Dschungelfahrt – Mit dem Kanu durch die Rheinauen Erkunden & erleben | 01.07.2025 | Nicole Kemper

Im Auenwald zwischen Wyhl und Weisweil erstreckt sich das südliche Ende des Naturschutzgebiets Taubergießen. Große Teile der dschungelartigen Landschaft sind vom Land aus dem menschlichen Auge verborgen. Kanufahrer haben hingegen die einzigartige Gelegenheit, auf einer für das Bootswandern freigegebenen Route mitten durch den Oberrheinischen ­Urwald zu schippern und entschleunigende ­Stunden in der Wildnis zu verbringen.

Reh

Sich treiben lassen. Von beiden Uferseiten aus breiten die Bäume ihre Äste weit über das Wasser und legen ein schützendes Blätterdach über die Kanufahrer. Bis auf ein leises Plätschern ist es still geworden, auch die Gespräche, die zu Beginn der Tour von Boot zu Boot angeregt hin- und hergingen, sind verstummt und haben dem puren Erleben Raum gemacht. Durch den Einsatz der Paddel kämen die Kanus schneller voran, aber dies ist ja nicht das Ziel dieser Tour. Im Gegenteil, Entschleunigung ist angesagt. So schaukeln die Boote im ersten Streckenabschnitt oft antriebs- und steuerlos über den dichten Teppich aus Wasserpflanzen. Dazu sind keine Abenteurer-­Gene nötig, lässt doch die ­geringe Geschwindigkeit ein rechtzeitiges Eingreifen zu, wenn das Gefährt zu sehr abdriften sollte. Stellenweise ist aber dennoch Konzentration gefragt. Das Hochwasser im Frühling hat etliche Bäume an der Strecke entwurzelt, die nun an einigen Stellen auch über den Flusslauf ragen und die Durchfahrt ­behindern.

Taubergießen

Entschleunigung auf dem „Grienwasser“

Der Start der Bootstour liegt an der Rheinstraße, die von Wyhl zur NATO-Rampe am Rhein führt. Etwa 200 Meter vom Parkplatz des Naturlehrpfads entfernt befindet sich die Einwasserstelle. Ein Auswanderer-Denkmal erinnert an dieser Stelle an eine historische Seefahrt: Im Dezember 1842 traten 392 Badener ihre Reise über den Atlantik an, um in Venezuela das Dorf „Colonia Tovar“ zu gründen. Dort kann man immer noch Kaiserstühler Dialekt hören – die Bewohner Tovars haben ihre deutschen Wurzeln bis heute gepflegt.

Nach dem Einwassern übernimmt der Altrheinarm das ­Regiment. Zunächst begleitet das „­Grienwasser“ ein Stück weit den Wyhler Naturlehrpfad, dessen Informationstafeln ab und an durchs Geäst blitzen. Der vier Kilometer lange Rundweg mit lehrreichen Stationen bietet ein einzigartiges Naturerlebnis. Außer den allgegenwärtigen Libellen und leider ebenso munteren Stechmücken haben Spaziergänger auf den schmalen, oft einsamen Pfaden große Chancen, Eisvogel, Specht und Co. zu Gesicht zu bekommen, eine Blindschleiche aus der Nähe zu betrachten oder Rehe zu beobachten.

Libelle

Libellen begleiten die ruhige Reise durchs üppige Grün.

Faszinierende Vogel- und Pflanzenwelt

Auch auf dem Wasser lässt sich die besondere Tier- und Pflanzenwelt der Rheinauen entdecken. „Hört ihr?”, macht die Mitpaddlerin aufmerksam, als plötzlich ein melodisches Stakkato von hohen Vogelschreien die Stille durchbricht. „Das sind Bienenfresser!“ Die Rufe dringen aus dem uneinsehbaren Dickicht des Auenwalds, dann sind sie über uns, kleine Vogelschemen malen Kreise in den Himmel. Zu hoch oben im Gegenlicht, um das farbenprächtige Gefieder erkennen zu können. Schade, haben die kleinen Insektenjäger aus der Nähe betrachtet doch einen unverwechselbaren exotischen Look. Mit einer schwarzen Gesichtsmaske über der goldenen Kehle, einem orangeroten Schopf und blauen Bauch- und Schwanzfedern ist der amselgroße Zugvogel unverkennbar. Der wärmeliebende Exot nimmt jährlich eine Flugstrecke von mindestens 5000 Kilometern auf sich, um die warmen Sommermonate in einigen nördlicheren Regionen zu verbringen. Der Kaiserstuhl bietet ihm mit vielen Sonnenstunden und für Bruthöhlen geeigneten Lösswänden beste Bedingungen, doch selbst hier galt er in den 80er- und 90er-Jahren als ausgestorben. Zwanzig Jahre später brüten jetzt wieder knapp über 1200 Paare am südlichen Oberrhein.

Kanus am Wasser

Baden nicht erlaubt: Kanuwanderer müssen einige Regeln beachten, die dem Schutz der Auen­­landschaft dienen

Libellen als Galionsfiguren

In den Rheinauen findet der Insektenjäger reiche Beute: Während der gesamten Tour umschwirren Libellen die Kanus, blitzen als schillernde Farbtupfer aus dem Schilf hervor oder lassen sich ein Stück weit als lebende Galionsfiguren auf dem Bootsheck mitnehmen. So frei wie die Libellen sind die Kanuten auf dieser Strecke nicht; die Fahrt durch das Naturschutzgebiet ist an einige Regeln gebunden: So sind Bootsfahrten nur in der Zeit zwischen 8 und 20 Uhr von Süden nach Norden erlaubt, jedoch nicht für motorisierte Wasserfahrzeuge und SUPs. Ausstieg und Picknick ist im Naturschutzgebiet abseits der öffentlichen Picknickplätze absolut verboten, auch Schwimmen und Waten ist vom Regierungspräsidium untersagt. Wer nach dem schweißtreibenden Zieleinlauf auf dem breiteren und fast strömungslosen Endstück danach lechzt, sich in kühlende Fluten zu stürzen, findet aber reichlich Gelegenheit in der Nähe, beispielsweise im nahe gelegenen Wyhler Baggersee.

Eisvogel

Info

Kanu-Tour Grienwasser Wyhl – Weisweil
Länge: ca. 5 Kilometer
Einstieg:
an der Rheinstraße nordwestlich von Wyhl 48°10‘44.5“N 7°38‘05.2“E
Ausstieg: Rheinstraße (Skulpturenstraße) Weisweil 48°12‘41.9“N 7°39‘20.6“E

Fotos: © Nicole Kemper, iStock.com/ysbrandcosijn, iStock.com/Ralf Menache, freepik.com