Ein Hauch von Ewigkeit: REGIOschönheit St. Blasien im Porträt Freizeit | 04.08.2019 | Stella Schewe

Dom-St.-Blasien

Wer zum ersten Mal nach St. Blasien im Schwarzwald kommt, wird staunen: über seine Geschichte als Kurort mit Weltruf, über Besucher aus aller Welt beim Internationalen Holzbildhauersymposium, vor allem aber über den majestätischen Dom.

„Es ist eine merkwürdige Kirche“, sagt Sylvia Mutter zu Beginn der Führung auf dem Domplatz. Ihr Blick ruht auf der Säulenvorhalle und dem grünen Kuppeldach, das mit seinen 62 Metern Höhe die beiden nur knapp halb so hohen Kirchtürme locker überragt. „Merkwürdig, im Sinne von: Sie ist würdig, dass man sie sich merkt.“ Will heißen: Als größte Kuppelkirche nördlich der Alpen ist der Dom vom Stil her ganz anders als die anderen Kirchen im Hochschwarzwald.

Das war nicht immer so: Die barocke Vorgängerkirche mit langem Kirchenschiff und zwei Türmen war typischer für die Region. Doch nachdem sie 1768 abgebrannt war, hatte Martin Gerbert anderes im Sinn. Der Fürstabt des Benediktinerklosters, zu dem die Kirche gehörte, hatte auf einer Romreise den Petersdom und das Pantheon gesehen – Kuppel und Säulen der beiden markanten Bauwerke sind im Dom von St. Blasien unschwer wiederzuerkennen. „Einen Tempel für alle Heiligen“ habe er bauen wollen, erzählt Mutter, „ohne Farben, Verzierungen oder Schnörkel.“

Das Licht ist überwältigend

Was außen auch gelang, im Inneren jedoch konnte Gerbert den nüchternen, klassizistischen Stil nicht ganz durchhalten und machte mit barocken Elementen Zugeständnisse. „Die Menschen damals erwarteten Pracht, Bilder und Dekoration, eine gänzlich schmucklose Kirche ließ sich nicht vermitteln. Dadurch wurde der Dom quasi zu einem Zwitterwesen.“ So haben etwa die 18 Meter hohen Säulen im Inneren ionische und korinthische Kapitelle – im Gegensatz zu den schlichten dorischen außen. Verkleidet wurden sie mit mit sogenanntem „Schwarzwaldmarmor“: einem Gemisch aus Gips und Marmormehl. Auch Boden und Gestühl sind weiß – wer den Dom zum ersten Mal betritt, ist überwältigt von Licht und Helligkeit.

Dom Innen

Das weiß gehaltene Innere besticht durch Licht und Helligkeit.

Gebaut wurde er in gerade mal zwölf Jahren, von 1772 bis 1783, gut 90 Jahre später nach einem verheerenden Brand nochmals aufgebaut und schließlich für die 200-Jahr-Feier 1983 umfassend saniert – eine lange und wechselvolle Geschichte, die im 9. Jahrhundert ihren Anfang nahm: Damals ließen sich Mönche im geschützten Albtal nieder. Wobei das „keine Mönche im heutigen Sinne waren, sondern fromme Einsiedler, die sich dem spirituellen Leben widmen wollten“, weiß Thomas Mutter. Als Stadtrat und ehemaliger Geschichtslehrer ist er mit St. Blasiens Geschichte ebenso vertraut wie seine Frau Sylvia, die Domführerin. Er berichtet davon, wie das Kloster im 10. Jahrhundert durch Schenkungen des „Stifters“ Reginbert wirtschaftlich unabhängig und im Mittelalter zu einem der wichtigsten Klöster im Schwarzwald wurde. Davon, wie es 1806 im Zuge der Säkularisation aufgelöst wurde, zunächst eine Baumwollspinnerei in die Räume einzog und schließlich 1934 das jesuitische Kolleg St. Blasien.

Das renommierte Gymnasium bietet Platz für 800 Schüler, 200 davon besuchen das Internat, und 200 Arbeitsplätze, wie St. Blasiens Bürgermeister Adrian Probst betont. Er ging hier ebenfalls zur Schule. Neben der Firma Aebi Schmidt – mit 400 Arbeitsplätzen einer der führenden Hersteller von Schneepflügen und Kehrmaschinen für Kommunen – zählt das Kolleg damit zu den großen Arbeitgebern der Stadt. Probst lobt „den Mut und das Rückgrat“, mit dem der heutige Kollegsdirektor Pater Klaus Mertes die 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsfälle durch Kirchenvertreter am Kolleg aufgearbeitet hat – detailliert nachzulesen auf der Website des Kollegs: „Das war ehrlich und konsequent. Mein Vertrauen in die Institution ist dadurch gestärkt worden.“

Eines der ältesten Klostergebäude ist das 1010 erbaute Gästehaus, in dem heute das Haus des Gastes und das Kreismuseum untergebracht sind. Auch das Amtsgericht ist in einem früheren Teil des Klosters zu finden. „Unsere Amtsrichterin hat allerdings nur eine halbe Stelle“, lacht Sylvia Mutter. „Sie sehen, wir leben hier schon noch in einer heilen Welt.“ Ja, das Sozialgefüge sei intakt, bestätigt Bürgermeister Probst. „Viele Probleme haben wir hier gar nicht, und wenn wir sie haben, können wir sie oft auch ohne Amtsgericht lösen.“ Deswegen und auch dank der guten Infra-
struktur mit Kindergärten und Schulen – von der Grund- über die Werkreal- und Realschule bis hin zum Kolleg – gebe es „keinen besseren Ort, wenn man irgendwo Kinder aufziehen will“.

