, war die Fußball-Europameisterschaft nicht ganz unschuldig.

Der Anteil der internationalen Übernachtungsgäste in Freiburg ist um 7,4 Prozent auf 613.244 gestiegen. Ausländer geben in der Regel mehr Geld in Freiburg aus als Inländer. Die meisten Gäste kamen wieder aus der Schweiz (152.600), gefolgt von Frankreich (59.400) und Spanien (53.600). Die Übernachtungszahlen liegen, das ist die eigentliche Nachricht, stolze 19,3 Prozent über dem 2019er Jahrgang. Die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) wirbt vor allem in vielen europäischen Ländern auf allen Kanälen kräftig für Freiburg: „Wir setzen auf erdgebundenen Tourismus“, so Geschäftsführerin Hanna Böhme.

Wichtiger als Rekordmeldungen ist für die Hotelbetreiber aber die Auslastung: Die lag im vergangenen Jahr bei 54 Prozent und damit zwar leicht über dem Vorjahr (52,6), aber auch deutlich unter dem Vor-Coronajahr 2019 (57,6 Prozent). Sorgen macht vor allem das MICE-Geschäft (Meetings, Incentives, Conventions, Exhibitions).

Andrea Duarte, Hotelière im Dorint an den Thermen, berichtete von fehlenden Anfragen in dem Bereich. Die Digitalisierung und die wirtschaftliche Großwetterlage insgesamt würden beim Tagungsgeschäft Einbußen bis zu 20 Prozent bringen. Hotels mit Tagungsräumen müssen allerdings auch in ihre Räumlichkeiten investieren – es gibt mittlerweile viele konkurrierende Locations. Wer hipp sein will, muss mit der Zeit gehen. Allerdings müssen sich die Hotels solche Investments auch leisten können. Steigende Preise, durchaus auch Preiskämpfe bei stagnierender Auslastung machen das schwer.

Zum „E“ in MICE sagte Wiltrud Rösler, Hotelmanagerin bei Adagio Access und Vorsitzende der Fachgruppe Tourismus im Branchenverband Dehoga: „Wir erwarten, dass nach massiven Verlusten im Messe- und Kongresswesen nun bald eine konkrete Planung vorgelegt wird, wie es mit der Freiburger Messe weitergeht. Wir brauchen hier dringend zusätzliche Anreize.“

Hanna Böhme, die die Geschäfte der FWTM lange alleine führen musste, hat seit dem 1. März mit Jens Mohrmann wieder einen Co-Geschäftsführer, der fortan für die Messe zuständig sein wird. Der Freiburger Gemeinderat hatte Ende 2024 beschlossen, der Messegesellschaft für Investitionen, vor allem in die Küche und in die Daten-Infrastruktur – nicht zuletzt ein leistungsstarkes WLAN – 7,2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

Böhme, Rösler und Duarte sind sich nicht in allem einig, wohl aber darin, dass Freiburg dringend so etwas wie eine Konus-Karte braucht, die es Touristen im Umland erlaubt, kostenlos den Öffentlichen Nahverkehr zu nutzen: von Pforzheim bis Basel, von Karlsruhe bis Waldshut, kreuz und quer durch den Schwarzwald und durch neun Verkehrsverbünde. Wer hingegen in Freiburg übernachtet, muss Busse und Bahnen selber zahlen. „Wir brauchen endlich eine positive Entwicklung, um für die Gäste in Freiburg einen spürbaren Mehrwert zu bekommen“, sagt Rösler. „Wir verlieren Gäste ans Umland, weil wir dieses Angebot nicht haben.“

Vor der Kommunalwahl hatte das Freiburger Stadtmagazin chilli im vergangenen April allen Listen unter anderem die Frage gestellt, ob die Konus-Karte aus der millionenschweren Bettensteuer finanziert werden muss. 10 von 17 Listen hatten mit „Ja“ geantwortet, es gab nur drei Neinsager. Rechnerisch könnte die Konus-Karte, die einen siebenstelligen Wert haben wird, locker aus der vereinnahmten Bettensteuer bezahlt werden. Die Frage ist, ob das auch politisch gewollt ist. Derzeit soll eine Studie im Auftrag der FWTM die tatsächlichen Kosten ermitteln.

Der Tourismus in Freiburg ist ein kräftiger Wirtschaftsfaktor. Nach einer Studie der dwif-Consulting GmbH aus August 2023 machen Tagesgäste und Touristen 765 Millionen Euro Brutto-Umsatz in der Stadt. Das sichert Arbeitsplätze und auch Steuereinnahmen fürs Rathaus. Die Konus-Karte für die Gäste aus dem städtischen Haushalt zu bezahlen, könnte unterm Strich sogar mehr Einnahmen als Ausgaben bedeuten. Das ist längst nicht bei allen politisch motivierten Ausgaben der Fall. 

Der Gemeinderat und die Konus-Karte

Diese Listen haben vor der Wahl auf chilli-Anfrage angegeben, dass die Kosten aus der Bettensteuer bezahlt werden sollen: Grüne, SPD, Linke Liste, Grüne ­Alternative, Freie Wähler, Freiburg Lebenswert, Junges Freiburg, FDP, Kult, Volt.

Nein gesagt haben: Urbanes Freiburg, Die PARTEI, Unabhängige Frauen

Enthaltungen: CDU, AfD, Bürger für Freiburg, Teilhabe & Inklusion

Fotos: © FWTM Schwerer