»Viele Tote verhindern« Freiburg prüft die Einrichtung eines Konsumraums STADTGEPLAUDER | 19.02.2023 | Philip Thomas

Drogenkonsumraum Freiburg Vorbild Karlsruhe: Seit 2019 leistet sich die Fächerstadt einen Drogenkonsumraum.

Die Landesregierung hat den Weg frei gemacht für einen Drogenkonsumraum in Freiburg. Politik, Polizei und Drogenhilfe befürworten die Einrichtung. Auch die Drogenszene wünscht sich die Stube. Ein Experte betont: Ein Konsumraum rettet Leben. Bis zur Eröffnung könnte es allerdings noch ein Jahr dauern.

„Freiburg hat eine große Drogenszene“, sagt Benedikt Vogt. Der Leiter der Freiburger Drogenhilfe plädiert deswegen dafür, Konsum und Hilfsangebote in der Stadt zu bündeln. Ein wichtiges Puzzleteil ist der Kontaktladen an der Freiburger Rosastraße. Mehr als 15.300 Mal wurde er im vergangenen Jahr aufgesucht. Neben Wundversorgung, sauberen Spritzen oder Duschen bietet die AWO dort auch Beratungen an. Der Konsum von Drogen ist verboten.

»Schadensminimierung«

Ein Platz dafür könnte bald geschaffen werden. Seit Juni lässt das Landeskabinett Drogenkonsumräume auch in Städten mit weniger als 300.000 Einwohnern wie Freiburg zu. Für Vogt liegen die Vorteile auf der Hand: Neben Rechtssicherheit schaffe eine solche Stube hygienische Bedingungen, weitere Ausstiegsangebote und eine Notfallversorgung. „Ein Konsumraum ist Schadensminimierung“, betont der Experte.

Unter Freiburgs Suchtkranken ist so ein Raum seit Jahren ein Thema. „Ich wünsche mir den“, sagt Olaf Müller (Name von der Redaktion geändert) im Kontaktladen. Müller ist seit 30 Jahren drogenabhängig, aktuell substituiert er mit dem Schmerzmittel Subutex. Einen Drogenkonsumraum würde er für das Injizieren von Kokain nutzen.

„Man sieht, was passiert, wenn Leute im Colombi konsumieren“, sagt der 54-Jährige. Gerade an Wochenenden gingen dort auch mal die Nadeln rum. Im Falle einer Überdosis braucht der Notarzt fünf bis zehn Minuten bis zum „Käfig“ Ecke Rotteckring. Manchmal kommt jede Hilfe zu spät, berichtet Müller. 16 Menschen starben vergangenes Jahr in Freiburg im Rausch. „Ein Raum würde viele Tote verhindern“, betont Vogt.

Die Freiburger Polizei weiß um die offene Drogenszene im Colombipark. Ein Auge drücken die Beamten – zumindest offiziell – nicht zu. „Grundsätzlich unterliegt die Polizei der Strafverfolgungspflicht. Schon deshalb kann die Polizei einen Drogenkonsum, der auch immer mit dem Besitz von Drogen verbunden ist, in der Öffentlichkeit nicht dulden und muss gegenüber dem Drogenkonsumenten einschreiten“, sagt Sprecher Stefan Kraus.

Für das vergangene Jahr listet die Freiburger Kriminalstatistik 176 sogenannte Besitzverstöße wegen Amphetamin und 76 aufgrund von Kokain auf. In 66 Fällen fanden Polizisten Heroin. Ein Drogenkonsumraum würde Freiburgs Beamte entlasten. Das Präsidium an der Bissierstraße begrüßt die Planspiele der Politik: „Die Lage der schwerstabhängigen Betäubungsmittel-Konsumenten in der Innenstadt bietet ausreichend Grundlage für den Einstieg in diese Prüfung.“ Für Vogt ist Verfolgung ohnehin das falsche Mittel: „Nachweislich werden die Menschen dadurch nicht clean.“

Freiburg blickt nun auf Karlsruhe. Ende 2019 wurde dort der erste Drogenkonsumraum im Land eröffnet. „Seither steigen die Nutzer·innen- und Konsumzahlen stetig“, sagt Somajeh Tewolde, Sprecherin des Trägers AWO-Karlsruhe über das Zimmer. Fünf Notfälle wegen überdosierter oder stark verunreinigter Drogen konnten aufgefangen werden. Im vergangenen Juli besuchte eine Delegation um Freiburgs Ersten Bürgermeister Ulrich von Kirchbach die Einrichtung.

Die Kosten von jährlich 200.000 Euro trägt die Stadt Karlsruhe. Es ist kein schlechter Deal: Einen Anstieg von Drogen- oder anderen Delikten im Umfeld des Konsumraums hat die Polizei der Fächerstadt nicht festgestellt. Im April kommt der Drogenkonsumraum in den Freiburger Sozialausschuss. Die Entscheidung fällt am 9. Mai im Gemeinderat.

Schwierigkeiten bereitet die Standortsuche. Vogt favorisiert eine Immobilie in der Nähe des Kontaktladens. Rückmeldungen von Bewohnern der Rosastraße seien bislang gemischt. Der Leiter der Drogenhilfe ist dennoch optimistisch, Vogt rechnet mit einer Eröffnung eines Konsumraums im kommenden Jahr.

Foto: © AWO Karlsruhe