Fremdenhass gefährdet den Wirtschaftsstandort: IHK mit 27-Prozent-Kampagne für 100 Prozent Leistung Verbände | 17.05.2024 | Tatjana Forsthuber

Ohne sie läuft es nicht rund in der deutschen Wirtschaft: 27 Prozent der Berufstätigen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Mit der bundesweiten Kampagne „27 Prozent von uns – #keineWirtschaftohneWir“ macht jetzt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) darauf aufmerksam, wie wichtig Menschen mit Migrationshintergrund für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind.
Die Kampagne ist auch ein politisches Statement gegen Fremdenhass und für Weltoffenheit und Vielfalt. Auch die IHK Südlicher Oberrhein beteiligt sich an der 27-Prozent-Kampagne und reduziert ihr IHK-Logo um 27 Prozent. „Wir wollen und können es uns nicht leisten, auf diese Menschen zu verzichten“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon: „Nur mit diesen 27 Prozent kommt unsere Wirtschaft auf 100 Prozent Leistung.“
In der Region Südlicher Oberrhein sei die Zahl der Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund noch deutlich höher als in ganz Deutschland, schätzt Simon Kaiser, IHK-Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung. „Wir sind eine Grenzregion. Zu uns kommen viele französische Arbeitnehmer. Auch für viele Geflüchtete ist das Dreiländereck eine erste Anlaufstation, und viele bleiben hier“, so Kaiser im Gespräch mit der Redaktion. Konkrete Zahlen hat er zwar nicht, einen Anhaltspunkt biete aber die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Migrationshintergrund: In ganz Deutschland sind das 15,3 Prozent, am südlichen Oberrhein 18,3 Prozent.
Auch für den regionalen Ausbildungsmarkt werden Menschen mit ausländischem Pass immer wichtiger. Ihr Anteil an den neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen ist auf rund 20 Prozent gewachsen – Tendenz weiter steigend. Die IHK tue vieles, um Menschen aus dem Ausland in der Region in Arbeit zu bringen, berichtet Kaiser. Das Beratungsangebot in diesem Bereich werde sukzessive erweitert. Erste Anlaufstelle für Zuwanderer, aber auch für Betriebe, die Auszubildende und Fachkräfte suchen, ist seit einem Jahr das Welcome Center – ein Gemeinschaftsprojekt von IHK und der Handwerkskammer Freiburg.
Welcome Center gibt es in ganz Baden-Württemberg, sie werden vom Wirtschaftsministerium des Landes gefördert. Im „Welcome Center“ arbeiten als sogenannte Kümmerer auch Fachberater Ibrahim Sarialtin (Region Freiburg) und seine Kollegin Julia Gauerhof (Region Ortenau). Sie helfen zugewanderten und geflüchteten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen aus dem Ausland, einen passenden Betrieb zu finden.
Ist ein Arbeitsplatz gefunden, läuft die Betreuung sechs Monate weiter. Die Kümmerer sind Teil des Projekts „Integration durch Ausbildung – Perspektiven für Zugewanderte“, das ebenfalls vom Wirtschaftsministerium gefördert wird. Bei den Herkunftsländern, aus denen die jungen Menschen auf der Suche nach einer Perspektive nach Deutschland kommen, hat Sarialtin in den vergangenen Jahren neue Entwicklungen beobachtet. Neben vielen jungen Menschen aus der Ukraine kommen immer mehr junge Türkinnen und Türken wegen der „schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage“ im Heimatland zu ihm, um sich beraten zu lassen. Oft seien diese gut ausgebildet: Mehr als 20 Prozent haben einen Uniabschluss.
Nach einem Jahr Welcome Center habe sich gezeigt, wie wichtig die Beratung der Betriebe und der Zuwanderer für den Wirtschaftsstandort am südlichen Oberrhein sei, bilanziert Kaiser. Deshalb überlege die IHK, das Beratungsangebot auszuweiten – auch personell. „Bei der Einrichtung des Welcome Centers wussten wir nicht, ob das funktioniert, aber nach einem Jahr wissen wir: Die Nachfrage ist riesig.“
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