Kicken, spielen aufklären: Erfolgreiche Podcasts Made in Freiburg Uncategorized | 27.06.2019

Podcast Jung und Freudlos

Auch an Freiburg geht der Podcast-Hype nicht vorüber. Insert Moin, Spodcast Freiburg, Jung und Freudlos sind drei erfolgreiche Beispiele. chilli-Autor Stefan Mertlik hat sich mit den Machern getroffen.

Jung und Freudlos

Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Splendid Research hört fast jeder Dritte Deutsche regelmäßig Podcasts. Das sind Millionen Menschen, die es zu erreichen gilt. Aber wie? „Zu Beginn waren wir Ärzte, die in ein Mikrofon gesprochen haben“, erzählt Sebastian Kromer von Jung und Freudlos, „aber jetzt, nachdem wir ein paar Folgen produziert haben, sind wir richtige Pod-caster.“ Seine Kollegin Ismene Hermann nickt: „Wir hatten das Glück, kurz nach der ersten Folge die Macher des ‚PsychCast‘ zu treffen, die Werbung für uns gemacht haben.“

Podcast Jung und Freudlos

Deswegen sei das Quartett, zu dem noch der Techniker Simon Meier und der Student Moritz Prox-Ambil zählen, so schnell zu Erfolg gekommen. „Wir haben von da an in den sozialen Medien gemerkt, dass uns viele Leute folgen, die auf keinen Fall mehr Studierende sind“, sagt Meier. Seit Oktober nimmt Jung und Freudlos einen Podcast für die Uniklinik Freiburg auf. Darin sprechen sie so erfolgreich über psychische Erkrankungen, dass sie längst über die Grenzen der Freiburger Hörsäle hinaus bekannt sind.

Insert Moin

Podcast Manuel Fritsch von Insert Moin

Manuel Fritsch (Insert Moin)

Manuel Fritsch schlägt mit „Insert Moin“ in eine ganz andere Kerbe. Zusammen mit seinem Partner Michael Cherdchupan veröffentlicht der 40-Jährige seit November 2010 den „täglichsten Spiele-Podcast der Welt“. Alle 24 Stunden erscheint eine neue Folge. Darin berichtet der Vaubaner über Video- und Brettspiele. Die Videospielindustrie ist mittlerweile zwar umsatzstärker als das Filmgeschäft, fristet im Bewusstsein der Massen dennoch ein Nischendasein. Das mache es auch für Videospiel-Podcasts deutlich schwerer: „Spielen ist Mainstream, aber sich gezielt über Videospiele zu informieren, ist es noch nicht.“ Im Vergleich zu seinen Freiburger Kollegen hat Fritsch trotzdem etwas geschafft, von dem viele träumen: Er lebt vom Podcasten.

„Ich hatte mit meinem Job in einer Agentur und dem Podcasten gefühlt zwei Jobs, also musste ich mich entscheiden, ob ich den Schritt wage und aus dem Hobby einen Beruf mache“, erinnert er sich an 2015 zurück. Damals richtete er ein Profil auf der Website „Patreon“ ein, über das Hörer monatlich spenden können. Im Gegenzug erhalten diese exklusive Folgen oder andere Geschenke. Mittlerweile unterstützen ihn rund tausend Hörer finanziell. Das reiche, um den Lebensunterhalt zu 80 Prozent zu bestreiten. Die restlichen 20 Prozent decke er als freier Journalist für Videospielmagazine ab.

Spodcast Freiburg

Podcast Alexander Koneczny von Spodcast Freiburg

Alexander Koneczny (Spodcast Freiburg)

Einen so ehrgeizigen Veröffentlichungsrhythmus wie Fritsch muss Alexander Koneczny vom „Spodcast Freiburg“ nicht einhalten. Seit der Fußball-Saison 2018/2019 analysiert der studierte Journalist in seinem Pod-cast die wöchentlichen Spiele des SC Freiburg. Koneczny ist von der Reichweite seines Podcasts überrascht. Und freut sich vor allem über die Teilhabe seiner Hörer: „Über Twitter und per E-Mail erhalte ich viel Lob, aber auch Verbesserungsvorschläge.“ Er ist sich sicher, dass seine Gäste einen großen Teil zu den Hörerzahlen beitragen. So seien Max-Jacob Ost vom Podcast „Rasenfunk“ oder Blogger und Podcaster Lennart Sauerwald in Fußballkreisen bekannte Gesprächspartner, die über ihre Kanäle Werbung für den „Spodcast“ machen.

