Heimspiel: Der Mann am Klavier Kultur | 24.11.2021 | Erika Weisser

Günter A. Buchwald erhält den baden-württembergischen Ehrenfilmpreis 2021. Der 69-jährige Freiburger Musiker hat sich in über 40 Jahren auf internationaler Ebene einen Namen als Pianist, Dirigent und Komponist für Stummfilmmusik gemacht. In Freiburg ist er durch seine Auftritte im Kommunalen Kino bekannt – beim monatlichen Stummfilm mit ­Musikbegleitung. Einmal im Jahr gibt er auch Stummfilmkonzerte im Theater, als Dirigent des Philharmonischen Orchesters. Das nächste Mal im kommenden Februar, mit Charlie Chaplins „Modern Times“.

„Als ich 1978 zum ersten Mal spielte, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, einmal auf den großen und kleinen Bühnen der Welt aufzutreten. Ich war damals Schulmusikstudent und hatte vor, später Musik und Geschichte zu unterrichten. Das tat ich auch, von 1982 bis 1995. Dafür, dass ich nicht länger als Lehrer tätig war, ist eigentlich das Kommunale Kino verantwortlich. Oder besser: Die damalige weltweite Bewegung der nichtkommerziellen Kinos. Die hatten es sich ab Mitte der 1970er-Jahre zur Aufgabe gemacht, das filmhistorische Erbe und Material zu sichern, das damals auseinanderzufallen begann. Zu diesem Erbe gehörte natürlich auch der Stummfilm.

Die Leute vom Kommunalen Kino wollten dieses Genre wiederbeleben und suchten einen Pianisten, der in der Lage war, im Angesicht eines Films Musikstücke zu improvisieren. In diesem Fall zum Stummfilm „Der Glöckner von Notre Dame“, den Carl Laemmle 1923 produziert hatte. Sie fragten den späteren AWO-Geschäftsführer Jack Huttmann, der damals im Rattenspiegel Klavier spielte. Er wollte das nicht alleine machen, doch er kannte jemanden, der mich kannte. Und der fragte mich, ob ich an der Musikhochschule jemanden kenne, der das kann. Mir fiel aber keiner ein. Außerdem reizte mich diese Aufgabe, obwohl ich Geiger war und kein Pianist. Wir spielten also zu zweit. Jack sagte gleich danach, dass das nichts für ihn sei. Ich aber hatte Blut geleckt und gemerkt, dass es genau das war, was ich machen wollte. Und so hat es halt angefangen.

1981 zog das KoKi in den Alten Wiehrebahnhof, seither gab es dort das monatliche Programm. Ich spielte bei der Eröffnung – und wurde gleich vom Fleck weg vom Geschäftsführer der Basler Kinematek „Le Bon Film“ engagiert. Auch dort spielte ich regelmäßig und knüpfte über diese Kinos immer mehr Kontakte, die mich schließlich zur Berlinale führten. Und dann zu Auftritten bei anderen großen internationalen Festivals, etwa zu den Giornate del Cinema Muto in Pordenone, wo sich regelmäßig Stummfilmmusiker der ganzen Welt treffen.

Wegen eines größeren Kompositionsauftrags in Japan ließ ich mich von der Schule beurlauben. Da jedoch immer neue Aufgaben folgten, bin ich nie mehr dorthin zurückgekehrt. Ich habe es nicht bereut, denn die Musik für Stummfilme öffnete mir ganz neue Welten, ermöglichte mir Begegnungen, die zu meinen größten persönlichen Schätzen zählen – etwa die Freundschaft zu Giora Feidman, dessen Dirigent ich wurde, oder zum Pink-Panther-Zeichner Richard Williams, der als Trompeter lange Zeit in meiner Band mitspielte.

Foto: © Klaus Polkowski