900 Jahre Freiburger Stadtgeschichte für Kinder Kinderprojekte | 13.12.2020 | Erika Weisser

Wiwilí Brücke Freiburg

Im Jahr 1120 verlieh Konrad I. von Zähringen der kleinen Siedlung unter dem „Castrum de Friburch“ das Stadt-und Marktrecht; es gilt seither als Gründungsjahr Freiburgs. 2020 wird Freiburg 900 Jahr jung – das sollte groß gefeiert werden. Coronabedingt fielen einige Veranstaltungen aus, viele weitere sind in das Jahr 2021 verschoben. Nicht betroffen davon ist ein vom Verein Kinderstadt Freiburg herausgegebenes Buch: Die Freiburger Stadtgeschichte für Kinder ist frisch erschienen.

Kurzweilig und dennoch höchst informativ wird darin der 900-jährige Werdegang Freiburgs nachgezeichnet: Von der kleinen Siedlung am Fuß des „Castrum de Friburch“, wo im Bereich der heutigen südlichen Altstadt und Oberlinden Dienstleute und Handwerker der Herzogsfamilie siedelten, bis in die ­Gegenwart der „Green City“: spannend be­- schrieben, anschaulich bebildert und liebevoll illustriert – auf 164 Seiten. Mit dem lehrreichen Buch können neun- bis zwölfjährige Schüler und Schülerinnen und natürlich auch Eltern, Großeltern und Lehrkräfte eine Reise in die Vergangenheit unternehmen. Dabei erfahren sie, wie Freiburg zu der Stadt wurde, die sie heute ist – und unter welchen Bedingungen die Menschen in den verschiedenen Zeitepochen lebten. Außerdem lädt ein Rätselteil zum Knobeln ein.

Zeitreisen mit „Bobbelino“
Begleitet werden die Zeitreise-Geschichten von „Bobbelino“, dem Protagonisten des Buches. Die pfiffig-freundliche Comic-Figur mit Bollen-Cap, Tarnbrille, Strohfinken und knallrotem Superheld*innen-Anzug mit dem Stadtwappen auf der Brust, symbolisiert eine fiktive Heimatfigur. Der Clou: Im Stadtwappen befindet sich eine Zeitmaschine, mit der Bobbelino in die verschiedenen Epochen reisen kann. Lebendig und leicht verständlich werden Geschichten aus der Geschichte erzählt. Bobbelino kennt sich aus mit Bächle und Wasserspeiern und weiß, warum sie gebaut wurden. Er erklärt, warum die Bevölkerung Freiburgs in den ersten 700 Jahren nur langsam wuchs – und warum die Stadt heute aus allen Nähten platzt.

Erpel im Freiburger Stadtgarten

Zu Beginn des Nachschlagewerkes wird der Leser anhand einer übersichtlich gestalteten Zeitleiste durch die wichtigsten Etappen und Ereignisse der vergangenen 900 Jahre navigiert und zum Weiterlesen und -forschen motiviert. Denn dafür bietet das Buch jede Menge Lesestoff: Die historischen Fakten und Auswirkungen, die bestimmte Ereignisse wie Kriege, Missernten oder Krankheiten auf die Gesellschaft hatten, sind kindgerecht aufbereitet. Es geht aber auch um Persönlichkeiten, die einen wichtigen Anteil an entscheidenden Entwicklungen des Stadtlebens hatten oder die auch über Freiburg hinaus Bedeutung erlangten.  Wie zum Beispiel der Freiburger Kartograph Martin Waldseemüller: Er lebte zurückgezogen und kam nicht in der Welt herum, schaffte es aber trotzdem im Jahr 1507, die erste Weltkarte zu zeichnen, auf der die Erde in ihrer Kugelgestalt dargestellt ist, worauf ein neuer Kontinent mit dem Namen „America“ verzeichnet ist.

