Ortsporträt: Bahlingen am Kaiserstuhl – Wein trifft Kunst und Handwerk Ortsporträt | 06.04.2024 | Reinhold Wagner

Ortseingang von Bahlingen mit blühendem Kirschbaum

„Willkommen im Weinort Bahlingen am Kaiserstuhl“ steht gleich zur Begrüßung auf einem Fassdeckel an der Ortseinfahrt der Kaiserstuhlgemeinde. Wer der Gemeinde und ihrem ­Umfeld einen Besuch abstattet, spürt sofort in jedem Winkel einen Hauch von Nostalgie und Traditionsbewusstsein, aber auch ­Aufgeschlossenheit für Kunst und Verbundenheit mit der Natur.

Über dem Fassdeckel am Orts­eingang ist der Vermerk zu lesen „seit 762“, was dem an der nordöstlichen Schulter des Kaiserstuhls gelegenen Winzerort ein stolzes Alter von mehr als 1260 Jahren bescheinigt. Dagegen erscheint das historische, aus einem alten Gasthof hervorgegangene Rathaus aus dem Jahr 1550 beinahe jung. Erst recht der darin streng bewachte Hüter des Weins, der Hoselips, dessen Alter auf etwa 250 Jahre geschätzt wird.

Dieser legendäre Fasswächter soll über Wohl oder Leid seiner ­Gemeinde verfügen und ist Bahlingens Antwort auf den römisch-griechischen Weingott Bacchus. Einer Legende nach darf der Hoselips nie wieder seine Vitrine im Rathaus oder gar den Ort verlassen. Denn andernfalls würde es mit der Weinernte in der Kaiserstuhlgemeinde ganz rasch bergab gehen. So sei es seinerzeit geschehen, als die Symbolfigur einmal im Zuge eines Handels an einen Weinkäufer gegangen sei. Bahlingen am Kaiserstuhl so ganz ohne Wein, das wäre undenkbar. Und daher hütet das Haus des Bürgermeisters die umgehend zurückerworbene Holzfigur wie einen Schatz – und feiert in den ungeraden Jahren ihm zu Ehren das Hoselips-Fest.

Die "Mythische Triade" des Künstlers Michael Schwarze bei Bahlingen

Die „­Mythische Triade“ des Künstlers Michael Schwarze schaut auf ­Bahlingen hinab.

In den geraden Jahren hingegen – und so wieder in diesem Jahr – dreht sich im Ort alles um die Themen Kulinarik und Natur. Natürlich darf auch der Wein nicht fehlen, wenn heuer am Sonntag, 21. April bereits zum sechsten Mal die Bahlinger Genießerwanderung stattfindet: Wanderlustige lernen die aktuellen Weine der lokalen Winzer als Begleiter eines siebengängigen Menüs kennen, das über sieben Stationen verteilt an einem sieben Kilometer langen Rundweg angeboten wird. Geruhsam durch die Bahlinger Rebflur spazieren, an einem Aussichtspunkt mit anderen Menschen zusammenkommen, dort ein besonderes Essen und die dazu passenden regionalen Weine genießen – da werden alle Sinne angesprochen.

So heißt es – nach vorheriger Anmeldung – für alle Teilnehmer im Zeitfenster zwischen 10 und 13 Uhr „Abmarsch“ an der Winzergenossenschaft Bahlingen. Ein Glas Sekt oder alkoholfreier Secco und ein Appetithäppchen stimmen ein auf die Tour. Vorbei an liebevoll erhaltenen Fachwerkhäusern und durch malerische Gassen geht’s „auf und hinauf zum Fohberg“. Dort bietet sich ein Panorama-Rundblick, der vom Kaiserstühler Totenkopfturm über tief eingeschnittene Lößhohlwege, die Gemeinde Bahlingen und in der Ferne Riegel bis hin zu den Höhenzügen des Schwarzwalds und den Kandel­gipfel reicht, bevor er sich am Feldberg vorbei nach einer 360-Grad-Umdrehung wieder schließt.

Kleine Schilder am Weg verraten, dass man sich hier auf dem Pfad „beWEGte Rebzeilen“ befindet, der ins Wihltal und zum „KunstAcker“ mit den weiß strahlenden Rebpfählen von Pierre Gendron führt. Natur- und Kunstfreunde kommen auf dieser Kurztour ebenso auf ihre Kosten wie beim Anblick der drei Kunstobjekte der „Mythischen Triade“, die hinter der Fohberghütte am Wasserspeicher ihre nackten Körper dem Wind und Wetter entgegenstellen.

