Meister des Märchenhaften: Wie Fotograf Alexandre Goebel Freiburg in Szene setzt Kultur | 22.02.2019 | Till Neumann

Glühender Himmel, leuchtende Landschaften, spiegelnde Lichter. Die Fotos von Ale­xandre Goebel zeigen atemberaubende Szenerien. Von Münsterplatz, Schwabentor oder Schwarzwald. Wie schafft es der 42-Jährige, so perfekte Bilder zu machen? chilli-Redakteur Till Neumann hat ihm bei einem Shooting über die Schulter geschaut.

Mit Schal, Kapuze und Regenhose sitzt Alexandre Goebel vor dem Colombi Hotel. Auf dem Grasstreifen der Tramlinie hat er seine Ausrüstung ausgebreitet und das Stativ aufgebaut – inklusive verblichenem Sport­club-­Aufkleber. Es ist bitterkalt und es wird langsam dunkel.

Konzentriert schaut Goebel aufs Display seiner Sony-Kamera, die linke Hand zieht die Schärfe, die rechte regelt die Belichtungszeit. „Ich hasse den Winter“, flucht Goebel und lacht. Auch in der Kälte sucht er oft stundenlang den perfekten Ort, die perfekte Einstellung, das perfekte Licht.

Konzentriert: Alexandre Goebel fotografiert erst seit eineinhalb Jahren.

Sein Plan heute: ein Foto vom neu gestalteten Rotteckring. „Schade, dass kein Wasser in den Bächle ist“, sagt Goebel. Mit Spiegelungen arbeitet er gerne. Nach kurzem Suchen entscheidet er sich für die noch unbenutzte Straßenbahnspur als Stativ-Standort. „Das gibt schöne Lichtstreifen mit den vorbeifahrenden Autos“, erklärt Goebel. Links die weißen der Heranfahrenden. Rechts die roten der Wegfahrenden. Vor dem Shooting zählt er die Sekunden, bis die Autos vorbeifahren. Ein wichtiger Faktor für die Belichtung.

Für das perfekte Bild braucht Goebel meist mehrere Belichtungen. Sie werden danach am Rechner zusammengefügt. So auch heute: „Eins mit den roten Lichtern, eins mit den weißen und eins für den Hintergrund.“ Ist das nicht geschummelt? „Nö. Künstlerische Freiheit“, sagt Goebel. Seine Bilder veröffentlicht er vor allem auf Instagram, wie gemalt kommen viele daher. Stundenlanges Fotografieren reicht dafür nicht: „Die Entwicklung ist ganz wichtig“, sagt der gelernte Grafiker. Zwei bis drei Stunden könne die Bearbeitung pro Foto dauern. Manchmal auch einen Tag.

Auch im Umland unterwegs: Die knallbunten Fotos fallen auf.

Wichtig ist ihm der Überraschungsmoment: „Ich will einzigartige Augenblicke festhalten mit einem Wow-Effekt.“ Dafür bringt der studierte Historiker vollen Einsatz. „Ich mache 24 Stunden lang Fotos, wenn ich nicht fotografiere, bearbeite ich“, erzählt Goebel und zündet sich eine Zigarette an. Rund 2000 Accounts haben ihn auf Instagram abonniert, nur ein paar wenige Bilder hat er bisher verkauft.

Seine Brötchen verdient „Alex“ mit einer Text- und Grafikagentur. Kürzlich designte er Wahlplakate für den Dietenbach-Bürger­entscheid. Seine Leidenschaft ist jedoch Fotografie: „Das ist mein Ding, Leben pur“, sagt Goebel und drückt auf den Auslöser.

Immer wieder fährt er frühmorgens in die Berge. Doch als er neulich auf dem Schauinsland war, wollte die Sonne einfach nicht rauskommen. Just als er frustriert den Heimweg antrat, brach sie plötzlich durch. Fünf Stunden blieb er, um den perfekten Moment einzufangen. Äußerst befriedigend seien solche Erlebnisse, sagt Goebel.

Goebel will „einzigartige Augenblicke festhalten mit einem Wow-Effekt“.

Im vorvergangenen Sommer begann er nach holprigen Jahren mit der Fotografie. „Ich habe mir einfach eine Cam gekauft und bin losgezogen“, sagt Goebel. Als Autodidakt lerne er viel mit YouTube-Tutorials, bringt sich Dinge selbst bei. Als „Anfänger in der Lernphase“ sieht er sich heute. Mit seinem 3500-Euro-Equipment ist er am liebsten alleine unterwegs. Fürs perfekte Foto wird auch improvisiert: Einmal setzte er sich auf seinen Roller und fuhr für mehr Lichter durchs Bild. In der Konviktstraße schüttete er Wasser auf den Boden für eine Spiegelung.

„Fame und 20.000 Follower brauche ich nicht“, sagt Goebel. Gute Fotos machen ihn glücklich. Die Kamera und sich sieht er als Liebespaar, Fotografie sei Freiheit. Nach rund zweieinhalb Stunden ist das Shooting am Rotteckring im Kasten. Durchgefroren aber happy geht’s auf den Heimweg. Geschlafen wird noch lange nicht. Getan ist die Arbeit erst nach der Bildbearbeitung.

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www.instagram.com/alexandre_goebel

Fotos: © Alexandre Goebel; tln