Kein Salz in der Schatzkammer: Was im Augustinermuseum gerade gewerkelt wird Kultur | 11.03.2021 | Erika Weisser

Pilzbefall: Auch im Gebälk des Dachstuhls des Kirchenschiffs saß der Porenschwamm. Der ist nun eingedämmt, die Luft entfeuchtet, die befallenen Holzteile ausgetauscht – und bald sieht die Gemäldegalerie wieder aus wie vor der Sanierung.

Auf der derzeit wohl größten Baustelle in Freiburgs Innenstadt, am Augustinermuseum, scheint Stillstand zu herrschen: Große weiße Planen, die entfernt an die Werke des Verhüllungskünstlers Christo erinnern, dichten die Gerüste an den zu sanierenden Gebäuden hermetisch gegen unbefugte Blicke ab. Keine Bewegung ist dahinter auszumachen, kein Laut dringt ins Freie.Der riesige, im abgesperrten Bereich des angrenzenden Spielplatzes aufgebaute Kran ragt gelb und schweigend in den strahlend blauen Winterhimmel. Das Tor mit der Aufschrift „Vorsicht Baustellenzufahrt“ ist fest verschlossen, die schmale Tür zu dem von Bauzäunen abgeschirmten Gelände ebenso.

Der Schein trügt: Hinter der Verhüllung, erzählt Andrea Katzer-Hug, Leiterin des Gebäudemanagements Freiburg (GMF), schreitet die im Jahr 2006 begonnene Sanierung des aus dem 13. und 14 Jahrhundert stammenden Gebäudekomplexes „in allen Bereichen voran“. Wenn auch langsam. Und mit Rückschlägen: So wurde Ende 2018 im tragenden Gebälk des bereits 2010 fertig sanierten und wiedereröffneten ehemaligen Kirchenschiffs an der Salzstraße der holzzersetzende Weiße Porenschwamm lokalisiert. Der wurde durch das über Mauerrisse und schadhafte Stellen am Dach einsickernde Wasser „gefüttert“ und breitete sich munter aus. Bald darauf löste sich außerdem ein Stück von dem Fassadengesims an der Salzstraße und fiel auf den Gehweg, wo zum Glück niemand unterwegs war.

Augustiner Museum Baustelle

Hinter der Verhüllung und dem künstlerisch gestalteten Bauzaun wird gewerkelt.

Auch der 2016 abgeschlossene zweite Bauabschnitt wies nach der Fertigstellung einen Pilzbefall auf, der Nachbesserungen nötig machte: Anfang 2019 wurde an der Dachfläche des Gebäudeteils, in dem der Museumsshop und das Haus der Grafischen Sammlung untergebracht sind, der Echte Hausschwamm entdeckt. Dieser war schon zwei Jahre zuvor während der bereits angelaufenen Sanierungsarbeiten im ehemaligen Konventgebäude, dem dritten Bauabschnitt, gefunden worden. Auch hier hatte Regenwasser von außen und Kondenswasser von innen die Ausbreitung des Pilzes befördert.

Schatzkammer Augustiner Museum

In der ­künftigen Schatzkammer für kostbare Exponate ist das Salz inzwischen aus den Wänden entfernt.

„Aktuell“, sagt Katzer-Hug, stecke man „mitten in den Sanierungsarbeiten im Kirchenschiff, dem ursprünglichen ersten Bauabschnitt“. Die vom Pilz befallenen Original-Holzteile werden entfernt und gegen neues Holz ausgetauscht, das Fassadengesims werde im Lauf des Sommers durch ein neues ersetzt, erst im Herbst seien die Arbeiten fertig. Das gelte auch für die Dächer des zweiten Bauabschnitts, die komplett abgebaut werden mussten. Dort, oberhalb des Feierling-Biergartens, werden gerade die letzten Dächer aufgebaut, wobei die alten „leider nicht gerettet werden konnten“.

Augustiner Baustelle

Am Bauzaun ist der vom Himmel fallende Phaeton als Graffito zu bewundern, während der im Haus der Graphischen Sammlung ausgestellte Original-Holzschnitt von Hendrick Goltzius unter Verschluss ist.

Parallel dazu ist auch die wegen der konstatierten Mängel verzögerte Sanierung am Konventgebäude angelaufen. „Mit Hochdruck“, erläutert die GMF-Leiterin, arbeite man derzeit an der Fassade; der alte Putz werde gerade entfernt, damit im Frühjahr, „sobald es die Temperaturen zulassen“, ein neuer aufgebracht werden könne. Dieser werde nicht nur die inzwischen akribisch geschlossenen Risse und Spalten im historischen Mauerwerk abdecken, sondern verhindere durch seine besondere Beschaffenheit, dass wieder Wasser an die Konstruktion gelangt.

Aussenbild Baumassnahme Luftbild

Sie rechnet damit, dass Ende des Jahres, nach der Fertigstellung von Dächern und Fassaden, große Teile des Gerüsts entfernt werden können: „Dies wird ein wichtiger Schritt sein, damit man wahrnehmen kann, dass es hier tatsächlich vorangeht.“ Vieles werde aber auch danach zunächst unsichtbar bleiben. Etwa die Sanierungsarbeiten im Innenraum, zu denen auch die ebenfalls ursprünglich nicht vorhersehbare Entsalzung der Wände der zukünftigen Schatzkammer gehört, in der ganz besondere und ganz besonders kostbare Exponate zu sehen sein werden. Diese Maßnahme habe „sogar besser geklappt, als wir erwartet hatten“, sodass der Ausbau dieser Räume demnächst „in Angriff genommen“ wird.

Augustinermuseum Lageplan

Die vielen Überraschungen und Unwägbarkeiten, die eine komplexe und sensible Sanierung historischer Bausubstanz „immer mit sich bringt“, hat zu erheblich höheren Kosten geführt: Waren vor Beginn der Bauarbeiten vor 16 Jahren noch knapp 50 Millionen Euro angesetzt, so werden es nun, nach verschiedenen Nachbudgetierungen und den für die Pilzeindämmung errechneten Zusatzkosten, mehr als 85 Millionen Euro werden. Zu diesen höheren Kosten, sagt der für die Museen zuständige Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach, habe nicht zuletzt auch der Zeitverzug geführt. Dass dieser sich nicht auf das bevorstehende Jubiläum des Augustinermuseums auswirkt, hofft Tilmann von Stockhausen, der Leiter der Städtischen Museen: Im November 2023 wird es 100 Jahre alt. Nach Plan soll bis dahin alles fertig sein. Drei Jahre nach der erhofften Eröffnung im Jahr, in dem die Stadt Freiburg ihr 900-jähriges Bestehen feierte. Oder feiern wollte. 

Fotos: © Städtische Museen, Erika Weisser, GMF