Koneczny bietet auf seiner Website zwar auch eine Möglichkeit für Spenden an, er sehe das aber nur als eine Art Trinkgeld: „Der Traum, mit dem Podcast Geld zu verdienen, ist da, er ist aber nicht die erste Priorität.“

Preis und Lehrauftrag

Diese Gedanken müssen sich die vier Betreiber von „Jung und Freudlos“ nicht machen. Sie verstehen den Pod-cast als einen Teil ihres Lehrauftrags, wie Kromer verdeutlicht: „Der Podcast ist als innovatives Lehrprojekt gestartet, um Studenten auf eine andere Art zu erreichen und Psychi- atriethemen unterhaltsamer zu vermitteln.“ Das überzeugte auch die Universität Freiburg, die das Projekt mit dem Lehrentwicklungspreis „Instructional Development Award“ auszeichnete. Das Preisgeld investierten sie in Equipment und die Bezahlung von Prox-Ambil, der als Interviewer im Podcast auftritt.

Während „Jung und Freudlos“ für die Erfüllung eines Lehrauftrags angetreten sind, lebt Koneczny seine Leidenschaft aus. Heute arbeitet er zwar im Marketing, er wollte aber schon immer Sportjournalist werden. Einen Fuß habe er mit dem Podcast nun in der Tür. Fritsch genießt die Freiheiten, die das Medium im Vergleich zum geschriebenen Wort bietet: „Über Spiele zu schreiben, ist etwas Analytisches“, erläutert er, „im Podcast schwingen dagegen auch die Zwischentöne wie Begeisterung oder Enttäuschung mit.“

Weite Wege

Welchen Einfluss hat die Stadt Freiburg auf die eigenen Podcasts? Bei Koneczny ist der Bezug zur Breisgau–Metropole schon im Namen klar: „Selbstverständlich, ich bin immer ein Freiburger Bobbele gewesen.“ Nach dem Studium zog er aus beruflichen Gründen zwar nach Berlin, der Stadt sei er aber immer noch verbunden, plane sogar, irgendwann zurückzukehren. Fritsch sieht im Freiburger Leben keinen Vorteil für sein Schaffen: „Leider überhaupt nicht, weil Freiburg keine Medien- und Spiele-Stadt ist.“ Spielpräsentationen finden in Städten wie Berlin, Hamburg, Köln und München statt, klagt er: „Egal wohin, man ist immer lang unterwegs.“

„Freiburg hat die höchste Psychiater- und Psychotherapeutendichte Deutschlands“, erzählt Ismene Hermann scherzhaft, „da passen wir also perfekt rein.“ Als klassische Studentenstadt identifiziert auch Kromer seine Hörerschaft ganz klar mit Freiburg: „Wenn ich unsere Hörer imaginiere, denke ich immer an die Mensa in der Rempartstraße und frage mich, wen von dort könnte das interessieren.“

Eine langfristige Sache

Ein Blick auf Spotify oder iTunes verrät, dass die Menge der Podcasts wöchentlich steigt. Freiburgs Podcaster sind sich einig, dass das nichts mit einem Hype zu tun hat, der bald abflaut. Koneczny meint, dass Podcasts in unsere schnelllebige Zeit passen: „Der Trend geht zu mehr Effektivität, weshalb man Podcasts häufig hört, während man etwas anderes macht.“ Fritsch hält das Wachstum ebenfalls für gesund und verweist auf die Entwicklungsmöglichkeiten, die das Medium noch habe: „Da ist noch sehr viel machbar, was Storytelling, Effekte und den Einsatz von Musik angeht.“

In die Zukunft schauen Freiburgs Podcaster mit viel Zuversicht. Die Szene mag klein sein, an Qualität mangelt es ihr jedoch nicht.

Fotos: Privat, Stefan Mertlik / llustration: Pixabay