Stadt im Aufbruch: REGIOschönheit Müllheim im Porträt Freizeit | 01.04.2019 | Stella Schewe

Martinskirche Muellheim

Mitten im Markgräflerland, zwischen Freiburg, Mulhouse und Basel, liegt Müllheim. Es gilt als Weinhauptstadt und hat nicht nur eine schöne Innenstadt zu bieten, sondern auch ein reges Kulturleben.

„Lebendig, offen, im Aufbruch“ – wenn Kultur- und Tourismus-Dezernent Jan Merk über Müllheim spricht, spürt man sofort: Die Stadt liegt ihm am Herzen. Sein Arbeitsplatz, das Markgräfler Museum im Blankenhorn Palais, gehört zu den schönsten Gebäuden der Stadt und ist der perfekte Ausgangspunkt für eine Erkundung. Wer Müllheim und das Markgräflerland verstehen will, ist hier richtig – in den vergangenen Jahren hat sich das um 1800 im frühklassizistischen Stil errichtete Palais zum bedeutendsten Regionalmuseum zwischen Freiburg, Basel und Lörrach entwickelt.

Auf fünf Etagen – vom historischen Weinkeller bis hoch zum Dachspitz mit seinen alten Fachwerkbalken – führen ganz unterschiedliche Exponate in Geschichte, Kunst und Kultur der Stadt und Region ein: Weinfässer, Ausgrabungen, Möbel, Bilder, Bücher und Manuskripte lassen die Vergangenheit lebendig werden. Besonders sehenswert ist die aktuelle Sonderausstellung „Zeitenwende. Die 1920er Jahre in Müllheim“ – Teil einer grenzüberschreitenden Ausstellungsreihe über die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.

Markgräflermuseum

Das Markgräfler Museum hat seinen Sitz im Blankenhorn Palais, das einst ein Gasthaus beherbergte.

Müllheim ist mit von der Partie, denn, so Merk: „Hier hat sich damals viel verändert, und das ist bis heute spürbar.“ Binnen weniger Wochen musste die Garnisonsstadt nach Kriegsende entmilitarisiert werden. Ganze Viertel wurden plötzlich frei – für deutsche Rückkehrer aus dem Elsass, Polizei und Behörden. Auch Industriebetriebe siedelten sich erstmals an: etwa die „Stumpi“, die Zigarrenfabrik Vollmer, oder die Teigwarenfabrik Hermann, im Volksmund liebevoll „Nudeli“ genannt.

Wirtschaftlich stark

„Heute ist Müllheim der stärkste Wirtschaftsstandort im Landkreis“, sagt Bürgermeisterin Astrid Siemes-Knoblich. So ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in den vergangenen Jahren von 7000 auf 9000 gestiegen. Zulieferbetriebe für die Schweizer Pharmaindustrie haben sich ebenso angesiedelt wie sogenannte „Hidden Champions“ – Unternehmen wie der Stallantriebsbauer AUMA Riester oder Neoperl, die in ihren Märkten als heimliche Weltmarktführer gelten. Auch die Deutsch-Französische Brigade mit ihren 1700 Angehörigen ist ein wichtiger Arbeitgeber.

Entsprechend groß sei die Nachfrage nach Wohnungen und Bauplätzen, erzählt die Bürgermeisterin: „Das ist die große Aufgabe für uns in den kommenden Jahren.“ Mittels Nachverdichtung seien im Stadtgebiet in den vergangenen Jahren 500 neue Wohnungen geschaffen worden, hinzu kommen Neubaugebiete – hier allerdings seien die Möglichkeiten begrenzt, so Siemes-Knoblich. „Müllheim liegt überaus reizvoll. Wir sind von Landschafts- und Naturschutzgebieten umgeben und können uns daher nicht unbegrenzt in die Fläche strecken.“

Was den besonderen Reiz der Stadt ausmacht? Da muss Siemes-Knoblich nicht lange nachdenken: „Wir sind noch recht ländlich strukturiert, das zieht junge Familien an. Aber wir können trotzdem die Infrastruktur einer Stadt bieten.“ Sprich: Schulen und Kindergärten sind ebenso vorhanden wie ein Krankenhaus, Einzelhandelsgeschäfte und Bildungseinrichtungen wie die Volkshochschule. „Wir sind eines von nur 14 Mittelzentren in Deutschland, das tatsächlich alle Merkmale eines Mittelzentrums erfüllt“, freut sie sich. Hinzu komme, dass Müllheim genau in der Mitte dreier schöner Städte liege: Nach Freiburg, Lörrach und Mulhouse sind es jeweils nur 35 Minuten Fahrt.

