Keine blühenden Jahre – Ausstellung zur NS-Zwangsarbeit in Furtwangen Kultur | 19.04.2024 | Erika Weisser

Informative Tafeln und eindrückliche Fotos dokumentieren die NS-Zwangsarbeit in Furtwangen.

Bis 28. April gibt es im Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen eine Ausstellung, die Licht in ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte bringt. Neun Tafeln informieren über junge Frauen, die ab 1942 aus der Ukraine zur Zwangsarbeit in den Schwarzwald verschleppt wurden.

Das kleine Schwarz-Weiß-Foto zeigt zwei ganz junge Frauen, die zwar versuchen, in die Kamera zu lächeln, denen jedoch anzusehen ist, dass sie „gemeinsam Not gelitten haben“. Hanna Kowalenko und Maria Odynyzja sind ihre Namen – und das Foto ist ein Geschenk von Marusja an Halja, wie sie sich untereinander nennen. Auf seiner Rückseite ist zu lesen: „Zur Erinnerung schenke ich es dir, Halja, wie die Sterne am Himmel, damit du weißt, wo die blühenden Jahre vergangen sind.“

Halja und Marusja: zwei von etwa 13 Millionen Frauen und Männern, die nicht frei erblühen konnten, sondern unter Entrechtung, Ausbeutung und Gewalt frühzeitig verwelkten. Sie gehörten zu einer der größten und dennoch bis heute wenig beachteten Opfergruppe des NS-Regimes: den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die seit dem Kriegsbeginn im September 1939 in 26 Ländern rekrutiert wurden – größtenteils in Osteuropa. Allein zwei Millionen „Ostarbeiter“ kamen aus der Ukraine. Auch nach Furtwangen: 400 Menschen aus der Ukraine wurden im Sommer 1943 hier registriert, vorwiegend junge Frauen, die in einem von der Badischen Uhrenfabrik (Baduf) eigens errichteten, aus drei Holzbaracken für je 80 Bewohner bestehenden Lager wohnten. Ohne jeden Schutz, fast ohne Verdienst und mit kaum ausreichender Verpflegung mussten sie in diesem auf kriegsrelevante Feinmechanik umgestellten Betrieb arbeiten – oder anderen Firmen, die auf Elek­trotechnik oder Metallver­arbeitung spezialisiert waren. 

Altes schwarzweiß Foto einer Gruppe Frauen

Hanna Kowalenko – von anderen Leidensgenossinnen auch liebevoll Halotschka genannt – ist die Schlüsselfigur für diese Ausstellung, die von der staatlich unabhängigen ukrainischen Organisation „After Silence“ initiiert, von der Heinrich-Böll-Stiftung wissenschaftlich begleitet und von der Rosa-Luxemburg-Stiftung ­finanziell unterstützt wird. Kowalenko kam gleich mit dem ersten Transport aus der im Juni 1942 von der Wehrmacht überfallenen Ukraine nach Furtwangen. Da war sie gerade 15 Jahre alt. Drei Jahre arbeitete sie in der Produktion für den Krieg, den die Nazis in ihrem Land führten. Dass sie in dieser Situation nicht ihren Lebensmut verlor, hat sie sicher auch der Freundschaft der vielen anderen zu verdanken, die ihr Schicksal teilten: Nicht ohne Grund wird die Frau, die 1946 nach Hause zurückkehrte, die Fotos und kleinen Botschaften der Gefährtinnen bis zu ihrem Tod im Jahr 2003 so sorgfältig aufbewahrt haben. 

Ihr Nachlass bildet nun den Kern der Sonderausstellung. 2022 erwarb „After Silence“ die Sammlung, 2023 wandte sich ihr Leiter Andrii Usach an das Deutsche Uhrenmuseum, wo er beim stellvertretenden Museumsleiter Johannes Graf gleich auf großes Interesse stieß: Mit dieser Präsen­tation werde dieses in der Dauerausstellung mangels Dokumenten nur peripher behandelte „wichtige historische Thema nun ins Bewusstsein der Furtwanger Öffentlichkeit gebracht“. 

Info

„Wo die besten Jahre vergangen sind“
Bis 28. April 2024, mit Rahmenprogramm
Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen
www.deutsches-uhrenmuseum.de

Fotos: © ewei, Uhrenmuseum Furtwangen