Lebendige Einblicke in die Vergangenheit
Einblicke in die Vergangenheit versprechen auch die Texte, die sich mit den historischen Lebenswelten von Kindern beschäftigen. Bei der Frage etwa, wie sich Kinder früher die Zeit vertrieben und welche Spiele sie spielten, werden die Leser und Leserinnen schnell feststellen, dass es früher für viele Kinder keine Freizeit im heutigen Sinne gab. Gerade Kinder von Bauern, einfachen Handwerkern, Bediens­teten und Tagelöhnern, später dann die Arbeiterkinder, hatten nicht nur wenig Zeit, sondern auch so gut wie keine Gelegenheit zum Spielen. Sie mussten daheim und auf den Feldern mitarbeiten oder früh außerhalb des Elternhauses eine Arbeit suchen, damit die Familien über die Runden kamen. Wie sich das Spielen und das Spielzeug von Würfeln und Murmeln bis hin zur Playstation und Cybergames entwickelt hat, wird in kurzen Texten und schön bebildert nachvollziehbar.

3D Modell Museum für Stadtgeschichte

Knobeln mit Bobbelino
In einem extra Rätselteil lädt Bobbelino zum Knobeln ein. Da können die Leser und Leserinnen frisch erworbenes Wissen nachprüfen. Alles ganz spielerisch und kinderleicht. Wer mag, kann auf dem Weg zur Lösung einen Blick ins Register am Ende des Buches werfen: Alphabetisch sortiert sind hier alle Ereignisse und Orte sowie Namen von Persönlichkeiten zur leichteren Orientierung aufgelistet. Und von hier aus lässt es sich schnell und zielgerichtet im Wissensteil nachblättern und -lesen. So macht das Knobeln richtig Spaß.

Gemeinsam schmökern
Auch für die Erwachsenen – für Eltern, Großeltern, Lehrer und Lehrerinnen – kann die Lektüre eine erste Fundgrube für stadthistorisches Wissen sein, wenn sie gemeinsam mit ihren Kindern schmökern. Dabei lässt sich Erstaunliches erfahren: warum eine 14-Jährige in einer gläsernen Kutsche die Freiburger in Aufruhr versetzte, als nämlich die spätere Königin von Frankreich, Marie-Antoinette, im Mai 1770 auf ihrem Hochzeitszug von Wien nach Paris samt Gefolge in Freiburg Halt machte. Spannend auch die Geschichte, wie der Fußball nach Freiburg kam, was der FC Bayern München mit dem Möslestadion zu tun hat oder welche Revolutionen und Aufstände in Freiburg ihre Spuren hinterlassen haben. Aber auch die Veränderungen sind Thema, die sich in der Stadt nach der Verabschiedung des Übereinkommens über die Rechte der Kinder im Jahr 1989 ergaben, wann die ersten Spielstraßen entstanden und die ersten Abenteuerspielplätze, seit wann es einen Stadtplan für Kinder gibt und ein Kinderbüro, das sich für die Rechte von Kindern einsetzt.

Wasserschlössle Freiburg

Das Buch erinnert ­indessen nicht nur an Glanz­punkte der Stadtgeschichte, es beleuchtet auch die ganz dunklen Seiten, thematisiert etwa die Judenverfolgungen, die es schon vor der Nazizeit gab. Dabei werden auch Menschen vorgestellt, die auf verschiedene Weise Widerstand gegen das NS-Regime und den von ihm angezettelten Zweiten Weltkrieg leisteten, in dem auch Freiburg bombardiert wurde.

Spuren der Geschichte in der Gegenwart entdecken
Dem Team des gemeinnützigen Vereins Kinderstadt Freiburg ist es gelungen, eine umfangreiche, spannende und zeitintensive Projektarbeit im Rahmen des Freiburger Stadtjubiläums fertigzustellen, die Kinder zum Lesen und Nachdenken anregt und die Neugier auf die vielfältigen Zusammenhänge von Geschichte und Gegenwart weckt.

Fotos: ©  Martin Durban, H.-J. van Akkeren nach Vorlage des LAD, Martin Durban