„Das wirft einen emotional zurück“: cultur.zeit-Interview mit Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach Kultur | 05.01.2020 | cultur.zeit

Zum Interview mit Chefredakteur Lars Bargmann zündete Freiburgs Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach erst eine Kerze an und sprach dann über authentische Erlebnisse, Konzerte im Schwarzwaldstadion und mehr Videoüberwachung.

cultur.zeit: Herr von Kirchbach, das Stadtjubiläum beginnt im Januar mit einer World-Press-Ausstellung. Ist das kraftvoll genug, um die Stadtgesellschaft einzustimmen?
von Kirchbach: Der eigentliche Auftakt ist ein ungewöhnlicher Neujahrsempfang am 15. Januar, wo auch 900 Zufallsbürger eingeladen werden. Wir haben innerhalb eines Jahres mit dem jetzt vorliegenden Programm fast Wunderbares vollbracht, das Image zum Positiven gewendet, jeden Monat zwei Highlights, 220 Veranstaltungen, mit Projekten über 300. Es ist für alle was dabei.

cultur.zeit: Wie bewerten Sie den Erfolg der schleppend gestarteten 900×900-Euro-Aktion?
von Kirchbach: Ich bin zuversichtlich, dass wir die 810.000 Euro zusätzlich zusammenbekommen, die der Gemeinderat ja dann noch verdoppelt. Jetzt können wir schon mit 500.000 Euro kalkulieren und jeden Tag kommt mindestens eine Spende von 900 Euro bei uns an.

cultur.zeit: Was wird vom Stadtjubiläum bleiben?
von Kirchbach: Die Menschen werden mit großer Freude und Begeisterung ans Jubiläum denken, an den Mitt-
sommernachtstisch, die Illumination des Münsters, die Nacht der Narren, tolle Stadtteilprojekte. Die Lichtkunst „Freilicht“ hat Potenzial über 2020 hinaus.

cultur.zeit: Etwas Sichtbares?
von Kirchbach: Baulich nein, das hätte das Budget von drei Millionen Euro inklusive Personal gesprengt. Wir haben mit nicht üppigen Ressourcen ein Maximum rausgeholt.

cultur.zeit: Etwas Bleibendes wäre das seit Jahren diskutierte Musikhaus gewesen …
von Kirchbach: Wir reden nicht von einem Musikhaus, sondern von einem multifunktionalen Gebäude, das auch Raum für bürgerschaftliches Engagement, für die Jugend bieten soll. Und einen Bolzplatz auf dem Dach. Wir prüfen derzeit, ob wir dafür die Mittel aus dem städtebaulichen Vertrag mit der Aurelis einsetzen können. Qualität geht vor Schnelligkeit. Bisher war das Thema allein beim Kollegen Martin Haag (Baubürgermeister, d. Red.), jetzt sind wir als Kulturverwaltung mit eingestiegen. Wir haben ein bestimmtes Budget …

cultur.zeit: … das irgendwo bei fünf Millionen Euro liegen dürfte …
von Kirchbach: … so ungefähr. Es muss gut durchdacht werden, da kommt es auf ein paar Monate nicht an.

cultur.zeit: Etwas Bleibendes wäre auch das Haus der Demokratie, das Rotteckhaus gewesen, die Stadt wird das Gebäude kaufen. Zieht die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) nun mit ein?
von Kirchbach: Der Beirat hat empfohlen, den Arbeitstitel „Haus der Demokratie“ nicht mehr zu verwenden. Weil ja neben Information, Dokumentation, politischer Bildung und pädagogischer Arbeit auch ein Gedenkort entstehen soll. Das Land hat soeben grünes Licht signalisiert. Das ist sehr wichtig und freut mich.

cultur.zeit: Eröffnet wird’s erst 2021?
von Kirchbach: Ende 2021.

cultur.zeit: Schräg gegenüber steht das Stadttheater. Intendant Peter Carp hatte in seiner ersten Spielzeit nur 176.000 Zuschauer, in der zweiten nun 192.000. Wir bewerten Sie das?
von Kirchbach: Ich bin sehr zufrieden mit Peter Carp und der Kaufmännischen Direktorin Tessa Beecken. Die erste Spielzeit war nicht so erfolgreich, aber sie war zwei Wochen kürzer. Ich bin zuversichtlich, dass wir in dieser Spielzeit die 200.000 erreichen. Der Auftakt lief hervorragend, es gab gut besuchte Premieren, fulminante Kritiken…

cultur.zeit: Carps Vorgängerin Bar­bara Mundel hatte auch schon 220.000 geschafft …
von Kirchbach: Wir sind auf einem sehr guten Weg.

