Julian Philipp David: Songwriter-Rap zwischen Holzhacken und Herbstschmerz STADTGEPLAUDER | 24.01.2017

Etwas verplant guckt Julian Schwizler vom Cover seiner neuen Platte. Als könne der 25-Jährige den Rummel um seine Person nicht ganz glauben. Der in Au bei Freiburg aufgewachsene Rapper hat mit „Herbst“ einen kleinen Hit gelandet. Mehr als 100.000 Klicks in wenigen Wochen, Radiorotation, ein Auftritt im Morgenmagazin. Die neue EP könnte sein Durchbruch sein. Ein Newcomer, wie vielerorts geschrieben, ist Julian Philipp David jedoch längst nicht mehr.

Julian Philipp David

Verträumter Blick, explosive Liveshows: Julian Philipp David startet durch.

Ein bisschen verträumt wirkt der Mann mit den drei Vornamen. Passt ja auch zu seiner Musik: „Herbst, das heißt sitzen auf dem Sofa, mit Ingwer-Tee statt Cola und der Strickjacke von Oma“, rappt der Blondschopf. Im Schein bunter Laternen läuft er dabei durch den Wald. Melancholie, getragen von sanften Gitarren, passend zur kalten Jahreszeit. So soll es aber gar nicht sein, sagt der Wahl-Mannheimer im chilli-Interview: „Das Lied ist sehr zeitlos, das kann man auch im Sommer hören.“ Das Stück sei eine Metapher für innere Zerrissenheit.

Die ist beim Popakademie-Studenten Programm. Auf seiner im November erschienen Herbst-EP erzählt er von Versagensängsten, Nachtschichten und der Jagd nach Höhepunkten. Große Sprüche sucht man vergeblich im gitarrengetränkten Liedermacher-HipHop. Songwriter-Rap nennt er das mittlerweile. Der Begriff ist ihm mal rausgerutscht, jetzt nutzt er ihn gerne.

Auf den ersten Blick mag Julian Philipp David soft erscheinen, doch textlicher Tiefsinn, ausgefeilte Kompositionen und schweißgetränkte Liveshows lehren etwas anderes. Wer Julian Philipp David auf der Bühne gesehen hat, weiß, dass in dem unscheinbaren Kerl ein Vulkan brodelt. Ausgelassen springt er über die Bühne, reißt die Arme hoch, grinst in die Menge, als wolle er die ganze Welt umarmen. Im Fürstenbergzelt auf dem Zelt-Musik-Festival brannte er die vergangenen drei Jahre ein musikalisches Feuerwerk ab. Für eine treue Freiburger Fanbase, auch wenn er seit 2012 in Mannheim lebt.

Die neuen Songs hat er in einer Schrebergartenhütte bei Stuttgart geschrieben. Mit den Bandkollegen und dem Produzenten Jens Schneider, der auch mit Joris an Texten arbeitet. Zwischen Holzhacken und Teetrinken feilten sie an den Stücken. „Da habe ich Bezug zu Umwelt und Natur, man ist viel draußen, lässt es wirken“, berichtet Schwizler. Ein Kontrast zum Getümmel des Szeneviertels Jungbusch, in dem er seit einigen Jahren wohnt.

Eines seiner Stücke heißt Highlights. Auf den einen 2016er-Moment will er sich aber nicht festlegen. Das ZMF-Konzert sei aber vorne mit dabei. „Da habe ich zum ersten Mal richtig meine neuen Sachen präsentiert.“ Gemeint ist das Soloprojekt als Julian Philipp David. Noch 2015 trat er als Frontmann von Tonomat 3000 auf. Drei Jahre lang rockte die Band und veröffentlichte die Tono EP. Die klang ähnlich wie sein Soloprojekt, hinter den Kulissen läuft es nun aber anders: „Ich mache keine Kompromisse mehr“, betont er. Früher sei alles demokratisch diskutiert worden – Flyer, Songs, Videos. Nun entscheide er, auch wenn die Band weiter aus seinen „allerbesten Freunden“ bestehe.

Der Schritt zum Soloprojekt scheint sich auszuzahlen. Die Klicks auf YouTube haben sich verzehnfacht, das Medieninteresse steigt. „Ich finde, ich hab’s verdient“, sagt Schwizler. 15 Jahre habe er geackert wie ein Blöder. Und müsse jetzt den Nobelpreis im Wachbleiben bekommen, wie er in „Die Nacht ist mit uns“ erzählt.

Julian Philipp David

Handgemacht: Julian Philipp David ist live immer mit Band zu sehen.

Gestartet ist er in Freiburg. Als 14-Jähriger gründete er mit Freunden die Rapformation Lingulistig. Erst mit DJ und dem Rapper Nico „Kreut“ Grasreiner, dann mit Band. „Wir waren voll die Macher“, erinnert sich Schwizler. Bis ins Bundesfinale der „School Jam“ schafften sie es. Und veranstalteten ihre eigenen Willkommen-Daheim-Festivals in Freiburg. Die Release-Party ihres Albums Hin & Weg im White Rabbit 2012 war ein Schlüsselmoment: „In den Laden ging keiner mehr rein, das war der Shit“, erzählt Schwizler. Danach sei ihm klar gewesen: „Ich will Musik machen und nix mehr anderes.“

Also schrieb er sich an der Mannheimer Popakademie in „Musikproduktion“ ein und bastelte von da aus an der Karriere. Das Studium liegt mittlerweile auf Eis, da seine Arbeit Früchte trägt. Bis zum Jahresende sollen die Aufnahmen fürs Album im Kasten sein. Ab April ist er auf Deutschlandtour. Trotz des Erfolgs wandelt Schwizler zwischen Skepsis und Steilgehen: „Es gibt ständige Zweifelmomente – fliegen oder fallen.“ Als Musiker sei das normal.“ „Alles wird gut“ singt er deswegen auf seiner EP. „Der Satz hat mir oft geholfen“, sagt Schwizler. Für 2017 wünscht er sich Glück und Gesundheit – auch wenn es kitschig klingt.

Text: Till Neumann; Fotos: Universal & Julia Schoierer

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