Geologie der Sintfluten: Fondation François Schneider zeigt Werke von Abdelkader Benchamma Veranstaltungstipp | 26.05.2023 | Erika Weisser

Morane Remaud

„Lignes de rivage“ – Uferlinien (oder spuren) nennt Abdelkader Benchamma seine Installation, die eine der drei Ausstellungsebenen des im Elsässischen Wattwiller gelegenen Kunstzentrums Fondation François Schneider in ihrer Gesamtheit einnimmt. Das Werk ist in situ entstanden – „in zehn Tagen intensiver Abeit“, wie der 47-jährige Künstler sagt. Es umfasst eine große, mit China-Tinte in dunkeln Farbtönen angefertigte  Wandmalerei und mehrere Tafeln mit Zeichnungen, die nicht Strömendes Wasser darstellen, sondern die auch so aufgestellt sind, dass sie wir Inseln wirken und den lichten und hohen Hauptsaal der Fondation in eine zugleich poetisch und kraftvoll anmutende Landschaft verwandeln.

Teile der Ausstellung

Diese „Überbleibsel verschwundener und versunkener Welten“, die aus mysteriösen Hügeln und Gipfeln bestehen, „die aus einem unterirdischen Universum an die Oberfläche aufsteigen“ sind zentraler Teil der im Mai eröffneten und speziell für diesen Raum konzipierte Ausstellung „Géologie des Déluges“, die bis zum 24. September in der am Fuß des Grand Ballon des Vosges gelegenen Fondation François Schneider zu sehen ist. Seit 2013 sind in diesem in der ehemaligen Flaschenfüllanlage der Mineralwasserfirma „Les Grandes Sources de Wattwiller“ eingerichteten Zentrum für zeitgenössische Kunst regelmäßig Ausstellungen zu, die im weitesten Sinn mit dem Thema Wasser zu tun haben. 

So auch die von Benchamma, der in Montpellier und Paris arbeitet und der sich schon lange mit diesem Sujet beschäftigt und daraus seine eigenen Bilder entwickelt. Nicht nur bei den „Lignes de Rivage“, in denen „reale oder geträumte Sintfluten ihre Spuren hinterlassen haben“. Im Himmel, auf und unter der Erde, sagt er, befinde sich Wasser. Und es nähre seit jeher die Gründungsmythen der Zivilisationen und großen Religionen, an deren Beginn oft eine Sintflut stehe.

Lennui-des-dieux

Seit 20 Jahren durchforstet der Künstler die Ursprünge dieses Universums in seinen morphologischen und symbolischen Komponenten. Und fand die Quellen für seine These, dass viele Gesellschaften „um die Idee einer Wasserkatastrophe herum aufgebaut“ sind: Im Koran, in der Bibel, in den Texten der iranischen Zoroastrier, in den indischen und chinesischen Erzählungen finde und wiederhol sich der „diluviale Mythos“ , wobei sich eine strafende Vision für Fehlverhalten mit der Verheißung auf und dem Aufbruch in ein neues Zeitalter ergänzt. Demnach, sagt er, habe es nicht nur eine Sintflut  – als aus der Tiefe kommender Wasseranstieg und/oder Regen aus „geöffneten Himmelsschleusen“ gegeben. Wobei die Sintfluten nicht nur geologische, sondern auch menschliche Epen seien, die man in Asien, Mesopotamien Indien und Südamerika gleichermaßen finde. 

Die Bilder, die auf verschiedenen Ebenen – und über verschiedene Medien präsentiert werden, faszinieren und erschüttern die Betrachter:innen gleichermaßen. Sie führen in unendliche Wasserfälle, in sprudelnde Geysire, in Feuerwerke und höllisch anmutende Abgründe – in einen Zustand zwischen zwei Welten.

Info

Fondation François Schneider
Wattwiller
bis zum 24.09.2023
fondationfrancoisschneider.org

Fotos: © Fondation François Schneider