Finanzielles Fiasko: Steiger, Schill und Kollegen über Widerrufsbelehrungen Baurecht | 06.03.2024 | Lars Bargmann

Ein Bild von Justitia Justitia: Vor Gericht gibt es zwar Recht, aber nicht immer Gerechtigkeit.

Die Handwerksfirma hat den Auftrag abgeschlossen. Der Unternehmer setzt sich an seinen Schreibtisch, schreibt die Rechnung und schickt sie an den Auftraggeber.  Der beruft sich plötzlich auf sein Widerrufsrecht. Und zahlt nicht. „Wir haben solche Fälle immer wieder“, sagt Nicolas Schill von der Baurechtsspezialistenkanzlei Steiger, Schill und Kollegen in Staufen.

Widerrufsrechte für Verbraucher sind – europaweit – ein scharfes Schwert. Eigentlich sollen sie Verbraucher vor Haustürgeschäften schützen. Aber sie haben weitreichende Konsequenzen. Vergisst also der Handwerksbetrieb seinem Auftraggeber mit dem Bauvertrag auch eine Widerrufsbelehrung auszuhändigen und sich beides – in seinen Geschäftsräumen – unterzeichnen zu lassen, kann das im schlimmsten Fall in eine Insolvenz führen. Denn der Auftraggeber kann – ohne unterzeichnete Belehrung – 12 Monate und 14 Tage den Auftrag widerrufen. Dann ist der Anbau aber bereits fertig, der Handwerker bekommt keinen Cent, aber der Anbau gehört trotzdem dem Auftraggeber, erzählt Schills Kollegin Nina Wolber.

Verbraucherschutz konterkariert Praxis

Der Verbraucherschutz konterkariert hier die Praxis auf den Baustellen. So gut wie täglich besprechen Auftraggeber und Auftragnehmer auf der Baustelle, dass hier noch eine Trockenbauwand anders ausgeführt werden soll und dort im Bad eine andere Fliese verbaut werden soll. Streng, also rechtlich genommen, müsste der Handwerker jedes Mal eine Widerrufsbelehrung austeilen. Und sich in seinem Betrieb unterzeichnen lassen. Eine Unterschrift auf der Baustelle reicht – für den Gesetzgeber – nicht aus.

Auf dem Bau geht es immer um hohe Summen. Schill schildert einen Fall, bei dem ein Auftragnehmer für 80.000 Euro Abbrucharbeiten ausgeführt hat, für die gleiche Summe Sanierungsleistungen erbracht hat – und am Ende leer ausging. Es gebe durchaus Auftraggeber, die absichtlich so agieren. „Für Architekten, Fachplaner, Bauunternehmen und Handwerker kann die Missachtung der verbraucherschützenden Informationspflichten zum finanziellen Fiasko werden“, heißt es in einem EuGH-Urteil vom 17. Mai 2023.

Dass die gesetzlichen Regelungen weitab jeder Praxis sind – am Ende braucht jeder Handwerker ein eigenes Schreibbüro, das den ganzen Tag nur formvollendete Widerrufsbelehrungen fertigt –, wissen Schill und Wolber. Selbst Richter am Bundesgerichtshof würden das so einschätzen. Aber sie sind nun einmal so. „Wir können nur allen ausführenden Firmen raten, sich bei allen Verträgen beraten zu lassen.“ Damit es zu keinem finanziellen Fiasko kommt.

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