Der Blick aus dem Elsass Unterwegs | 06.10.2020 | Jill Köppe-Ritzenthaler

Elsass Blick auf Reben

Jill Köppe-Ritzenthaler aus Neuf-Brisach schaut sich regelmäßig im Dreiländereck um. Diesmal schickt sie einen „Schmutz“ über den Rhein, einen freundschaftlichen Gruß nach der Corona-Pause.

Dies sind meine ersten REGIO-Zeilen seit Monaten. Vieles, was für uns bislang normal war, wurde auf den Kopf gestellt. Trotz aller Strapazen, die hinter uns liegen, habe ich in dieser Zeit entdeckt, dass wir eigentlich reich sind: zunächst einmal reich an Lebensmitteln und Konsumgütern. Zudem reich an Freiheit, das haben uns die vorher unvorstellbaren Grenzschließungen vor Augen geführt. Aber auch reich an wunderbarer Natur, an nahe gelegenen Ausflugszielen, reich an Kontakten und Freunden, reich an Austausch mit unseren Nächsten, wenn wir der Begegnung eine Chance lassen.

Als in der ersten Märzwoche die Corona-Welle über uns hineinbrach, ist mir gleich ein Titel für diese erste Kolumne „nach“ Corona durch den Kopf gegangen: „La dernière bise – der letzte Wangenkuss“. Gerade in Frankreich, wo alle bislang auf Tuchfühlung gingen, war ein Wangenkuss die Standardbegrüßung schlechthin, sowohl für Freunde, Bekannte und Familie, aber auch in Vereinen, bei politischen Begegnungen, in der Gemeinde, einfach überall. Der „Schmutz“, wie der Elsässer die Küsschen nennt, gehörte einfach dazu. Seit Corona ist das vorbei. Die Maskenpflicht setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

Jill Köppe Ritzenthaler

Jill Köppe-Ritzenthaler

Wie also mit Abstands- und Maskenpflicht seinen Nächsten gebührend begrüßen? Abseits vom Faust- und Fuß-Check habe ich da etwas Interessantes bemerkt: Der direkte Blickkontakt mit dem maskierten Gegenüber kann Vieles ersetzen! Trotz körperlicher Distanz gibt mir dieser Blick Platz für intensiveren Austausch. 

Dieser Blick ins Innere erscheint mir auch für unser Verhältnis über den Rhein hinweg als wesentlich. Wie geht es uns denn eigentlich fernab von Konsum- und Ausflugs-
zielen hüben und drüben? Geben wir Trennung und Polemiken eine Chance? Oder kennen wir uns näher, verstehen wir uns wirklich? In diesem Sinne schicke ich einen virtuellen „Schmutz“ über den Rhein – und behalte dabei die deutsch-französische Freundschaft fest im Blick.

Fotos: © iStock / phbcz, privat