Freiburger Buchhändler trotzen der Krise Kultur | 15.03.2023 | Franka Arens
Auch in Krisenzeiten gefragt: Lesestoff - manche Themen werden jetzt wichtiger.Der Krieg in der Ukraine erschüttert viele. Die Sehnsucht nach Sicherheit ist groß. Kann Literatur da helfen? Oder steckt sie zu sehr mit in der Krise? chilli-Autorin Franka Arens hat sich in Freiburg umgehört, mit dem Herder Verlag und der Buchhandlung Schwarz gesprochen. Sie ist auf Optimismus und einen Run gestoßen.
Solidarität bei den Preisen
Die Buchhandlung Schwarz an der Günterstalstraße verlangt bei Veranstaltungen keine festen Eintrittspreis mehr. Jede*r zahlt nur das, was ihm der Abend wert war. So sind die Events offen für alle. „Das Interessante ist ja, dass dadurch ein Solidaritätseffekt entstehen kann“, erzählt Inhaber Michael Schwarz (59). „Wenn jemand über bestimmte ökonomische Verhältnisse verfügt, legt er meinetwegen 20 Euro rein. Und eine Studierende, die ein kleines Budget hat, legt zwei Euro rein. Aber es ist okay, zusammen passt das wieder.“
Dabei erhöhen sich die Preise auch in der Buchbranche. Das beginnt schon bei der Herstellung. „Die Kosten haben sich deutlich gesteigert, was sich sowohl im Zeitschriften- als auch im Buchbereich niederschlägt“, berichten Philipp Lindinger (40) und Simon Biallowons (39). Sie führen die Geschäfte des Herder-Verlags.
Knifflige Lage
Michael Schwarz schätzt die Preissteigerung auf 10 bis 15 Prozent pro Buch. Und das innerhalb der vergangenen zwei Jahre. Allein der Papierpreis sei im ersten Halbjahr 2022 um 27 Prozent gewachsen. „Es gibt einfach nicht mehr so viele Papierhersteller“, erklärt er. Viele hätten von hochwertigem Buchpapier auf Versandkartonage umgestellt. „Auch viele Druckereien mussten in der Pandemie letztendlich schließen.“ Die Lieferengpässe aufgrund des Ukrainekriegs würden diese Tendenzen verschärfen.
Im Verlag bedeutet das: sparen und Titel reduzieren. Also noch genauer abzuwägen, welche Bücher sie veröffentlichen: „Es nützt nichts, wenn das Buch teuer ist, aber dann teuer im Regal liegen bleibt und uns zurückgeschickt wird, denn dieses Risiko tragen wir als Verlag“, sagt Simon Biallowons. Dabei setzten sie auf den Mehrwert, den Bücher darstellen. „Unsere Kunden können dort ein Zeichen setzen: dass ihnen die Bücher so wertvoll sind und so am Herz liegen wie uns“.
Zusammenhalt und Begeisterung
In der Buchhandlung von Michael Schwarz funktioniert das. Kund*innen lassen sich durch die höheren Preise nicht abschrecken: „Also wir haben das jetzt eigentlich wirklich nicht erlebt. Weil ich glaube, es ist da eher die Bereitschaft: Ist es mir das wert? Und das muss eben jeder entscheiden.“ Das gelte natürlich nur für Menschen, für die Bücher keine Luxusartikel darstellen.
Der ideelle Wert von Literatur gibt auch den Mitarbeitenden in Krisenzeiten Halt. „Ganz klar macht sich jede und jeder Gedanken, was die Zukunft bringt“, sagt Philipp Lindinger. Zentral sei aber „der grundsätzliche Zusammenhalt im Haus und die Begeisterung für das, was wir tun“. Michael Schwarz beschreibt es ähnlich: „Wir wissen ja alle, dass wir im Grunde prekäre Existenzen sind. Das ist halt einfach in der Branche so. Aber das löst sich ja bei uns allen von unserer Tätigkeit. Also: Wir müssen nicht lesen, wir wollen lesen.“
„Wir stoßen an“
Sie glauben an die Kraft der Literatur. „Wir können mit unseren Büchern und Artikeln Gesellschafts-Unterschiedsmacher sein“, sagt Biallowons. Auf politischer Ebene heißt das: „Wir positionieren uns nicht, wir bilden ab und stoßen an.“ Das spielt auch für Michael Schwarz eine Rolle. „Wenn Verlage zum Beispiel bekannt sind dafür, dass sie undemokratisch sind. Dann behalten wir uns auch vor, dass wir aus diesen Verlagen keine Bücher bestellen.“
Nicht nur die politische Dimension von Büchern zählt. Das Programm des Herder Verlags offenbart auch andere Bedürfnisse: „Besonders die Pädagogik hat einen echten Run erlebt, auch der Ratgeberbereich hat profitiert.“ Andererseits spüre er die Nachfrage und die Sehnsucht nach Titeln, die einen buchgeworden Escape-Room darstellen. Michael Schwarz bestätigt: „Ein Buch bietet ja auch immer eine Auseinandersetzung mit einer anderen Lebensperspektive an.“ Ukrainische und iranische Perspektiven seien derzeit besonders gefragt. „Und unsere Aufgabe ist es, das halt auch zu vermitteln“, betont Schwarz. Man müsse einfach einen Mehrwert anbieten. Damit das ein lebendiger Ort werde. „Ich denke, dass das auch in Zukunft sehr wichtig ist, so Orte anzubieten.“
„Mehr als krisenerprobt“
Mit minus drei Prozent lag der Umsatz des Buchmarkts in den ersten sechs Monaten 2022 hinter dem eines normalen Jahres („Mh2019), so der Börsenverein des deutschen Buchhandels. „Wie sich jetzt Energiekrise und Inflation wirklich auf den Buchmarkt auswirken, ich glaube, das ist einfach auch noch zu früh“, sagt Michael Schwarz. Es dauere ja immer, bis sich tatsächlich solche Auswirkungen zeigen.
Trotzdem herrscht Optimismus in der Branche. „Wir sind ja inzwischen mehr als krisenerprobt“, so Biallowons. Ihre Aufgabe haben sie dabei fest im Blick: „Wir bieten neben Orientierung und Wissen auch ein Stück Halt und Gewissheit – gerade in schweren Zeiten“. Vielleicht ist es ja genau die literarische Wärme, die Solidarität untereinander und Verständnis füreinander auslösen kann. Etwas, das in Krisen dringend nötig ist.
Fotos: © pixabay & Herder Verlag
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