Mit Herz, Geist und Mut Das Orchester „Con anima Freiburg“ Kultur | 29.06.2019 | Stella Schewe

Orchester Con-anima

In einem Orchester mitspielen, ohne Noten lesen zu können? Dass das möglich ist, zeigt das interkulturelle Orchester „Con anima“ aus Freiburg, in dem junge Erwachsene mit und ohne Migrationshintergrund gemeinsam Musik machen.

„Jambambambambam“, singt Carola Christ und klatscht den Takt mit Blick auf die Bässe. „Fühlt euch wie ein dicker König, der zu viel gegessen hat. Das darf ruhig ein bisschen träge sein. Und ihr anderen, ihr schließt die Augen und hört zu.“ Gesagt, getan. Der Rest des Orchesters steht mit geschlossenen Augen und lauscht, während die Celli und Kontrabässe ihren Part aus dem Rondo des „Te deum“ von Marc-Antoine Charpentier spielen, bekannt als Eurovisionsmelodie.

Beim nächsten Stück, einer Merengue, fordert die Orchesterleiterin dazu auf, während des Spiels im Raum herumzugehen, sich gegenseitig anzuschauen: „Hej, hej“, die Bögen der Streicher schwingen durch die Luft. „Das ist Merengue, mit Rhythmus im Blut … Ein bisschen tanzen tut jedem gut“, singen alle. „Es ist nicht schlimm, wenn ihr Fehler macht,“ ruft Christ, „aber bewegt euch!“

Das Orchester ist bunt gemischt: Geflüchtete sind dabei, Menschen mit Migrationshintergrund, aus Ländern wie Indien, Peru oder Syrien, insgesamt 25 an der Zahl, hinzu kommen ebenso viele Studierende der Musikhochschule Freiburg. Sie spielen Querflöte, Trompete, Posaune, Streichinstrumente, Percussion und Tenorsaxofon. Aktuell proben sie für zwei bevorstehende Konzerte, bei denen sie gemeinsam, Pult an Pult, auftreten werden: mit Liedern aus ihren Heimatländern, klassischen Stücken und Filmmusik.

Con Anima Orchester

Bunt gemischt und mit Spaß bei der Sache: die Musiker des Orchesters „Con anima“.

Normalerweise trifft sich das Orchesteer „Con anima“ zweimal die Woche in einem Freiburger Flüchtlingswohnheim. Manche Musiker konnten bei ihrer ersten Probe weder ein Instrument spielen noch Noten lesen. Hörten erst mal zu, suchten sich dann ein Instrument aus und bekamen eine Einweisung. „Klar ist das manchmal ein Spagat“, erzählt Christ, „aber wenn sie am Ende der Stunde dann ein, zwei Töne spielen können, sehen sie: Man kann auch mit einem Ton mitmachen und seinen Senf dazugeben.“

Perfektion ist ihr nicht wichtig. „Wir wollen keine Profimusiker aus den Leuten machen, sondern Menschen zusammenbringen. Und sie dazu ermuntern, aus sich rauszugehen.“ Die, die schon länger mit dabei sind, üben mit denen, die neu dazukommen. „Wenn du nur einen Ton mehr kannst als dein Nachbar, kannst du schon etwas weitergeben – das ist eine schöne Erfahrung“, sagt die 25-Jährige, die an der Musikhochschule Schulmusik „in den letzten Zügen“ studiert.

Aufregend und magisch

Die Jüngsten im Orchester sind die elfjährige Cicek Tonc und ihr zehnjähriger Bruder, deren Eltern vor 15 Jahren aus der Region Kurdistan nach Deutschland kamen. „Ich freue mich immer richtig auf die Proben“, erzählt die kleine Querflötistin mit leuchtenden Augen, „darauf, mit anderen musizieren zu können.“ Auch Badreesh M. Rao aus Indien schätzt das Zusammenspiel. Das Geigespielen hat er sich mit Youtube-Videos weitgehend selbst beigebracht. Heute ist er Erster Geiger und damit Konzertmeister. „Ich hätte nie erwartet, dass es so weit kommen würde“, erzählt der 26-Jährige, der zum Masterstudium in Freiburg ist. „Ich bin immer aufgeregt, wenn ich mit anderen musizieren kann. Das ist für mich eine magische Erfahrung.“

„Hier können Menschen ein Instrument lernen, die sonst nicht die Möglichkeit dazu haben“, sagt Christ. „Ein Musikinstrument zu spielen, soll kein kein Elite-Ding sein.“ Die meisten Instrumente wurden gespendet, unterstützt wird das Konzertprojekt außerdem vom Innovationsfonds des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

Der Name „Con anima“ ist eigentlich eine musikalische Spielanweisung, bedeutet „mit Seele, mit Empfindung“ zu spielen, im weiteren Sinne mit „Herz, Geist und Mut“. „Wir haben Menschen dabei, die psychische Probleme haben“, erzählt die Orchesterleiterin. „Sich aufraffen und zur Probe gehen, macht da schon was aus. Oder Leute, die zwar ein Instrument spielen, sich aber nie in ein Orchester trauen würden und dann sehen: Mensch, das geht ja doch.“ Wie Amparo Diaz Ona aus Peru, die zwar schon lange Geige spielt, doch bislang immer alleine. „Hier teilen wir alle die Liebe zur Musik“, sagt die 23-Jährige, die als Au-pair in Freiburg arbeitet. „Wenn ich von den Proben nach Hause komme, bin ich einfach nur glücklich.“

Info

Side-by-side-Konzerte des Orchesters
„Con anima Feiburg“
Freitag, 5. Juli, 19.30 Uhr, Volkshochschule Freiburg im Schwarzen Kloster
Samstag, 6. Juli, 17 Uhr, Hochschule für Musik Freiburg

Foto: © Orchester Con anima,  ste