Vier Studenten wollen Freiburgs Lokalwährung "Freitaler" zum Durchbruch verhelfen STADTGEPLAUDER | 06.06.2016

Regionalwährung? Schon mal gehört. Freitaler? Sagt mir nix. Dabei gibt es das Freiburger Geld schon seit 2008. Etwa 150.000 Freitaler wurden seit 2012 eingetauscht. Mehr als 70 Unternehmen akzeptieren ihn. Für vier Studenten ist das erst ein Anfang. Ein Experte zählt den Freitaler zu den Top fünf in Deutschland.

Engagiert: Johannes Kopf und Henriette Weser wollen den Freitaler in Freiburg verbreiten. Das Café Pow ist eine Tauschstelle.
Engagiert: Johannes Kopf und Henriette Weser wollen den Freitaler etablieren.

„Kann ich hier mit Freitalern bezahlen?“ Die Kassiererin an der DM-Kasse versteht nur Bahnhof. „Mit was bitte?“ Den gelb-weißen Schein mit aufgedrucktem Münsterturm beäugt sie neugierig. „Nein, das geht bei uns nicht.“ Die zehn Taler wandern wieder in den Geldbeutel.

Henriette Weser wundert das nicht. „Viele wissen nicht einmal, dass es den Freitaler gibt“, sagt die 20-jährige Freiburger Studentin. Sie setzt sich mit drei Kommilitonen dafür ein, dass der Freitaler-Rubel rollt. Die Regionalwährung soll den lokalen Einzelhandel stärken und ein nachhaltigeres, regionales Wirtschaftsnetzwerk schaffen.

Mitmachen ist einfach: An einer von den vier Ausgabestellen kann der Freitaler gegen Euro eingetauscht werden. Kurs: eins zu eins.  In rund 70 Unternehmen kann man mit der Lokalwährung mittlerweile bezahlen. Beim Frisör, im Café, im Fahrradladen. Auch der Edeka in Betzenhausen macht mit: „Wir können so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das Geld bleibt in der Stadt, und wir unterstützen soziale Projekte“, sagt Geschäftsführer David Danner. Etwa 20 Kunden bezahlen bei ihm regelmäßig mit dem Regiogeld.

David Danner

Überzeugt: David Danner akzeptiert den Freitaler in seinem Edeka in Betzenhausen.

Der 33-Jährige nutzt den Freitaler auch privat, in Betzenhausen hat er mehrere Möglichkeiten: Pizzeria, Apotheke, Blumenladen, StuSieBar … Nicht überall ist das Netz so dicht. In Zähringen macht bisher beispielsweise nur eine Apotheke mit.

Unternehmer haben zwei Möglichkeiten: Entweder sie investieren ihre Freitaler in regionale Produkte oder sie tauschen sie in Euro um. Dabei bekommen sie 98 Prozent des Geldes zurück, 2 Prozent gehen an soziale Projekte. Finanziell lohnt sich der Freitaler für Danner nicht. Dennoch hofft er auf positive Effekte: „Wir wollen hier an der Bischofslinde etwas ankurbeln.“ Dazu soll längerfristig auch der Freitaler beitragen.

Seit 2008 gibt es die Freiburger Währung, Henriette Weser, Johannes Kopf, Roland Grigo und Jakob Rid kümmern sich seit zwei Jahren darum. Etwa 200 Freiburger nutzen ihn, schätzen sie beim Interview im Café Pow, eine der Ausgabestellen. „Wir wollen den Konsum regionalisieren und Transportwege verkürzen“, sagt Kopf. Er selbst geht nur noch zum Freitaler-Friseur und kauft am liebsten bei Danner. „Man nimmt sich damit in die Pflicht, sein Geld regional auszugeben“, sagt der Student. Wirtschaftliche Effekte gebe es aber erst ab einer gewissen Größe.

Freitaler

Bunt: Die schicken Freitalerscheine sind in Freiburg noch recht unbekannt.

Leander-BindewaldDas kann Leander Bindewald (Foto rechts) bestätigen. Der Wirtschaftsexperte beschäftigt sich sei 2010 ausschließlich mit Regionalwährungen. Sein Studium in Freiburg hat der 36-Jährige 2009 abgeschlossen. Mittlerweile ist er in England als Researcher am Institute for Leadership and Sustainability an der University of Cumbria.

Den Freitaler zählt er zu den Top fünf der 25 deutschen Regionalwährungen. Das Projekt sei „großartig“, auch wenn es in der momentanen Größe keine nachweisbaren wirtschaftlichen Effekte habe. „Regiogeld ist ein Prozess, ein Botschaftsträger. Jeder, der es in der Hand hält, weiß, dass er etwas von unten verändern kann“, sagt Bindewald.

Die internationale Geldordnung stoße an ihre Grenzen. Gerade lokal könne man da etwas tun. An die Freiburger Macher appelliert er: „Eine Regionalwährung ist ein Bildungsauftrag, da muss man dranbleiben.“ Um den Umtausch zu vereinfachen, empfiehlt er eine elektronische bargeldlose Variante. Alle erfolgreichen Regionalwährungen Europas setzten auf diese Karte.

Für Freiburg ist das Zukunftsmusik. Doch die Zahl der Anhänger wächst. Henriette Weser war kürzlich unterwegs, um Firmen zu werben. Von sechs machen zwei mit. Beim Euro-Freitaler-Tausch im Café Pow heißt es an der Kasse: „Was ist denn heute los? Du bist schon der Zweite.“

Die fünf Ausgabestellen

Fachmarkt Danner & Wießler – Am Bischofskreuz 4 – 79114 Freiburg

Mediacenter Rieselfeld – Käthe-Kollwitz-Straße 18 – 79111 Freiburg

Café POW im Grünhof – Belfortstr. 52 – 79098 Freiburg

Solaris Naturkost – Wentzingerstr. 48 – 79106 Freiburg

Elephant Beans – Basler Str. 12a – 79100 Freiburg

Mehr Infos auf: www.freitaler.com

Text/Fotos: Till Neumann & privat