cultur.zeit: Mundels Vorgängerin Amélie Niermeyer mal 233.000 …
von Kirchbach: Ja, aber das kann man nicht vergleichen. Niermeyer war damals eine gefeierte Regisseurin, die erste junge Intendantin in Deutschland, und sie hat es sehr gut verstanden, sich in die Öffentlichkeit zu bringen. Dann hatten wir aber den Bruch durch die Sanierung der Bühnentechnik, den Umzug aufs Ganter-Areal, das kann man nur langsam wieder aufbauen.

cultur.zeit: Sie sehen kein generell geringeres Interesse am Theater durch Streamingdienste, Youtube und Co.?
von Kirchbach: Nein. Ich bin ja auch Vorsitzender vom Bühnenverein Baden-Württemberg, das ist so nicht zu beobachten. Das Live-Erlebnis kann dir keiner ersetzen. Ich glaube, dass das Theater an Bedeutung gewinnen wird.

Ulrich von Kirchbach

cultur.zeit: 2020 hätte auch das seit 2004 sanierte Augustinermuseum endlich fertig werden sollen. Das wäre zum 900-Jährigen …
von Kirchbach: … großartig gewesen, aber durch Pilz und Schwamm haben wir nun weitere Sanierungsarbeiten. So wird es leider erst Mitte 2022 fertig.

cultur.zeit: Ende des Jahres sollte das Schadenskataster fertig sein und ein Sanierungskonzept stehen.
von Kirchbach: Für den ersten Bauabschnitt steht es. Für den dritten kriegen wir es Mitte Januar.

cultur.zeit: Was kostet die Sanierung des ersten und wer zahlt’s?
von Kirchbach: Es wird 2,5 Millionen zusätzlich kosten. Wir schauen, wer schuld an den Wassereintritten war und setzen uns dann an einen Tisch.

cultur.zeit: Nach Dresden: Wie sicher ist das Augustinermuseum mit seinen wertvollen Kunstschätzen gegen Einbrüche?
von Kirchbach: Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn uns was Ähnliches passieren würde. Wir werden auf jeden Fall noch zusätzliche Videoüberwachung installieren.

cultur.zeit: Am Mundenhof hat ZMF-Chef Marc Oßwald nach sechsstelligen Verlusten in 2019 die Alarmglocken geschlagen. Er hätte gerne ein größeres Zelt, um größere Künstler zu holen. Was macht das Rathaus?
von Kirchbach: Ich hätte es vermutlich anders kommuniziert. Wir wollen dem ZMF aber helfen und werden dem Gemeinderat vorschlagen, im nächsten Doppel­haus­halt die Pacht zu halbieren, auf dann gut 23.000 Euro. Zudem hoffen wir, dass das Land seine Zuschüsse direkt an die ZMF GmbH und nicht an den Förderkreis zahlt, das brächte noch einmal rund 10.000 Euro, weil die Umsatzsteuer dann nicht anfallen würde.

cultur.zeit: Das Land hatte das bisher abgelehnt …
von Kirchbach: Ja, aber rechtlich steht dem nichts im Wege. Wir müssen abwarten.

cultur.zeit:Ein größeres Zelt …
von Kirchbach: … wird es nicht geben. Sonst müssten wir alles neu beantragen und das ist mit Risiken behaftet.

cultur.zeit: Wir hatten exklusiv berichtet, dass Sie für größere Konzerte das Schwarzwaldstadion ins Spiel gebracht haben. Welche Reaktionen gab es?
von Kirchbach: Das Sportreferat hat gemeint, ich würde mich jetzt auch in die Sportpolitik einmischen (lacht). Nun, es liegt doch nahe, dass man im Stadion auch mal drei, vier Konzerte machen kann. Da passen 24.000 Leute rein. Die Entfluchtung und der Brandschutz müssten lösbare Themen sein. Wenn die Tribünen rückgebaut würden, ist diese Idee allerdings kaum zu realisieren.

cultur.zeit: Kulturpolitische Highlights 2020?
von Kirchbach: Neben dem Stadtjubiläum ist der Kauf des ehemaligen Rotteckhauses mit dem NS-Dokuzentrum ein extrem wichtiges Projekt. Und dass wir 2020 den Bundeswettbewerb Jugend musiziert in Freiburg haben.

cultur.zeit: Worüber haben Sie sich 2019 geärgert?
von Kirchbach: Am meisten über die Verzögerung beim Augustinermuseum, das wirft einen auch emotional zurück. Dass dann noch ein Teil des Dachgesimses auf den Gehweg gefallen ist, ich bin gottfroh, dass niemand zu Schaden gekommen ist.

cultur.zeit: Das wären unschöne Weihnachten geworden. Wie feiern Sie?
von Kirchbach: Daheim, wir essen Fondue und gehen dann zu Freunden. Das Wichtigste ist, gemeinsam mit meiner Frau und den Kindern am Tisch zu sitzen. Und dass ich mal ein paar Tage frei habe.

cultur.zeit: Herr von Kirchbach, vielen Dank für dieses Gespräch.