St. Blasien

Ragt aus dem Stadtbild heraus: der prachtvolle Dom mit seiner grünen Kuppel.

Dafür spricht natürlich auch die gute Luft, die aus dem heute 4000 Einwohner zählenden Städtchen schon früh eine „Kurstadt mit Weltruf“ machte, wie Bernhard Meyer, Leiter des Stadtmarketings und des Radon Revitalbades, hervorhebt: mit einer Wasserheilanstalt, einer Lungenfachklinik und großen Hotelbetrieben. Der Sog sei groß gewesen, ergänzt Thomas Mutter: Adlige, Intellektuelle, Schriftsteller seien Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts regelmäßig zur Sommerfrische oder Behandlung nach St. Blasien gekommen, darunter Großherzog Friedrich I. von Baden ebenso wie der russische Schriftsteller Maxim Gorki oder Konrad Adenauer.

Wellness & Kultur in Menzenschwand

Als heilklimatischer Kurort und Kneippkurort verfügt St. Blasien noch immer über fünf Kliniken und lockt Besucher außerdem mit dem Radon Revitalbad im Ortsteil Menzenschwand. Wannenbäder in dem leicht radonhaltigen Wasser sollen das Immunsystem stimulieren, Entzündungen hemmen und Schmerzen stillen, hilfreich etwa bei Rheumaerkrankungen oder Schuppenflechten. Doch ein Ausflug in das schön gelegene Bad lohnt natürlich auch ohne Erkrankung, zum Ausspannen und für ein bisschen Wellness. Daran vorbei führt der Wanderweg zu den Menzenschwander Wasserfällen, die sich in einer schmalen Schlucht über bis zu 30 Meter hohen Felswänden ins Tal stürzen. Ebenfalls sehenswert ist in Menzenschwand das Museum „Le Petit Salon“, das den Malerbrüdern Franz Xaver und Hermann Winterhalter gewidmet ist.

Radon_Revital_Bad

Das Radon Revitalbad lockt mit Wellness-Angeboten, aber auch mit medizinischen Wannenbädern in radonhaltigem Heilwasser.

Doch zurück nach St. Blasien. Hier kreuzen sich zwei große Wanderwege: der Schluchtensteig und der Albsteig Schwarzwald, was die Stadt zum „Wanderkreuz des Südens“ macht, wie Meyer betont. Und im Sommer locken gleich mehrere Veranstaltungen: noch bis 20. August die Internationalen Domkonzerte und am 16./17. August das Festival am Dom. Freitagabend führt das Hollywood Philharmonic Orchestra mit Chor und Solisten Filmmusik-Klassiker des Komponisten Hans Zimmer auf. Am Samstagabend erweckt ein symphonisches Orchester mit Chor und Tolkien-Ensemble die fantastischen Abenteuer von Frodo und Bilbo Beutlin aus „Der Herr der Ringe & Der Hobbit“ zum Leben.

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Eine der schönsten Sonnenuhren Süddeutschlands findet sich am Amtsgericht.

Am lebendigsten aber dürfte es in der letzten Augustwoche werden: Zum Internationalen Holzbildhauersymposium vom 25. August bis 1. September hatten sich 239 Künstler aus der ganzen Welt beworben. 16 von ihnen wurden ausgewählt und werden auf den Straßen und Plätzen in der Innenstadt unter Zeltdächern ihre Skulpturen formen. „Die Amtssprache in diesen Tagen ist Englisch“, erzählt Marketingchef Meyer, „das ist dann eine völlig andere Welt.“ Thomas Mutter dagegen schätzt die ruhigeren Zeiten. Gerne setzt er sich entweder frühmorgens oder spätabends auf den Domplatz. „Wenn der Brunnen plätschert und es langsam dunkel wird, das ist traumhaft“, schwärmt er, „das ist, als ob ein Hauch von Ewigkeit weht.“

Ortsinfos

Lage: Landkreis Waldshut, zwischen Waldshut und Schluchsee. Mit dem Auto rund eine Stunde nach Freiburg oder Lörrach.
Gründung: Der Ort entstand um das Benediktinerkloster, das im 9. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde.
Ortsteile: Menzenschwand, Albtal
Bevölkerung: rund 4000 Einwohner

Fotos: © Hochschwarzwald Tourismus GmbH, Radonbad Menzenschwand/Astrid Franz