Stabilität statt Pessimismus: HWK-Präsident Ullrich fordert mehr Taten vom Bund Verbände | 09.02.2023 | Dr. Stefan Pawellek

ohannes Ullrich (li.) und Hans Peter Wollseifer Ist nicht zufrieden mit der Politik: Johannes Ullrich (li.), hier mit Hans Peter Wollseifer. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks ehrte den Freiburger mit dem „Handwerkszeichen in Gold“.

Man könne aktuell, so der Freiburger Handwerkskammer-Präsident Johannes Ullrich bei der jüngsten Video-Pressekonferenz zum Thema „Das regionale Handwerk zum Jahreswechsel“, von einer „stabilen Seitwärtsbewegung“ sprechen: Die Geschäftslage sei gut (+ 63,4 Punkte), die Erwartungen (- 5,4 Punkte) jedoch schlecht.

Mit den aktuellen Konjunkturdaten (- 26 Punkte) habe man Anfang 2023 schlechtere Werte als im Corona-Jahr 2021 zu verzeichnen. Grund, so Ullrich, sei mangelndes Vertrauen in die Politik – es fehle an Ruhe und Verlässlichkeit. Hinzu kämen der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die Inflation.

Das Bauhauptgewerbe war lange Zugpferd der Handwerkskonjunktur, dort aber ist die konjunkturelle Entwicklung rückläufig. „Durch gestiegene Finanzierungskosten, Materialengpässe und Kostensteigerungen werden Neubauten noch teurer“, sagt Ullrich: „Wir brauchen Maßnahmen, die sich vergünstigend auf die Baupreise auswirken, etwa beschleunigte Genehmigungsverfahren und vereinfachte Regelungen in der Vergabepraxis.“

Das politische Ziel von 400.000 neuen Wohnungen wurde schon 2021 mit 293.000 deutlich verfehlt, 2022 wurde diese Zahl wohl noch unterschritten. „Dass die Bundesbauministerin jetzt gar von 500.000 bis 600.000 Wohnungen spricht, entbehrt jeder Realität.“

Dennoch gibt es für das südbadische Handwerk keinen Grund zum Pessimismus. Die Auftragslage ist stabil. 72,9 gegenüber im Vorjahr 75,2 Prozent der Befragten meldeten in einer Umfrage zu Jahresbeginn steigende oder gleichbleibende Aufträge. Nur noch 71,2 gegenüber 83,3 Prozent erwarten für den Jahresverlauf indes weiter steigende oder gleiche Auftragsmengen.

Die Umsätze zeichnen ein positives Bild: Während 83,8 Prozent aktuell steigende oder gleiche Umsatzzahlen verzeichnen, meldeten 16,2 Prozent sinkende Werte. Gut zwei Drittel der Befragten erwarten für 2023 gleichbleibende oder sogar steigende Umsätze; allerdings: Der Anteil der Pessimisten, die sinkende Umsatzzahlen erwarten, ist von 25,6 im Vorjahr auf 32,7 Prozent gestiegen. Interessant das Thema Preisgestaltung: 78,3 Prozent klagen über höhere Einkaufspreise, die aber nur von 49 Prozent in die Verkaufspreise eingerechnet werden können.

Erstaunlicherweise trotzen Bäcker und Fleischer, denen Marktbeobachter wegen der Corona-Pandemie und ihrer Folgen ein Massensterben vorausgesagt hatten, trotz Inflation und gestiegenen Energiepreisen erfolgreich den derzeitigen wirtschaftlichen Widrigkeiten: Nur elf Betriebe mussten in Südbaden im vergangenen Jahr aufgeben. Über alle Gewerkegruppen waren es saldiert 22 – von 15.817. „Dabei haben aber leider die meisterpflichtigen Betriebe ein größeres Minus von 100 Betrieben zu verzeichnen“, berichtete Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsleitung. Und die sind in der Regel die umsatz- und ausbildungsstärkeren. Der Rückgang konnte bei den zulassungsfreien Handwerken aufgefangen werden.

Der Fachkräftemangel ist weiter das beherrschende Thema; die Zuwanderung von Bürgern der Ukraine habe da nicht helfen können: „Es kommen da größtenteils Frauen und Kinder – die Männer sind im Krieg“, sagt Ullrich. Zwar sei die Zahl der Anerkennungsverfahren insgesamt stark gestiegen, weil aber das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz „schwerwiegende Konstruktionsfehler“ habe, dauere es länger als nötig, ausländische Berufsabschlüsse anzuerkennen: „Da mischen zu viele Aktive mit“, meint Ullrich resignierend.

Erfreulich: Abiturienten interessieren sich immer mehr für eine Handwerksausbildung (+ 18 Prozent), es sei aber „Quatsch“, dass das Handwerk nur noch Ex-Gymnasiasten einstellen wolle, wie mancherorts kolportiert werde. „Wir sind an allen Bewerbern gleich interessiert“, betonte Ullrich.

Fotos: © HWK Freiburg / Felix Risch