Die Wiege des Weihnachtsbaums: Der Christbaum ist ein Kind unserer Region Winter-Special | 11.12.2018 | Reinhold Wagner
Historiker sind sich sicher, dass typische Bestandteile heutigen Brauchtums rund um die Weihnachtszeit schon in vorchristlicher Zeit entstanden sind.
Da immergrüne Pflanzen auch den Winter über ihre Nadeln oder Blätter nicht verlieren, gelten sie seit langem als Zeichen für ungebrochene Lebenskraft und geben Hoffnung auf eine Wiederkehr des Frühlings. Verständlich, dass da Nadelbäume wie Tannen und Fichten, aber auch Misteln, Efeu und Stechpalmen prädestiniert waren, zu Symbolen der Geburt und des Neuanfangs zu werden.
Problematischer wird es, wenn es darum geht, schriftliche Zeugnisse und „Beweise“ zu finden, die bis in die heutige Zeit erhalten blieben. In einer Quelle aus dem 16. Jahrhundert heißt es, dass schon um das Jahr 1419 herum Freiburger Bäcker erstmals einen Baum aufgestellt haben sollen, der mit Süßem, Nüssen und Früchten geschmückt gewesen sein soll, und den Kinder zu Neujahr abernten durften. Ob das wirklich so war, ist umstritten. Ganz sicher belegen lässt sich, dass die allerersten Weihnachtsbäume zu Beginn des 16. Jahrhunderts an zentralen öffentlichen Orten und in Kirchen platziert wurden, und einige Zeit später kam der Christbaum auch in die privaten Stuben und Wohnhäuser.
Interessanterweise wurden die Weihnachtsbäume in Kirchen zunächst kopfüber von der Decke herunter aufgehängt – was wohl aus Platzgründen geschah. Das im Mittelalter übliche Behängen der Zweige mit Äpfeln rührt daher, dass die biblische Frucht und der dazugehörige Paradiesbaum fester Bestandteil des Krippenspiels waren, bei dem die Geschichte von Adam und Eva im Paradies nachgespielt wurde. Später, als Hungersnöte übers Land kamen und Äpfel knapp wurden, ersetzte man die Früchte kurzerhand durch kristallene Christbaumkugeln. Dass hier die Schwarzwälder mit ihrer Kunst des Glasblasens ganz vorne mit dabei waren, ist ebenso verständlich wie die Nutzung von Schwarzwälder Tannen als Weihnachtsbäume. Und so finden sich denn auch tatsächlich die ersten schriftlichen Zeugnisse in den Bibliotheken der Region wieder, die beide Seiten des Oberrheins umfasst: den Schwarzwald, Baden und das nahe Elsass.
Das kleine Örtchen Sélestat im Elsass ist stolzer Besitzer einer humanistischen Bibliothek, die gerade, nach aufwendigen mehrjährigen Umbauarbeiten, wieder eröffnet hat. In dieser „Bibliothèque Humaniste“ finden sich gleich eine ganze Reihe an Zeitzeugnissen, die der Sammlung im Jahr 2011 den Status als UNESCO-Weltkulturerbe einbrachten. Darunter die älteste schriftliche Erwähnung einer Zahlung von zwei Schilling an einen Förster für das Bewachen des Waldes am Tag des Heiligen Thomas. Er sollte dafür Sorge tragen, dass kein Unbefugter in der Vorweihnachtszeit Bäume aus dem Wald schlug zum Zwecke der Verwendung als Christbaum. Das war im Jahr 1521. 40 Jahre später war ein Nadelbaum je Bürger erlaubt. Dieser durfte jedoch nicht länger sein als „acht Schuh“. Die schriftlichen Dokumente, die dies belegen, sind heute hinter dickem Glas geschützt und zählen zu den ältesten Zeugnissen, die den Handel mit Nadelbäumen in der Weihnachtszeit beschreiben.
Ähnliche schriftliche Zeugnisse aus der Zeit ab 1554 finden sich in Freiburg. Auch hier galt es, dem „Überhandnehmen der alljährlich wiederkehrenden nachhaltigen Waldverwüstungen durch Aushauen der Christbäume“ entgegenzuwirken, indem jedem eine Strafe von zehn Rappen angedroht wurde, der dies nicht beherzigte. Den Einzug in die Privathäuser schaffte der Weihnachtsbaum im Jahr 1605 – zumindest den erhaltenen Belegen nach.
Eine Ausstellung, die sich mit der Entwicklung des Christbaumschmückens in chronologischer Reihenfolge befasst, und in der die Bäume nach alter Tradition von der Decke herab hängen, findet sich alljährlich in der Kirche St. Georges in Sélestat.
Ausstellung „Geschichte des Weihnachtsbaums“:
1. Dezember 2018 bis 6. Januar 2019
täglich von 9 bis 19 Uhr, Kirche St. Georges, Sélestat
www.ville-selestat.fr
www.bibliotheque-humaniste.fr
Foto: © Reinhold Wagner