Aber zunächst einmal ist an der Fohberghütte die erste Station der Genießerwanderung erreicht, die fünf Weingüter und die Bahlinger Winzergenossenschaft – Kaiserstühler Winzer vom Silberberg – mit heimischen Gasthöfen alle zwei Jahre auf die Beine stellen. Wo feste Hütten fehlen, werden Pavillons aufgebaut. In diesem Jahr sorgt der Polka-Club Bahlingen für die musikalische Begleitung auf der Runde.

Bick auf mehrere Häuser und der Bergkirche in Bahlingen

Überragendes Wahrzeichen: Die Bahlinger Bergkirche ist eine der ältesten Kirchen am Kaiserstuhl, erstmals urkundlich erwähnt im Jahr 1275.

Aufmerksame Beobachter bemerken vielleicht einen Lesesteinhaufen neben einem Bienenhotel und Nistkästen zwischen Obstbäumen bei der Fohberg­hütte. Die Gemeinde Bahlingen pflegt in Kooperation mit dem BUND einige der Wiesen und innerörtlichen Grünflächen zum Wohl und Erhalt der Tierwelt, allen voran der Vögel, Kriechtiere und Insekten. Denn letztlich könnten die Reben und der Wein nicht gedeihen, wenn Klima, Wasserhaushalt und belebte Natur nicht miteinander im Einklang wären.

Wer am Ende der Genießertour bei Kaffee und Kuchen von den Bahlinger Landfrauen angekommen ist, wird den ein oder anderen der unterwegs probierten Weine in der Flasche erwerben und zum Nachschmecken mit nach Hause nehmen. Oder wird einfach mal wiederkommen: Lohnend ist es nämlich, einmal mit offenen Augen durch die Gassen Bahlingens zu schlendern und sich treiben zu lassen. Vielleicht entdeckt der eine oder andere das bewohnte Storchennest, unter dem sich Fassadenmaler und Poeten verewigt haben. Oder es fällt ein Stillleben aus Leitern, Besen und Pferdegeschirr ins Auge, das die Einfahrt einer Wirtschaft ziert. An zentraler Stelle thront eine historische Weintrotte aus dem Jahr 1894, während unweit davon eine alte Schmiede nach wie vor rege genutzt wird. Und das, obwohl der Dorfschmied, wie sein Nachbar bestätigt, schon über 80 Jahre alt und eigentlich längst im Ruhestand ist.

Ein anderes altes Handwerk ist am südlichen Ortsrand der Gemeinde in der Adler-Mühle bis heute lebendig. Hier wird mittlerweile in der 6. Generation Getreidekorn in bis zu 40 Durchgängen mittels Wasserkraft zu feinem Mehl gemahlen. Im Mühlenladen sind viele Sorten Mehl erhältlich, aber auch Schrot, Flocken, Müsli, Öl oder Grieß und andere Produkte.

Weithin sichtbar, auf einer Anhöhe inmitten des Dorfes in Rathausnähe, steht die Bergkirche. Der Aufstieg zu dieser ältesten Kirche des Kaiserstuhls lohnt nicht nur aufgrund der Aussicht: schöne Blicke auf das Dorf Bahlingen und die östlichen Hänge des Kaiserstuhls, die Breisgauer Bucht mit dem Dorf Nimburg und dem Nimberg und dahinter die Berge des Hochschwarzwalds. Von der Anhöhe führen verzweigte Pfade in die Lößhohlgassen des Kaiserstuhls und hin zu weiteren, individuellen Rundtouren.

Veranstaltungs-
Tipps

Genießerwanderung
am Sonntag, den 21. April. Anmeldung
unter Tel.: 07663/933-112 oder per Mail an sommer@bahlingen.de

Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Die ­Wanderung findet bei jedem Wetter statt.
www.bahlingen.de

Foto-Ausstellung
„Friedenspfad am Kaiserstuhl“
vom 12. Mai bis 9. Juni. Die Ausstellung im Alten Spritzenhaus zeigt in großformatigen Fotografien die fünf Bronzeskulpturen am Kaiserstuhl, die Hubert Lang aus Riegel in wechselnden Orten, zuletzt in Bahlingen unterhalb der Amolterner Heide, zu einem Friedenspfad aufstellen konnte.

Kunst im alten Spritzenhaus, Kapellenstr. 16, 79353 Bahlingen
www.kunst.natur.kaiserstuhl.de

Info

Bahlingen
Lage: Landkreis Emmendingen, am nordöstlichen Rand des Kaiserstuhls. Mit dem Auto 20 Minuten von Freiburg. Öffentliche Anbindung über die Breisgau-S-Bahn.
Gründung: 762 erstmals urkundlich erwähnt.
Bevölkerung: aktuell 4350 Einwohner

79353 Bahlingen am Kaiserstuhl
www.bahlingen.de

Fotos: ©  rw