Versteckt und vergessen – Der Expressionist Fritz Ascher im Haus der Graphischen Sammlung STADTGEPLAUDER | 01.01.2025 | Erika Weisser

Fritz Ascher? Wer ist Fritz Ascher? Außerhalb einschlägiger Expertenkreise gibt es wohl nicht viele Menschen, die seinen Namen kennen. Oder sein Werk: Der einstige Schüler von Max Liebermann und Lovis Corinth, dessen Kunstschaffen sich an den Bildern von Edvard Munch orientierte, gehört zu den vielen vergessenen Künstlern des 20. Jahrhunderts. In der Ausstellung „Liebe und Verrat“ beschäftigen sich die städtischen Museen nun mit seinen frühen Arbeiten.

Aussdrucksstarke Körperpräsenz: Fritz Aschers 1916 entstandene Bilder „Pagliaccio“ und „Windsbraut“ wurden wie die Figurenstudie als „entartet“ eingestuft.
Die Schau präsentiert 49 figurative Bilder, Grafiken, Kohle- und Tuschezeichnungen sowie Körperstudien, die der Maler (1893–1970) bis 1933 zu Papier oder auf die Leinwand brachte. Und die sich fast alle in Privatsammlungen in New York befinden: bei Mitgliedern der „Fritz Ascher Society for Persecuted, Ostracised and Banned Art“. Direktorin dieser „Gesellschaft für verfolgte, verbannte und geächtete Kunst“ ist Esther Stern. Sie hat die Ausstellung kuratiert – zusammen mit Jutta Götzmann, der Leiterin der Städtischen Museen Freiburg.
In der Ausstellung sind auch sieben Radierungen aus der Sammlung des Museums für Neue Kunst, darunter Lovis Corinths „Pietà“ oder Jakob Steinhardts „Pogrom“. Beide Arbeiten weisen – über die persönliche Bekanntschaft hinaus – Bezüge zum Leben und Werk von Fritz Ascher auf: Wie Corinth verwandte er Motive aus der christlichen Mythologie, um sich mit Gewalterfahrungen, etwa in der Hölle des 1. Weltkriegs, auseinanderzusetzen. Wie beide Künstlerkollegen wurden er und seine Werke in der Nazizeit als „entartet“ eingestuft. Und wie Steinhardt war er vom Antisemitismus und den damit zusammenhängenden Pogromen betroffen.
Nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Volljude“ gebrandmarkt, konnte Ascher nicht mehr arbeiten. In der Pogromnacht 1938 wurde er im KZ Sachsenhausen inhaftiert; danach im Gestapo-Gefängnis Potsdam. Nach der Freilassung musste er regelmäßig bei der Berliner Meldebehörde erscheinen – und entging 1942 nur knapp der drohenden Deportation: Die Mutter eines Freundes versteckte ihn bis zum Kriegsende im Keller ihres Hauses.
Hunger, Ungwissheit sowie die ständige Angst vor Verrat und Tod prägten ihn in seinen Jahren im Versteck. Fast ohne menschliche Kontakte war er auf sich selbst zurückgeworfen. In dieser Zeit entstanden „Ungemalte Bilder“: Gedichte, die seine Gefühle und Seelenzustände widerspiegeln. Zwölf davon bilden den Mittelpunkt der chronologisch gehängten Exponate: In einem ganz in Rot gehaltenen runden, verliesartigen Raum im Raum sind sie an die Wände geschrieben – und öffnen den Blick auf traumatisierte menschliche Abgründe.
Eine großartige künstlerische Wieder-Entdeckung, ein wichtiger Schritt gegen das Vergessen.