Knabenkraut und Kuckucksblume: Orchiedeenblüte im Jennetal Freizeit | 01.05.2020 | Erika Weisser

Wiesenkraut

In den Naturschutzgebieten der Gemeinde Ebringen blühen die Orchideen. 25 verschiedene Arten wachsen im Jennetal und auf den Berghauser Matten – darunter sehr seltene. Und überall gilt, nicht nur in Zeiten von Corona: mit Abstand bewundern.

Zitronenfalter, Tagpfauenaugen und andere Schmetterlinge flattern schwerelos über blühende Wiesen. Bienen und Hummeln summen durch die sonnenwarme Luft, lassen sich auf den verlockend duftenden Blüten von Kirsch- und Apfelbäumen nieder. Zartes Grün sprießt aus Hainbuchen und anderen Gehölzen am Waldessaum, Vögel zwitschern, ein klopfender Specht ist zu hören, Mäusebussarde kreisen über diesem paradiesisch anmutenden Tal – mit einer Flora und Fauna, die andernorts rar geworden ist. 

Die Vielfalt ist kein Zufall: Das am Fuße des Schneeburghügels gelegene Jennetal zählt zu den ältesten Schutzgebieten in Baden-Württemberg. Im Jahr 1932 kaufte der aus Merzhausen stammende Arzt Erwin Sumser dort sieben zusammenhängende Flur-Grundstücke mit Halbtrockenrasen und entzog sie so dauerhaft der landwirtschaftlichen Nutzung. Mit dem einfachen und uneigennützigen Ziel, insbesondere den wild wachsenden, von ihm sehr geschätzten Orchideen ihren Lebensraum zu erhalten. Im selben Jahr ließ er das insgesamt 71 Ar umfassende Gelände einzäunen und in die damalige Liste der Naturdenkmale eintragen. So entstand der „Sumsergarten“ – bis heute Keimzelle und Kernzone des 1995 auf knapp 23 Hektar erweiterten Naturschutzgebiets Jennetal. 

Das Gelände, das Sumser 1960 an das Land Baden-Württemberg veräußerte, ist immer noch eingezäunt. Oder besser: wieder. Denn in Zeiten, da es sich herumsprach, welche botanischen Schätze das eigentlich sehr ruhige Jennetal barg, setzte ein regelrechter Orchideentourismus ein. Und der beschränkte sich nicht immer aufs Anschauen oder Fotografieren – etliche Pflanzen wurden zertreten oder gar ausgegraben. Mit der Folge, dass so manche besonders schützenswerte Sorte verschwand, etwa der Gelbe Frauenschuh. Davon zählten hier ehrenamtliche Gartenpfleger 1984 noch drei Exemplare, inzwischen gibt es kein einziges mehr. Deshalb ist das Tor zum Garten jetzt meistens fest verschlossen und  für Besucher nur während der Blütezeit von Mitte April bis Mitte Juni geöffnet. An Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen von 9 bis 16 Uhr – unter Aufsicht von Naturschutzbeauftragten, die natürlich auch gerne Auskunft geben über das Gebiet und seine Besonderheiten.

Jennetal

Vom Jennetal und dem Sumsergarten aus schweift der Blick über den Ebringer Ortsteil Tirol zu den Wiesen und Bäumen der Berghauser Matten. Dort blühen faszinierende Orchideen wie das Brand-Knabenkraut und die Kuckucksblume.

Auf einem mit Rindenmulch belegten und nicht an jeder Stelle bequemen Pfad kann man die blühenden Wiesen umrunden – von einem einfachen Drahtzaun in
gebührendem Abstand gehalten zu den Blumen mit so wundersamen Namen wie Waldvöglein, Kucku
cksblume, Bocksriemenzunge, Mannsknabenkraut, Affenknabenkraut, Puppenorchis oder Bienen-, Hummel-, Fliegen- und Spinnenragwurz. Weiß leuchten die einen, violett, purpurfarben, zartrosa, hellgelb oder lichtgrün die anderen; mehrfarbig getupfte oder gefleckte Blüten sind zu sehen – und einige, deren unteres Blütenblatt einer Biene ähnelt. Oder einer Hummel. Manche Arten sind eher unauffällig und von niedrigem Wuchs, andere sind 50 bis 75 Zentimeter hoch und betören durch kräftige Farben – dem Variantenreichtum ist keine Grenze gesetzt.

Auch der Zaun ist keine Grenze: Längst hat der Wind die Samen der Orchideen aus dem Sumsergarten in die nähere  Umgebung getragen, mittlerweile gedeihen diese faszinierenden Gewächse auch im übrigen, inzwischen komplett unter Naturschutz stehenden Jennetal wieder prächtig. In einträchtiger Nachbarschaft mit mindestens  30 anderen typischen Pflanzensorten des Schönberggebiets. Und mit höchst seltenen und entsprechend geschützten Vogel- und Insektenarten wie der Zaunammer oder der Gottesanbeterin, die hier, in der sich erholenden Natur, noch gute Nist- und Lebensbedingungen vorfinden.

Um diese zurückgewonnenen Lebensräume nicht zu stören, sollten Wanderer sich unbedingt an die eigentlich selbstverständlichen Betretungsregeln halten, die allenthalben den grün umrandeten Hinweisschildern zu entnehmen sind. Es empfiehlt sich außerdem, sich dem Gebiet langsam und am besten zu Fuß zu nähern: Entweder vom Ebringer Rathaus aus über den Schlossweg durch den Sommerberg. Oder, noch besser, von Freiburg-St. Georgen aus in aufsteigenden Serpentinen durch die Gärtenhänge und Weinberge nach Leutersberg und von dort zum Schlachtenkreuz. Von diesem Aussichtspunkt über Batzenberg, Rheinebene, Tuniberg und Kaiserstuhl bis in die Vogesen führt ein unbefestigter Weg vorbei an kleinparzelligen Reben, Trockenmauern, Bauerngärten und heckenbestandenen Böschungen geradewegs zum Ziel. Und von dort aus sind verschiedene Rund- oder Rückwanderungen möglich, etwa über die gleichfalls geschützten Berghauser Matten, die man von hier aus sehen kann. Und die ebenfalls eine große und seltene Artenvielfalt aufweisen.

Foto: © iStock/Andyworks, ewei