Wichtiges Markenzeichen ist nach wie vor der Wein: Auf gut 500 Hektar Rebfläche werden überwiegend Gutedel- und Burgundertrauben angebaut. „Mit drei Winzergenossenschaften und sieben Weingütern sind wir die heimliche Weinhauptstadt der Region“, sagt Siemes Knoblich. Auch im Tourismus spiele der Wein eine zunehmend wichtige Rolle. Immer wieder stößt man in der Stadt auf den Namen Adolph Blankenhorn – Müllheimer Weinbaupionier und Önologie-Professor, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Reblaus den Kampf ansagte. Das kleine Insekt drohte damals, sämtliche europäische Rebsorten zu vernichten – Blankenhorns Lösung waren reblausresistente Wurzeln amerikanischer Reben, die auf die europäischen Rebstöcke aufgepfropft wurden.

Höhepunkte des Kulturjahres

Aushängeschild ist seit 1872 der jährlich stattfindende Weinmarkt, einer der ältesten der Region. Dabei können, dieses Mal am 26. April, rund 400 Weine und Sekte verkostet werden. Präsentiert werden diese nicht nach Betrieben, sondern nach Sorten, was einen direkten Vergleich ermöglicht. Auf den Weinmarkt folgen im Mai das bereits 18. Internationale Fest, im Juni das Stadtfest – getragen vom ehrenamtlichen Engagement der mehr als 250 Vereine – und im August die inzwischen überregional bekannte Museumsnacht unter dem Motto „Jazz – Wein – Kultur“. Auch aus Freiburg und Basel kommen Gäste, um im wunderschönen Hof des Blankenhorn Palais oder der Frick- Mühle ein Glas Wein, Kultur und Jazz zur blauen Stunde zu genießen. „Das kulturelle Leben Müllheims ist im Aufbruch“, bilanziert Kulturdezernent Merk. Auch das lasse sich zurückführen bis auf die 1920er-Jahre, in denen Kunst und Kultur einen Aufschwung erlebten. „Plötzlich gab es ein Kino und Metropolis war bei uns zu sehen!“

Frick-Muehle

Die historische Frick-Mühle dient heute als Mühlenmuseum.

Kulturhistorisch bedeutsam ist die Martinskirche, die auf den Mauerresten einer römischen Villa erbaut wurde. Seit 1881 wird sie nicht mehr als Kirche genutzt. Heute finden in dem ebenso schlichten wie schönen Raum mit seiner hervorragenden Akustik Konzerte statt. Sehenswert sind auch das Historische Amtshaus, heute Sitz der Tourist-Information, der Platz der ehemaligen Synagoge, wo ein Gedenkstein in Form eines siebenarmigen Leuchters an die jüdischen Mitbürger erinnert, und das umfangreich sanierte Alte Spital mit seiner Backsteinfassade; hier ist seit 2015 ein Hotel-Restaurant untergebracht.

Beim Spaziergang durchs Städtchen überquert man immer wieder mal den Klemm- und den Warmbach. An deren Ufern liegen die Mühlen, denen Müllheim seinen Namen verdankt: Als „villa mulinhaimo“, also Ort der Mühlen, wurde die Ansiedlung in einer Schenkungsurkunde des Klosters St. Gallen 758 erstmals erwähnt. Ein ausgeschilderter Mühlenweg führt unter anderem zur Frick-Mühle im beschaulichen Gerberviertel, die heute als Mühlenmuseum dient.

Immer wieder stößt man beim Stadtbummel auch auf Kunstwerke: Vor der Martinskirche etwa räkelt sich „Der Ruhende“ von Kurt Lehmann in der Sonne, im Blankenhorn-Park mit seinem Mammutbaum erinnert eine Blankenhorn-Büste von Thomas Egel an Müllheims berühmtesten Bürger, und vor der alten Sparkasse in der Werderstraße trifft man auf den steinernen Schweinehirten Sebastian, genannt „Saubäschi“, und seine Schweine.

Eine liebenswerte Stadt – und das soll sie auch bleiben, hofft Bürgermeisterin Siemes-Knoblich. Auch in 20 Jahren noch solle Müllheim eingebettet in die Landschaft sein. „Ich wünsche mir, dass wir behutsam vorgehen bei der Entwicklung. Nicht Wachstum um jeden Preis – die Lebensqualität muss auf jeden Fall bleiben.“

Fotos: © Müllheim Touristik, Stella Schewe, Stephan Malter

www.muellheim.de