Wohnungspreise: Der Staat zählt selber zu den Kostentreibern Kommentar | 16.08.2023 | Lars Bargmann

Da geht noch was: An der Ecke Eugen-Martin- und Ingeborg-Krummer-Schroth-Straße sind 120 Wohnungen im Bau. Da geht noch was: An der Ecke Eugen-Martin- und Ingeborg-Krummer-Schroth-Straße sind 120 Wohnungen im Bau.

Lieferzeiten, Baupreise, Inflation und Finanzierungskosten im Steilflug – Bauanträge und Baufertigstellungen auf Absturzkurs: Die deutsche Wohnungswirtschaft ächzt unter toxischen Rahmenbedingungen seien es Bauträger oder Projektentwickler, Häuslebauer oder Mieter. Einer wird bei der giftigen Liste des Grauens oft vergessen: der Staat. Denn der ist für 37 Prozent der Wohnungskaufpreise selbst verantwortlich. Sagt eine aktuelle Untersuchung des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft ZIA.

„Konzertierte Aktion Wohnen: Was es jetzt braucht, um den Wohnungsbau endlich wieder anzukurbeln“, ist das aktuelle Positionspapier des Zentralen Immobilien Ausschusses überschrieben. Zu der Staatsquote von 37 Prozent zählen altbekannte Faktoren wie – zwischen Wohnungs- und Gewerbebau saldiert – 11 Prozent Umsatzsteuern für Bauleistungen, 8 Prozent für Grunderwerbssteuern und Notare, 5 Prozent für technische Baubestimmungen, DIN-Vorgaben und Qualitätsstandards.

Aber auch hinzugekommene wie immer höhere energetische Anforderungen (5 Prozent), das Einfordern von immer mehr Gutachten (3 Prozent) oder Vorgaben für den sozialen Wohnungsbau und sozialgerechte Bodennutzungen (5 Prozent). Die nahezu inflationär geforderten Architektenwettbewerbe nicht mal eingerechnet. Und bevor es losgeht, muss auch die Baugenehmigung bezahlt werden.

Aber es geht ja viel zu wenig los. „Explodierende Grunderwerbsteuern, Gebühren, Gewinnabschöpfungsmodelle sowie Vorgaben und Restriktionen verursachen weit mehr als ein Drittel der Kosten. Genau hier sind die Hebel, wenn eine Wende am deutschen Wohnungsmarkt realistisch sein soll“, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner unlängst dem Handelsblatt.

Ein kleines bisschen am Hebel spielt Bundesbauministerin Klara Geywitz. Bei einem Gipfel der Wohnungswirtschaft in Hamburg erklärte sie neulich, dass der Bund die Deutschen Industrienormen „mit einem Preisschild versehen“ wird, damit klar ist, welche Normen welche Kosten verursachen. Die Frage darf erlaubt sein, was daraus folgt.

Es gibt aktuell mehr als 500 DIN-Normen allein fürs Bauen und insgesamt 20.000 Bauvorschriften. Und es ist bekanntlich deutlich schwerer, eine Norm zu verabschieden als zwei neue auszuhecken. Wirkungsvoller dürften steuerliche Anreize sein wie zusätzliche degressive Abschreibungsmöglichkeiten. Und mehr Zuschüsse. Der Bund hat im vergangenen Jahr den sozialen Wohnungsbau mit 750 Millionen Euro gefördert. Für Batterieautos gab es 2,1 Milliarden.

Im Ländle hatte Bauministerin Nicole Razavi fürs laufende Jahr den Fördertopf für den sozialen Wohnungsbau um rund 40 auf 463 Millionen Euro erhöht. Mitte Mai war der Topf: leer. Wer will, dass wieder mehr geht, muss entweder auf einen Teil seiner 37 Prozent verzichten – oder einen Wumms für den Wohnungsbau beschließen. Und dann auch liefern.

Foto: © Pascal Lienhard

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