Wie sich südbadische Brauereien im schrumpfenden Biermarkt behaupten STADTGEPLAUDER | 28.03.2018 | Philip Thomas

Der Bierdurst der Deutschen erlischt. Im vergangenen Jahr ist der Absatz von Gerstensaft im Land um 2,5 Prozent auf das nächste Rekordtief gesunken. Während im Rest der Republik Kessel leer stehen, treten sübadische Brauereien den Rückzug in die Region an und können dort sogar ein kleines Plus erzielen. Craft-Bier und die Weltmeisterschaft sind für sie aber nur Tropfen auf den heißen Stein.

Die Stimmung in der Bier-Branche ist naturtrüb. Kein Wunder: Der Bierabsatz in Baden-Württemberg sank im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr von 4,83 Millionen erneut um 1,3 Prozent auf 4,75 Millionen Hektoliter. Das Ländle ist damit noch gut bedient. Der Rückgang im gesamten Reich des Reinheitsgebotes ist mit 2,5 Prozent etwa doppelt so hoch. Zudem setzen steigende Rohstoffpreise und ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein den Brauereibetrieben seit Jahren zu. Schließungen und Übernahmen sind die Folge. Konkret verringerte sich der Bierabsatz bundesweit von 112 Millionen Hektolitern im Jahr 1993 auf 93 Millionen in 2017.

Entsprechend ist offenbar auch die Bierlaune in der Branche. Die Staatliche Brauerei Rothaus möchte sich auf Anfrage zum Thema gar nicht äußern, die zur Brau Holding International zählende Brauerei Fürstenberg veröffentlicht traditionell auch keine exakten Zahlen. Die Brauerei in Donaueschingen gibt jedoch an, mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr zufrieden zu sein und den Umsatz aus dem Vorjahr deutlich übertroffen zu haben. „Dennoch spüren auch wir die rückläufige Entwicklung am deutschen Biermarkt“, sagt Ilona Zimmermann von der Unternehmenskommunikation.

In Waldhaus spricht man indes gerne über Zahlen, schließlich kann die Brauerei im Schwarzwald seit Jahren Erfolge verzeichnen. Erhöhte sich der Ausstoß 2017 um 8000 auf 93.000 Hektoliter, will die Privatbrauerei in diesem Jahr dem Markt zum Trotz die 100.000er-Marke knacken. „Natürlich wäre es toll, in einem Markt zu arbeiten, der jedes Jahr um 20 Prozent wächst, aber ich freue mich trotzdem“, sagt Geschäftsführer Dieter Schmid.

Er ist froh, dass er für seine positive Bilanz nur vergleichsweise kleine Mengen an Rohstoffen benötigt. Die großen Fernsehbrauereien sind für ihn die Verlierer im deutschen Markt: „Die nationalen Marken haben sich da selbst reinmanövriert. Die haben alle ein gutes Image, sind aber völlig austauschbar.“ Er ist sich sicher: „Als kleine Brauerei muss man sich vom Markt abheben.“

Die südbadischen Brauereien geben außerdem ein klares Bekenntnis zu ihren Standorten ab. Um den regionalen Markt weiter für sich zu gewinnen, sollen Produktionsstätten durch Aktionen und Führungen noch weiter gestärkt werden. „Wir konzentrieren uns auf Südbaden, das sind zwei Millionen Menschen“, sagt Detlef Frankenberger, Geschäftsführer der Ganter-Brauerei. Ein Umzug aus dem teuren Stadtkern heraus, wie bei Holsten in Hamburg oder Paulaner in München, sei bei Ganter nicht geplant: „Wir sind in Freiburg positioniert.“ Frankenberger ist überzeugt, dass er mit der Regionalstrategie „auf dem richtigen Weg“ ist.

Auch im 70 Kilometer entfernten Waldhaus ist kein Umzug geplant. „Bei uns ist die Logistik nicht optimal“, sagt Schmid, „aber wir sind mit unserem Standort zufrieden.“

Neu ist die deutsche Bierkrise nicht. „Wir haben uns natürlich schon vor zehn Jahren damit beschäftigt, wie man diesen Trend aufhalten könnte“, sagt Frankenberger und vermutet hinter dem Rückgang auch demografische Gründe: „Wir haben früher viel mehr Bier getrunken“, erinnert sich der 53-Jährige. „Ein Liter Bier am Tag tut ja nicht weh.“

Das sehen viele Jugendliche heute anders und suchen im Supermarkt immer häufiger die Smoothie-Bar statt des Bier-Regals: Trank vor 30 Jahren noch mehr als jeder zweite 18- bis 25-Jährige und fast jeder dritte 12- bis 17-Jährige mindestens einmal in der Woche Bier, waren es im vergangenen Jahr nur noch jeder zehnte Jugendliche und nur noch fast jeder dritte junge Erwachsene. „Alkoholkonsum geschieht heute bedachter“, weiß auch der Brauereichef. „Außerdem trinkt die Jugend heute anders, mehr Mischgetränke. Dazu kommen die Alkoholverbote.“

Schmid pflichtet seinem Ganter-Kollegen bei und gibt der Politik eine Mitschuld am Rückgang des Biermarktes: „Es gibt immer mehr Restriktionen wie Verbote in der Öffentlichkeit. Alkohol wird tabuisiert. Der Kunde hat schlicht immer weniger Möglichkeiten, an das Produkt zu kommen.“

Wohl auch deswegen befindet sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Bier in Deutschland seit Jahrzehnten im Sinkflug: Kamen 1980 noch 145,9 Liter in den Humpen jedes Bürgers, waren es 2016 nur noch 104,1 Liter. Frankenberger geht davon aus, dass dieser Wert weiter auf 80 Liter sinken wird. „Die gesellschaftliche Entwicklung will, dass Menschen gesund sind.“

Um auf dem ausgetrockneten Markt zu überleben, entschied die Freiburger Ganter-Brauerei bereits 2011, kürzer zu treten und sich technisch neu aufzustellen. „Wir haben vor zehn Jahren entschieden, dass wir uns aus dem Massenmarkt zurückziehen und uns auf Südbaden konzentrieren“, sagt Frankenberger. Die Brauerei schrumpfte sich quasi gesund. Zehn Millionen Euro habe man damals in neue Technik investiert, um den Ausstoß von 100.000 Hektolitern zu gewährleisten. Vergrößert wurde an der Dreisam hingegen das Sortiment. „Wir haben uns spezialisiert, und der Trend zum Craft-Bier hat uns in die Karten gespielt.“

Ein Trend, der auch den Waldhaus-Chef Schmid freut: „Wir spielen gerne auf dem Craft-Bier-Markt mit.“ Die Branche retten würde das handwerklich gebraute Bier aber nicht: „Durch Craftbier wird der Ausstoß insgesamt nicht steigen.“

Begrenzte Hoffnungen knüpfen die Brauereien an den WM-Sommer. Der deutschen Fußballnationalmannschaft drücken die Brauhäuser diesen Sommer natürlich die Daumen. Für Fürstenberg ist die WM ein wichtiger Absatztreiber, Waldhaus und Ganter halten den Ball dagegen flach, sehen das Event eher als Spitze im Geschäftsjahr. Der Erfolg wird wohl auch davon abhängen, welches Süppchen der Braumeister Joachim Löw kocht.

Fotos: © Brauerei Ganter, Waldhaus, Fürstenberg